Dederike - Zum Dienen geboren. Swantje van Leeuwen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Swantje van Leeuwen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750208438
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Dederike, wie sie Kristiinas Pose spiegelte, ihren Rücken aufrichtete und ihren Kopf anhob. Ein Kratzen in ihrem Hals, ließ sie die Stille zwischen ihnen ungewollt durch ein leichtes Räuspern unterbrechen. Sie griff nach vorn, um sich ihre Tasse Kaffee zu holen. »Ist die Frage erlaubt, was Sie beruflich machen, Vrouw van der Linden?«, fragte sie, um zumindest irgendeine Frage zu stellen und ein Gespräch in Gang zu setzen.

      Kristiina lächelte.

      Dederike wurde jetzt zum ersten Mal klar, dass es wie eine bemalte Fassade wirkte, eine autonome Reaktion, die androidenartig und oberflächlich wirkte. Unwillkürlich fragte sie sich, was diese Frau unter diesem hübschen, jugendlichen Gesicht wirklich dachte.

      »Oh, ich denke, man könnte mich gut und gern eine Hausfrau nennen. Ich kümmere mich um MC«, erwiderte Kristiina. Sie ließ den Satz so im Raum schweben, als ob es dem noch etwas hinzuzufügen gäbe, aber sie von etwas zurückgehalten wurde, es auszusprechen.

      Dederike war es nicht entgangen. Sie begann darüber nachzudenken, welche Geheimnisse es in diesem Haus wohl gab. Ihr bisheriges Gefühl der Sicherheit und des Trostes war leicht erschüttert. Welchen Einfluss hat ihr Ehemann auf sie? Was ist die Wahrheit in dieser Beziehung?, fragte sie sich.

      Noch während sie darüber nachdachte, vernahm sie die aufschwingende Haustür, worauf auch Kristiina sich in Richtung Flur drehte.

      *

      »Ah, MC ist gekommen!«, erklärte Kristiina. In ihrer Stimme lag die unverkennbare Note ihrer Aufregung. Sie sprang auf und schritt auf ihren High Heels schnell durch den Raum, wobei sie winzige Schritte machte, die unreif und kindlich wirkten – weit entfernt von dem selbstbewussten Gang, den sie zuvor gezeigt hatte.

      Dederike erhob sich, richtete ihr Kleid, strich eine vorwitzige Haarsträhne hinters Ohr und wartete auf das Erscheinen von Kristiinas Ehemann.

      Nach wenigen Sekunden kehrte Kristiina van der Linden in den Salon zurück.

      Dederike schnappte nach Luft, als sie sah, wer ihr folgte. Nur zwei Schritte hinter der attraktiven Brünetten erschien eine andere Frau – eine große, schlanke Blondine mit kurzen, fast schneeweißen Haaren und einem auffallend schönen Gesicht. Ihr Verstand raste, und sie schalt sich innerlich wegen ihrer Vorurteile, schockiert darüber, dass Kristiina van der Linden mit einer anderen Frau verheiratet war. Und sie verfluchte sich, weil sie deshalb so verwirrt wirkte.

      Die Blonde trat an ihrer Frau vorbei und auf Dederike zu. Sie grinste leicht, als sie deren Unbehagen spürte.

      Sie war eine beeindruckende Gestalt, die Dederike in ihren High Heels um mindestens fünfzehn Zentimeter überragte. Sie trug einen grauen Hosenanzug, der maßgeschneidert und teuer wirkte. Er passte perfekt zu ihr und betonte ihre Hüften und Brüste. Ihre bestimmt zwölf Zentimeter hohen Pumps hatten Pfennigabsätze, und die zahlreichen schmalen Riemchen umschlossen auf aparte Weise die schlanken Fesseln ihrer bestrumpften Füße. Ihr Schritt war kraftvoll, sehr bestimmend – ohne jedes Stocken oder Schwanken.

      »Hello! Ik ben Marieke Colien van der Linden. Maar MC is ook genoeg[8]«, stellte sie sich vor und bot Dederike selbstbewusst die Hand. Ihre Stimme war tief und rau, mit einer immateriellen Sinnlichkeit, die schwer zu ignorieren war. »Sie müssen Dederike sein, mit einem Master in Kunstgeschichte«, fügte sie mit einem ironischen Lächeln hinzu.

      Dederike fühlte, wie eine warme Röte ihren Nacken hinaufkroch und sich über ihr Gesicht ausbreitete. Als sie Mariekes festen Händedruck nahm, sah sie zu Kristiina hinüber, die hinter ihrer statuenhaften Frau stand und diese mit einem Ausdruck anstarrte, der anbetend wirkte. »Jjjaaa ..., ik ben Dederike. Ik ben heel blij je te ontmoeten[9]«, schaffte sie es zu antworten.

      »Ausgezeichnet. Dann sollten wir über den Job reden.« Marieke kam direkt auf den Punkt und deutete auf das Sofa, von dem Dederike sich gerade erst erhoben hatte.

      Dederike beschlich das seltsame Gefühl, als habe sie es ihr gerade nicht erlaubt, sich zu setzen, sondern es befohlen – sodass sie gezwungen war ihr zu gehorchen. Fast ohne nachzudenken, setzte sie sich zurück auf die Couch und richtete sich auf, wobei sie die Haltung nachahmte, in der sich Kristina zuvor niedergelassen hatte.

      Auf dem Absatz drehte sich Marieke um, trat zu dem anderen Sofa und ließ sich dort anmutig nieder. Dann wandte sie sich nach links und klopfte auf ein Kissen neben sich.

      Sofort wechselte Kristiina ihren Platz und setzte sich zu ihr.

      Zum ersten Mal sah Dederike die beiden Frauen zusammen und bemerkte die Unterschiede zwischen ihnen. Sie schienen perfekte Gegensätze zu sein: groß und zierlich; befehlend und gewinnend; blond und brünett. Aber trotz all ihrer Unterschiede passten sie perfekt zusammen, wobei jede die perfekte Ergänzung zur jeweils anderen darstellte.

      Dederike fühlte wie ihr Herz raste. Plötzlich machte sie die seltsame Paarung vor ihr sehr nervös. Es war nicht so, dass sie etwas gegen lesbische Beziehungen als solche hatte, nur hatte sie bislang nichts damit zu tun gehabt. Das Konzept war ein anderes, nicht ihres. Sie war ein kleines Mädchen aus Zwolle und dort mit traditionell christlichen Werten aufgewachsen – und dementsprechend hätte sie jedem, der sie danach gefragt hätte gesagt, dass für sie eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau geschlossen werden sollte. Aber sie war auch eine Universitätsabsolventin und hatte es geschafft, sich einigermaßen von ihrer Erziehung zu befreien. Sie war nach Amsterdam gezogen, um bessere Arbeitschancen zu haben, ihren Horizont zu erweitern, neue Leute kennenzulernen und etwas über verschiedene – andere – Lebensweisen zu lernen. Sie war keine Fanatikerin und hatte sich schon wiederholt die alljährlich Anfang August stattfindende ›Gay Pride‹ angesehen, und verzaubert mit tausend anderen die ›Canal Parade‹ bestaunt, bei der Heteros, Schwule, Lesben und Transgender die Gleichheit feiern. Sie hatte sogar Fotos gemacht, so sehr hatte ihr die Parade der geschmückten Boote auf ›Prinsengracht‹ und auf einem der Teil der ›Amstel‹ gefallen und das Zeichen, dass ihr Heimatland in Bezug auf Toleranz gegenüber Schwulen, Lesben und Transgendern damit in die Welt sandte. Und sie hatte sich sogar einmal dabei erwischt, dass sie gern inmitten all dieser exotisch, bizarr und sehr erotisch gekleideten, fröhlichen Menschen mitgemacht hätte. Aber schlussendlich war sie feige gewesen – und ganz sicher naiv.

      Während sie auf den Beginn des Vorstellungsgesprächs wartete, rang sie mit Misshagen und Neugierde, und sie versuchte, die beiden Frauen vor sich mit dem Konzept einer langfristigen Beziehung in Einklang zu bringen.

      Marieke van der Linden schien ihr Unbehagen zu spüren und schenkte ihr ein Lächeln, das zugleich warm und boshaft war. »Wieviel hat Ihnen meine Frau schon über die Tätigkeit erzählt?«, fragte sie schließlich.

      Dederike entspannte sich leicht. Sie war froh darüber, dass Marieke die unangenehme Stille gebrochen hatte. »Bislang nichts«, erwiderte sie ehrlich.

      In Mariekes Augen flackerte es, als sie Kristiina anschaute.

      Dederike hätten schwören können, dass sie darin einen Anflug von Frustration bemerkte – auch wenn er nur kurz und flüchtig war. »Ich denke, ich werde als Haushälterin arbeiten?«

      »Ja, dat klopt«, bestätigte sie, lehnte sich zurück und verschränkte die Beine vor sich. »Ik ben bang dat het geen heksen workshop is.[10] Vielleicht langweilen Sie sich bei all dem Waschen und Reinigen.«

      »Bestimmt nicht. Ich mag es, für andere zu sorgen«, entgegnete sie mit soviel Aufrichtigkeit wie sie konnte.

      »Und würde es Sie glücklich machen, hier zu leben?«, fügte sie hinzu. Sie schenkte ihrer Frau ein liebevolles Lächeln. »Wir möchten nämlich, dass unsere Haushälterin bei uns wohnt, damit sie ... immer greifbar ist«, fügte sie mit einem kaum merklichen Grinsen hinzu.

      »Ich ...«, stammelte Dederike, die nicht sicher war, was sie von der kleinen Pause halten sollte. »Das wäre sogar gut. So könnte ich die Miete sparen und für die Rückzahlung meines Studienkredits verwenden.«

      Marieke starrte sie mit eisblauen Augen an und versuchte Dederikes Gesichtsausdruck zu lesen, um deren Gedanken