Liebesengel küssen nicht. Ewa A.. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ewa A.
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753197180
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Klienten einen Besuch abzustatten.

      Dem Himmel sei Dank, ist bei denen noch alles in Butter. Auf den ersten Blick kann ich kein Eristen-Eingreifen erkennen. Etwas beruhigter als zuvor hinterlasse ich bei den Paaren kleine Stupser, damit sie sich ihrer Liebe zueinander wieder bewusst werden.

      Leider halten die Menschen vieles für selbstverständlich, ihre Partner, Freunde oder Familien, deren Zuneigung, sogar das unfassbare Glück, ihre Liebe überhaupt gefunden zu haben. Oft begreifen die Leute erst, dass sie das Beste ihres Lebens in Händen hielten, wenn es unwiederbringlich verloren ist.

      Deswegen lasse ich bei der einen Ehefrau das Lied im Radio spielen, bei dem sie zum ersten Mal mit ihrem Mann tanzte und er ihr dabei auf die Füße trat, weswegen sie ihn nicht vergessen konnte. An ihrem Schmunzeln sehe ich, dass sie sich daran erinnert.

      Einem der Männer schmuggele ich zwischen die Aufgaben seiner elektronischen To-do-Liste, die seine Frau ihm immer per Handy schickt, ein »Mich heute Nacht verwöhnen«. Nachdem er es gesehen hat, lösche ich es wieder. Selbst wenn er sie darauf später ansprechen und sie es kichernd abstreiten sollte, so etwas geschrieben zu haben, um die beiden wird es schon geschehen sein.

      Ja, manchmal braucht man ganz wenig, um viel zu erreichen. Manchmal bedeutet nur ein kurzer Satz, nur eine kleine Geste dem Gegenüber die ganze Welt.

      Im Unsichtbarkeits-Modus mache ich mich erneut zur Marathon-Ziege auf, die sich in ihrer Küche gerade ein Vitamin-Drink mixt, was mir eine günstige Gelegenheit bietet, ihr die Tropfen zu verabreichen, die mir Bellamy speziell für diesen Fall besorgt hat.

      Natürlich könnte ich ihr den gesamten Inhalt des Fläschchens per Willen in das Getränk mischen, aber das wäre vielleicht schädlich für ihre Gesundheit und ein katastrophaler Fehler, der einem Cupida und auch einem Eristen nie unterlaufen darf.

      Es ist das Erste und Wichtigste, was wir alle in unserer Ausbildung lernen: Unser Handeln darf niemals einen Menschen körperlich verletzen. Wenn das passiert, prüft der Legionsleiter, das ist bei den Cupidas Phileas und bei den Eristen Nyra, inwieweit es fahrlässig oder willentlich geschah. Ist Letzteres der Fall … verschwindet man. Wortwörtlich. Wir lösen uns auf. Dieses Vergehen ist das Einzige, was unserer Existenz ein Ende setzen kann. Und ja, das kommt öfter vor, als man denkt. Entweder geschieht es in aller Öffentlichkeit oder heimlich, still und leise. Plötzlich ist ein altbekannter Cupida weg. Zack!

      Woher Phileas und Nyra die Gewissheit haben, ob der Mensch absichtlich von einem verletzt wurde oder nicht, kann ich nur vermuten. Auch darüber, woher die Aufträge und Berichte stammen, die zum Teil Zukunftsvoraussagen beinhalten, welche wir Engel nicht treffen können, kann ich lediglich spekulieren.

      Ebenfalls vermag niemand von uns in das Herz eines Eristen, Cupidas oder Menschen zu sehen, wie auch keiner von uns die Gedanken eines anderen manipulieren kann. Was ja logisch ist, denn sonst bräuchten wir den ganzen Zinnober gar nicht veranstalten. Genauso wenig können wir in die Zukunft oder die Vergangenheit reisen. Das ist einerseits echt schade, aber andererseits würde vermutlich das totale Chaos ausbrechen.

      Naja, egal, ich muss jetzt bloß irgendwie den Deckel des Mixers anheben, um die Droge wohldosiert in das Getränk zu bekommen. Deshalb warte ich den geeigneten Moment ab, bis die angehende Iron-Man-Gewinnerin sich wegdreht. Den Deckel, wie von Geisterhand, vor ihrer Nase schweben zu lassen, wäre wahrscheinlich der Auslöser für einen fürchterlichen Schreikrampf, der jetzt völlig kontraproduktiv wäre. Abgesehen davon, soll unsere Existenz den Menschen verborgen bleiben. Nicht auszudenken, auf was für Ideen die kommen würden, wenn sie von uns wüssten.

      Während die Gewitter-Ziege ihren Kühlschrank durchwühlt, dessen Inhalt auf vegane Ernährung schließen lässt, öffne ich den Mixerdeckel für einen Spalt. Ich tropfe das Zeug in die rotierende grüne Pampe. Mein lieber Scholli, es sieht nicht bloß aus wie ein pürierter Frosch, es riecht auch danach. Igitt, wie lecker!

      In einer knappen Stunde würde die Gute ihren Termin bei Jonas haben, und bis dahin würde das Zeug seine Wirkung voll entfalten.

      Ich gebe zu, eine heimliche Vorfreude erfasst mich, auf das, was die klapprige Ziege anstellen wird. Mit einem Schmunzeln denke ich, dass ich jetzt zu Jonas sollte, und eine Sekunde später stehe ich Mister Zuckerschnittchen höchstpersönlich gegenüber.

      Oh nein! Nein, bitte nicht. Tut mir das nicht an. Warum ich? Der Kerl ist eine Wucht. Verflucht. Warum bin ich kein Mensch? Warum heißt es in dem bescheuerten Bericht nicht, dass ich die optimale Partnerin bin? Kann ich das vielleicht ändern? Scheiße, was denke ich da? Ich bin ein Profi. Ich bin eine der besten Cupidas. Ich ziehe das hier durch wie bei jedem anderen Auftrag auch. Selbst wenn der Anblick dieses Sahnetörtchens mir den Atem raubt. Stopp! Jetzt, krieg dich wieder ein, Evodie. Aus!

      Ich bin in Jonas‘ Büro gelandet, das eindeutig in seinem Zuhause ist, denn die Zimmertür steht offen, und ich kann einen kleinen Jungen beobachten, der vor dem Fernseher herumturnt. Er zappelt auf der Ledercouch hin und her, ohne sein Blick vom Flimmerkasten abzuwenden. Ich muss grinsen, weil mir der Gedanke kommt, dass der Kleine sehr wahrscheinlich dringend aufs Klo muss, aber Angst hat, etwas zu verpassen.

      Jonas schafft in der Zeit Ordnung auf seinem Schreibtisch und schaut auf seine teure Armbanduhr. Es ist ein warmer Frühsommertag, weswegen er die langen Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt hat. Die Bräune seiner kräftigen Unterarme hebt sich kontrastreich von dem hellen Baumwollstoff ab. Der gut aussehende Kerl ist ein überdurchschnittlich großes Exemplar seiner Spezies. Das schmal geschnittene Hemd betont seine breiten Schultern, und die obersten drei Knöpfe sind nicht geschlossen. Ja, das alles sehe ich und noch viel mehr. Selbstverständlich lässt mich das kalt. Eiskalt.

      Mmmh, ein gepflegter Geschäftsmann, der offensichtlich seine Brust nicht rasiert, denn einige schwarze Haare blitzen hervor, was ich ganz appetitlich finde. Äh, was Susan ganz appetitlich finden wird. Seine langen Beine sind von einer schwarzen Bundfaltenhose verhüllt, die seinen Hintern nicht das geringste bisschen altbacken wirken lässt.

      Für diesen Ausbund an Männlichkeit bin ich nicht sichtbar, und er läuft durch mich hindurch, was meinem Magen einen Schluckauf beschert. Leicht schnüffle ich hinter Jonas her. Sein Aftershave liegt in der Luft, das eine feine Moschus-Note hat. Soo guuut, … wie jeder andere Klient, die ich alle mit ihrer vorherbestimmten Partnerin zusammengebracht habe.

      »Max, geh bitte in den Garten zum Spielen oder hoch in dein Zimmer. Ich bekomme gleich Besuch.« Jonas‘ ernster Blick und Ton, die seinem Sohn gelten, lassen keinen Widerspruch zu.

      Nach kurzem Zögern greift Max mit seinen kleinen Händen nach der Fernbedienung, die vor ihm auf dem Tisch liegt. »Okay, ich geh nach oben, muss sowieso aufs Klo«, sagt der braunhaarige Junge und schaltet das Fernsehgerät aus.

      Irgendwie meine ich, Enttäuschung in Max‘ Stimme herauszuhören. Langsam schleicht der Kleine davon. Jonas‘ Brust hebt und senkt sich mit einem lauten Atemzug. Im nächsten Moment klingelt es an der Tür.

      Aha, meine erste Konkurrentin ist da, die es gilt, aus dem Rennen zu werfen.

      Ich folge Jonas zur Haustür, wo er die ältere Frau empfängt, die ihre Socken nicht nur nach Farben, sondern zusätzlich nach Textilarten ordnet. Ein wenig außer Puste geraten, stellt sich die füllige Dame vor und streckt Jonas ihre Hand entgegen.

      »Guten Tag, ich habe ein Vorstellungsgespräch bei Ihnen, wegen der Stelle als Tagesmutter.«

      »Hallo, dann müssen Sie Frau Hempel sein. Kommen Sie doch bitte herein.«

      Jonas tritt zur Seite, und Frau Hempel zwängt sich an ihm vorbei in den Flur. Zu dritt tigern wir zurück in Jonas‘ Büro.

      Mit einer Handbewegung bietet der Hausherr der Bewerberin den Platz vor dem Schreibtisch an. »Bitte setzen Sie sich, Frau Hempel.«

      Während die Ältere sich zwischen die Armlehnen des Stuhles quetscht, schließt Jonas die Tür und lässt sich anschließend auf seinem Chefsessel nieder. Ich beziehe derweil seitlich von ihnen Position, um den Ort des Geschehens besser überblicken zu können.

      Aufmerksam mustert Jonas die Dame, die