Claus Karst
Treffpunkt Hexeneiche
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Inhaltsverzeichnis
Nichtvergesser unter vier Augen
Begegnung mit der Vergangenheit
Das Buch
An der Hexeneiche im Stadtwald wird ein bekannter Unternehmer, Generaldirektor eines weltweit operierenden Unternehmens, erhängt aufgefunden. Kommissar Cernik, Leiter der mit den Ermittlungen beauftragten Sonderkommission, stellt fest, dass der Tote ermordet worden ist. Je tiefer er mit seinen Ermittlungen in den Fall eintaucht, umso undurchsichtiger wird das Geschehen. Er muss mehreren, sehr unterschiedlichen Spuren nachgehen. Spuren, die mit der Vergangenheit des Toten, von der nicht einmal seine Frau zu wissen scheint und die zurück in die Nazizeit reichen, mit seinem persönlichen Umfeld und seinen beruflichen Aktivitäten zu tun haben. Ein vorgefundenes Bekennerschreiben weist ebenfalls in die Nazizeit, ohne dass dadurch mehr Klarheit entsteht. Undurchsichtig verhält sich auch der Oberstaatsanwalt, der offenbar mehr weiß, als er preiszugeben bereit ist.
Der Autor führt seine Leser bis zum Schluss in die Irre und wartet mit einem überraschenden Ende auf.
Der Autor
Claus Karst, 1940 in Essen geboren, lebt seit 45 Jahren mit seiner Familie am Rande des Sauerlands. Das Schreiben gehörte gehörte von Jugend an zu seinen Hobbys. Nach seinem vorzeitigen Eintritt in den Ruhestand widmete er sich verstärkt seiner Liebhaberei. Er nennt sich selbst Geschichtenerzähler, schreibt vor allem satirische, fantastische und zeitkritische Kurzgeschichten und Glossen. Der Kriminalroman „Treffpunkt Hexeneiche“, den er selbst eine politische Parabel nennt, ist sein erster Roman in dem er auf seine Weise Kindheit und Jugend nach dem Zweiten Weltkrieg unter den sich verändernden gesellschaftlichen Konstellationen verarbeitet.
„Wer mit Ungeheuern kämpft, mag zusehen, dass er nicht dabei zum Ungeheuer wird. Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein.“
(Friedrich Nietzsche)
All jenen gewidmet, die mich in jungen Jahren sehen und hören gelehrt haben, auf dass ich mit offenen Augen und Ohren meinen Weg gehen konnte.
Tod im Stadtwald
Griesgrämig, wie jeden Montag, wenn die Schwarz-Weißen, der Fußball-Verein, für den sein Herz schlug, verloren hatten, machte sich Hauptkommissar Leo Cernik auf den Weg zu seiner Dienststelle. Er war ein Fünfziger, kahlköpfig wie ein amerikanischer Krimiheld, mit bernsteinfarbenen Augen, die an die Augen eines Löwen, seines Namenpatrons, erinnerten. Selbst, wenn sie den Eindruck zu schlummern erweckten, entging ihnen nur selten etwas. Immer lagen sie auf der Lauer und konnten einen Delinquenten bis auf den Grund seiner Seele durchbohren. Sein Gedächtnis galt im Präsidium als Archiv, wie das eines Elefanten. Nie vergaß er ein Gesicht, das ihm bei seiner Arbeit je begegnet war, und den dazu gehörigen Namen.
Der erste Montagmorgen im September 1975 war ein solcher Tag. Seine Laune verschlechterte sich bei seiner Ankunft auf dem Parkplatz des Polizeipräsidiums weiterhin, als er feststellen musste, dass ein übermütiger Irgendwer seinen Stellplatz hinter dem Gebäude mit Beschlag belegt hatte, was er als unverzeihliches Sakrileg empfand. Dieser Platz war zwar nicht ausdrücklich für ihn reserviert, aber alle Kolleginnen und Kollegen akzeptierten seinen in keiner Dienstanweisung formulierten Anspruch, den er mit jeder nur möglichen List verteidigte wie ein Platzhirsch sein Revier. Zähneknirschend vor sich hin fluchend, parkte er seinen Wagen dermaßen hinderlich, dass der Verursacher seines Unmuts nicht wegfahren konnte.
„Strafe muss sein, wer immer du auch bist!“, wies Cernik den Unbekannten zurecht, obwohl der Gerügte den Rüffel nicht hören konnte. Verärgert stapfte er die Stufen zu seinem Büro hinauf, mürrisch die Morgengrüße der Entgegenkommenden erwidernd. Die Frotzeleien „Wie war denn das Spiel gestern?“ ignorierte er, denn die gestrige Leistung der Schwarz-Weißen stieß ihm noch immer auf, schlimmer als ein Sodbrennen nach einer unbekömmlichen Mahlzeit. Im Inneren räumte er ein, dass ihn solche Fragen wurmten, was er jedoch niemals offen zugegeben hätte. Es gehörte zu den Ritualen in der Behörde, dass die gesamte Belegschaft jeden Montag ihren Spaß daran fand, über die Fußballergebnisse zu flachsen und einander aufzuziehen, da sich unter ihnen Fans verschiedener Vereine des Reviers befanden.
Als er gerade im Begriff war, die Klinke seiner Bürotür runterzudrücken, an der ein Schild SOKO, Eintritt nur nach Anmeldung sowie ein weiteres Rauchfreie Zone angebracht waren, sprang die Tür ungestüm auf. Sein Kollege Willy Klein stürzte aus dem Büro und prallte mit ihm zusammen.
„Gut, dass du endlich da bist. Wir warten schon auf dich“, polterte Klein los.
„Kannst du nicht aufpassen, du Trottel oder mal ein wenig Rücksicht auf alte Männer nehmen? Was ist denn los?“
Cernik rieb seinen schmerzenden Ellbogen, den die Tür getroffen hatte.
„Wir haben einen neuen Fall – einen prominenten offensichtlich, denn der Oberstaatsanwalt telefoniert schon seit einer geraumen Zeit hinter dir her. Du sollst dich sofort bei ihm melden.“
Cernik betrat das nur spärlich ausgestattete Büro. Die alten Holzschreibtische sollten schon längst gegen neue ausgetauscht worden sein. Er nahm auch den Schmutz in den Ecken und Winkeln des Raumes nicht mehr wahr, der von der Putzkolonne beim Staubwischen täglich aufs Neue übersehen oder sogar neu verteilt wurde. Das Büro teilte er mit Kommissar Klein und ihrer gemeinsamen Assistentin, der Kommissaranwärterin Inga Büllesbach.
Wie jeden Morgen begrüßte sie ihn mit einem fröhlichen „Guten Morgen, Chef.“
Den Gruß erwiderte er knurrend