Geschichten des Windes. Claudia Mathis. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Claudia Mathis
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753197715
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Und dann kam eins zum anderen. Fiona und Tevin sahen sich wieder, verliebten sich und durften im Jahr 1670 sogar heiraten.

      Tevin war der Sohn des Stallmeisters Gavin Burton. Dieser starb leider zwei Jahre später im Alter von 53 Jahren. Und somit wurde Tevin, gerade 24 Jahre alt, Stallmeister des Lairds von Dunnottar Castle.

      Fiona war damals das zweite Mal schwanger, mit Rory, ihrem zweiten Sohn. Jaimie ist im Jahr davor zur Welt gekommen.

      Nun zogen Fiona und Tevin in das Schlafzimmer seiner Eltern und seine Mutter Deenah in ein kleineres Zimmer im unteren Stockwerk. Tevin musste sich ab diesem Tag allein um die Pferde kümmern und war die meiste Zeit im Stall.

      Traurig erinnerte sich Fiona an das Jahr 1675, in dem sie ihre Tochter Moira zur Welt brachte. Doch diese starb bereits einige Tage nach der Geburt und Fiona brach es fast das Herz.

      Zwei Jahre später, 1677, wurde Fiona erneut schwanger. Während der gesamten Schwangerschaft hatte sie Angst um das Kind und versuchte, sich so gut es ging zu schonen. Doch ihre Sorge blieb unbegründet. Sie gebar gleich zwei gesunde Kinder: Shona und Arthur.

      Genau bei diesen Gedanken spürte sie einen Stich in der unteren Bauchgegend. Ihr Atem setzte vor Schmerz einen Augenblick aus. Ich muss mich setzen! Automatisch tastete ihre Hand nach einem Stuhl. Sie fand zum Glück einen und Fiona setzte sich umständlich.

      Noch ein Stich. Diesmal stärker. Fiona wusste, was das bedeutete: das Kind kam!

      Sieben

      - 1690 -

      „Darf ich wieder in die Küche gehen?“

      Kirstie hatte alles sauber gemacht und musste dringend wieder an die Arbeit.

      „Ja, hier ist alles in Ordnung. Vielen Dank für deine Hilfe.“

      Tevin war sehr dankbar für den Beistand der Köchin und betrachtete glücklich seinen kleinen Sohn, der in seinem Arm lag, und seine schlafende Frau auf der Pritsche. Kirstie hatte bei den meisten Geburten der Bediensteten auf der Burg in den letzten 24 Jahren geholfen und viel Erfahrung auf diesem Gebiet gesammelt. Sie wusste, dass es dieses Mal sehr knapp gewesen war, für das Kind und für Fiona. Doch das sagte sie niemandem. Erleichtert und erschöpft ging Kirstie wieder an die Arbeit, obwohl sie nach den vielen anstrengenden Stunden dringend Schlaf gebraucht hätte.

      Fiona erholte sich nur langsam und musste noch zwei Wochen im Bett bleiben. Zum Glück war Shona da und konnte sich um den Haushalt kümmern. Sie wickelte auch ihren Bruder und badete ihn, da ihre Mutter nicht aufstehen konnte.

      Mit dem Stillen gab es einige Probleme und die Familie hatte Sorge, dass der Junge genug Nahrung bekam. Nach ein paar Tagen, in denen die Muttermilch nicht ausreichen wollte, musste der Kleine mit Rindermilch zugefüttert werden. Doch er war ein zäher kleiner Junge und entwickelte sich bald zu einem munteren, fröhlichen Säugling.

      Nach der Taufe des kleinen Angus ging Sean zu seiner Großmutter, um ihr davon zu berichten. Er besuchte sie nach wie vor häufig, wobei ihr Zustand sich schnell ändern konnte. Es gab Zeiten, da war Kendra nicht fähig, sich mit ihrem Enkel zu unterhalten. Dann hörte sie nur zu, was er erzählte. Sean war das einzige Familienmitglied, welches sie häufig besuchte und ihre Hauptquelle, um Neues zu erfahren.

      Kendra hatte gerade eine lange Phase hinter sich, in der es ihr nicht gut gegangen war und Sean erinnerte sich, dass es Mai gewesen war, als sie das letzte Mal etwas erzählt hatte.

      Sie berichtete damals, dass nach der Belagerung acht Jahre vergangen waren, in denen die Burg von englischen Soldaten besetzt war. Doch im Jahre 1660 übernahm der schottische König Charles II. wieder den schottischen Thron und die Soldaten mussten abziehen. Seans Urgroßvater Hamish, der in seinem betagten Alter von 75 Jahren immer noch erstaunlich rüstig war, ging mit Aidan und ein paar Männern auf die zerstörte Burg zurück. Aidan war als Alleinerbe übriggeblieben. Der trostlose Zustand der Burg stellte eine große Herausforderung dar. Außer dem Tower House, Teilen des Palais` und einem Stück von der Kapelle waren fast alle Gebäude zerstört. Doch Hamish hatte immer noch seinen eisernen Willen und wies sofort Bauleute an, die Burg wieder aufzubauen. Er benutze dafür das Vermögen der Familie, was zum Glück gut versteckt und nicht von den Soldaten entdeckt worden war. Sie begannen mit dem Palais und nach einem Jahr war es soweit wieder hergerichtet, dass Aidan mit seiner Familie und ein paar der Bediensteten auf die Burg zurückziehen konnten. Die Witwen seiner Brüder blieben mit ihren Kindern in Stonehaven, wo sie schon Bekanntschaften gemacht hatten und ihrer Meinung nach ein besseres Leben haben würden.

      Kendra hatte weitererzählt, dass Hamish noch ganze sechs Jahre nach der Wiedergewinnung von Dunnottar Castle lebte und erst mit 81 Jahren starb. Er war ein zäher, zielstrebiger Mann gewesen.

      So wurde im Jahre 1666 Aidan der neue Laird von Dunnottar Castle und widmete sich genauso engagiert und hartnäckig dem Wiederaufbau der Burg wie sein Vater. Hamish und Aidan war es zu verdanken, dass die Burg in relativ kurzer Zeit nahezu ihren alten Zustand wiedererlangte.

      Als Sean an diesem Tag nun, am Tag der Taufe, zu seiner Großmutter kam, überraschte sie ihn erneut mit erstaunlich guter Verfassung. Nachdem sie gespannt seinem Bericht über die Feier gelauscht hatte, wollte Kendra auch etwas erzählen. Seans Augen leuchteten vor Freude, er nahm ihre Hand und nickte der alten Dame aufmunternd zu.

      Kendra räusperte sich.

      „Habe ich dir schon einmal von deinen Vorfahren berichtet, mein Junge?“

      Einiges kannte Sean, aber er wurde nicht müde, von seiner Großmutter etwas erzählt zu bekommen. Also flunkerte er: „Ich kann mich nicht erinnern, Großmutter.“

      „Gut, dann hör gut zu. Ganz am Anfang des McCunham-Clans stand Cinàed Afton. Leider weiß ich nicht viel über ihn. Nur, dass er auf mysteriöse Weise auftauchte und dieses Castle hier erwarb. Wie er es schaffte, sogar einen eigenen Clan zu gründen, ist mir ein Rätsel. Man sagt, er war ein Mann mit vielen Geheimnissen.“

      Sean nickte und fragte: „Wisst Ihr, wann er gelebt hat?“

      „Ich glaube, irgendwann im 13. Jahrhundert. Dann habe ich erst wieder Aufzeichnungen über deinen Ururgroßvater Cailan Afton gefunden. Von ihm sind ja die meisten Bücher der Bibliothek gesammelt worden, wie du weißt.“

      Bei diesen Worten bekam Sean einen Schreck und ihm wurde ganz flau im Magen. Er hatte sich noch nie die Frage gestellt, was mit der Bibliothek passiert war, als die Engländer kamen.

      „Großmutter? Was ist mit den Büchern geschehen, als die Burg belagert wurde?“

      „Das ist eine gute Frage und ein Rätsel ist die Antwort. Kurz nachdem dein Großvater der neue Laird geworden war, kamen eines Tages drei seiner Männer zu ihm. Sie erzählten aufgeregt von einem besonderen Fund, den sie gemacht hatten, als sie die Höhle am Meer genauer erkundeten. Sie prahlten damit, dass noch niemand so weit in die Höhle eingedrungen wäre wie sie.

      Aidan war neugierig mit ihnen gegangen und staunte sehr, als sie ihm in der Höhle ganz weit oben versteckt eine kleine, weitere Höhle zeigten. Er kroch hinein und sah, dass sie immer größer wurde und bis zu einem riesigen Hohlraum anschwoll. Und in diesem Hohlraum befanden sich viele Kisten, in denen die Bücher der Bibliothek versteckt waren.“

      „Jemand hat die Bücher versteckt?“ Sean staunte mit großen Augen.

      „Ja. Ist das nicht großartig? Dein Großvater und seine Männer holten sie behutsam hervor und richteten bald die Bibliothek wieder ein. Die meisten Bücher waren sogar in einem akzeptablen Zustand.“

      Kendra erinnerte sich, dass auch sie eine Handvoll Bücher dieser neu errichteten Bibliothek beigesteuert hatte, welche sie aus dem Barclay-Haus in Stonehaven mitnehmen durfte.

      „Aber wer hat die ganzen Kisten versteckt und warum wurde das damals nicht bemerkt?“, wollte Sean wissen.

      „Ich kann es mir auch nicht erklären, niemand kann das. Diejenigen müssen bei der Belagerung gestorben sein und ihre bemerkenswerte Tat verheimlicht haben. Es ist ein Wunder.“

      Ehrfürchtig dachte Sean an