Marionette des Teufels. Dagmar Isabell Schmidbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dagmar Isabell Schmidbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737561884
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Wallenstein bereits vorher in Passau gewesen war, also konnte Brauser nur annehmen, dass er direkt von Frankfurt über die A3 nach Passau gefahren war. Irgendwo hatte er wahrscheinlich einen oder vielleicht auch mehrere Mitfahrer mitgenommen. Freiwillig, denn sonst hätte er ja seine Waffe gezogen, und das war neu an seiner Überlegung. Es sei denn, diese hatte im Auto gelegen, die Täter waren selbst bewaffnet gewesen und er hatte gar keine Zeit seine Waffe zu nutzen.

      Der Kommissar verließ an der Abzweigung Passau-Nord die Autobahn und fuhr Richtung Franz-Josef-Strauß-Brücke. „Nein!“, rief er energisch, das passte nicht. Wären sie bewaffnet gewesen, dann hätten sie ihn doch nicht mit dem Seil am Beifahrersitz festbinden müssen. Oder doch? Vielleicht hatten sie ihm ja auch schon unterwegs die Luft in die Venen gespritzt und hatten ihn dann, als er längst an der Embolie gestorben war, auf den Beifahrersitz gebunden, damit er seine Haltung nicht verlor. Das schien plausibler. „Ja!“, rief Brauser, als er über die kleine Haitzingerbrücke und dann nach links in Richtung Polizeigebäude einbog. Er sah es fast vor sich, das Gesindel, das sich auf einem Rastplatz herumtrieb und den arglosen Klaus Wallenstein ansprach und überwältigte.

      Und die Waffe? Brauser ermahnte sich innerlich. Tja, die Waffe. Wo legt man als Normalbürger seine Waffe hin, wenn man unterwegs ist? Einzig Polizisten dürfen sie einsatzbereit am Körper führen. Für alle anderen war es sicher besser, sie irgendwo verborgen zu halten. Im Handschuhfach, im Kofferraum, in einem kleinen Koffer auf dem Rücksitz; es gab unzählige Möglichkeiten, man wollte gar nicht glauben, wo die Leute Waffen versteckten, und wo sie die Polizei bei Razzien wieder zum Vorschein brachte.

      Ein wenig mürrisch schloss er das Auto ab und betrat das Dienstgebäude. Ramona war zum Glück schon nach Hause gegangen. Nicht, dass er etwas gegen sie hatte. Nein, das nicht. Aber mit ihrer angeblich geheimen Planung für seinen Abschied ging sie ihm schon mächtig auf die Nerven. Natürlich musste er so tun, als bemerke er nichts, aber welchem Kriminalbeamten, der etwas auf sich hielt, sollte so etwas schon entgehen?

      Die Tür zum Büro Hollermann/Steinbacher stand offen, man erwartete ihn also, na, immerhin. Brauser betrat das Dienstzimmer und öffnete als Erstes ein Fenster, denn die Luft war mächtig verbraucht, was aber keinen der jungen Kollegen zu stören schien. „Also, was ist mit der Waffe?“

      „Wie bereits vermutet handelt es sich um einen Revolver der Marke Smith & Wesson.“ Hannes sah auf den Bericht der Kollegen, obwohl er die Daten inzwischen auswendig kannte. „Ein Rentner hat ihn gestern Abend in Kelberg am Rande des Neuburger Waldes gefunden und gab ihn heute Vormittag an der Pforte ab. Zunächst konnten die Kollegen nichts damit anfangen, bis sie die Waffennummer beim LKA abgefragt haben: Der Revolver ist auf einen gewissen Klaus Wallenstein aus Frankfurt registriert. Er nutzt ihn als Sportschütze, alles ganz legal.“

      „Und die Fingerabdrücke sind auch von Wallenstein?“

      Hannes blickte jetzt auf. „Das wird sich zeigen. Er ist noch in der KTU. Die Kollegen haben viel Spaß damit.“

      Er lächelte süffisant und auch Franziska, die die ganze Zeit still zugehört hatte, sah belustigt aus.

      „Was ist daran so lustig?“ Brauser legte seine Jacke auf einen freien Stuhl und trat näher an den Schreibtisch heran. „Der Rentner hat sie beim Pinkeln gefunden, oder besser gesagt: beim Draufpinkeln, und anschließend hat er sie in eine Plastiktüte gepackt, in eine benutzte. Vertrauen Sie Ihrem Fleischerfachgeschäft stand drauf, und vorher war sicher eine geräucherte Sau drin, so wie die gerochen hat.“

      Brauser sah auf die Uhr. Es war spät und er hatte Maria versprochen pünktlich zum Abendessen zu kommen. Das konnte man in seinem Beruf nicht oft einhalten und seine Frau wusste das auch, aber in diesem Fall lief ihm ja nichts mehr weg.

      „Gut, geben Sie mir die Adresse. Ich werde morgen mit dem Mann reden. Gibt’s sonst noch was?“

      „Der Obduktionsbefund hat die Vermutung des Notarztes bestätigt. Frau Weberknecht wurde erschlagen. Der Professor meinte, der Täter sei nicht grausam zu ihr gewesen“, Franziska sah abwartend zu Brauser, um zu sehen, was der von dieser Formulierung hielt.

      „Nicht grausam?“ Brauser nickte vor sich hin.

      „Na ja, das sagt man halt so, wenn es schnell geht und das Opfer nicht mehr vielmitbekommt, oder?“ Franziska sah ihn lauernd an, aber Brauser äußerte sich nicht.

      „Ach, da fällt mir noch was ein: Die Oberfläche des Gegenstandes war nicht glatt. Sie haben in der Kopfhaut ein Muster an Vertrocknungsspuren gefunden. Vielleicht liefert das ja einen Hinweis auf die Tatwaffe.“

      Brauser schien tief in Gedanken versunken.

      „Wie war es denn bei den Eltern?“, fragte Franziska schließlich.

      „Was? Ach so, ja. Das Übliche würde ich sagen. Wobei, na ja, nicht ganz. Die Herrschaften waren schon recht alt.“ Franziska konnte sich angesichts Brausers bevorstehender Pensionierung ein Lächeln nicht verkneifen.

      „Ich weiß, was du jetzt denkst, Mädchen, aber ich meine richtig alt und gezeichnet.“ Franziska nickte. „Diese Familie ist zerstört, und wenn du mich fragst, dann war sie das schon, bevor ihre Tochter starb. Aber vielleicht liegt das ja nur an dieser verdammten hochnäsigen Erziehung, die einfach keine ehrlichen Gefühle zulässt.“

      Franziska begann, sich ein paar Stichpunkte in ihr grünes Notizbuch zu machen, und als Brauser das bemerkte, wurde er ganz Chef. „Anne Horwitz kannst du auch gleich noch aufschreiben. Sie wohnt direkt nebenan und ging mit Sophia Weberknecht zur Schule.“ Brauser überlegte, was denn eigentlich das Wichtigste aus diesem Gespräch war. „Vielleicht sprichst du selbst noch mal mit ihr, ich hab dir die Telefonnummer aufgeschrieben.“ Er schob einen Zettel über den Tisch.

      „Dem Anschein nach haben wir im Theater eine heiße Spur gefunden“, berichtete Hannes, der sich wieder einmal so richtig überflüssig vorkam. Bei dieser Behauptung blickte Franziska auf und zog kritisch die Augenbrauen zusammen. „Ist schon ein interessantes Völkchen und so friedlich, wie es den Anschein haben sollte, ging es da nicht zu, oder?“ Hannes sah Franziska an, um ihre Zustimmung einzuholen. „Stimmt!“, bestätigte diese. „Wir wollen morgen noch mal mit allen reden.“

      „Gut, macht das.“ Der Kommissar nahm seine Jacke vom Stuhl und schlüpfte hinein. Doch plötzlich hielt er inne und drehte sich noch einmal den Kollegen zu.

      „Könnt ihr solche Familien verstehen?“ Er machte eine lange Pause und die beiden wussten nicht gleich, worauf er hinaus wollte. „Warum hat uns eigentlich niemand gesagt, dass der Wallenstein Schütze war? Wie glauben die denn, sollen wir unsere Arbeit machen?“

      „Sie hielten es für nicht so wichtig, nehme ich mal an.“ Franziska musterte den Chef ungeniert. Er sah alt und müde aus.

      „Ja“, sagte er ohne jede Regung. „Vermutlich.“

      „Ach, da fällt mir noch etwas ein. Obermüller hat heute mit Paula Nowak ein Bild von dem Mann erstellt, den sie vor dem Haus gesehen hat.“ Franziska suchte in der Mappe, die vor ihr lag, nach dem Bild.

      „Und?“

      „Er war ganz entzückt von ihr, weil sie sich noch so gut an alles erinnern konnte. Sie muss ihm mächtig viel von der guten alten Zeit erzählt haben, von Bräuteschulen, in denen die jungen Frauen auf die Ehe vorbereitet wurden und so. Hat ihm gut gefallen.“

      „Ich meine die Zeichnung? Kann man jemanden erkennen?“, fragte Brauser.

      „Sieht glaubhaft aus und könnte uns weiterhelfen.“ Franziska hatte das Blatt gefunden und hielt es in die Höhe. Brauser nahm es ihr aus der Hand, sah es sich lange an und legte es dann auf den Schreibtisch zurück. „Ist er irgendwo aktenkundig?“

      „Bisher haben wir nichts gefunden, aber vielleicht ist er ja auch nur ein Zeuge, der uns auf eine Spur bringen kann“, teilte Franziska ihm ihre Überlegungen mit.

      Ihr Chef nickte und ging zur Tür. Dort klopfte er sich unschlüssig auf seine helle Stoffjacke, so als suche er etwas und als wolle er fühlen, ob es sich in den Brusttaschen verborgen hielt. „Vielleicht wollte Wallenstein