Marionette des Teufels. Dagmar Isabell Schmidbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dagmar Isabell Schmidbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737561884
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      Der alte Mann war stehen geblieben und Brauser bückte sich, um das Fell des Hundes zu streicheln.

      „Zwei- bis dreimal am Tag. Am liebsten ist mir die Abendrunde vor dem Schlafengehen, da fühl ich mich nicht so allein.“ Brauser nickte, obwohl er nichts verstand. „Meine Frau ist immer am Nachmittag gegangen, aber jetzt sind wir zwei allein und müssen zusammenhalten, nicht wahr, Wastl?“ Er zog an der Leine und ging energisch weiter.

      „Und da gehen Sie immer diese Strecke?“ Inzwischen waren die beiden Männer und der Hund auf einem Wiesenpfad, der Wald war in greifbarer Nähe.

      „Abends immer. Sie führt an der Trinkhalle vorbei, da genehmige ich mir dann ein Bierchen und Wastl bekommt einen Keks. Das ist zwar nicht gesund, aber in unserem Alter spielt das doch keine Rolle mehr.“

      „Und wie war das nun vorgestern?“

      „Ja, da hab ich den Rudi getroffen. Der macht das auch so, nur ohne Hund. Und dann wurde es eben ein Bierchen mehr. Aber manchmal ist der Kummer einfach zu groß.“

      Brauser nickte. Auf diesem Gebiet kannte er sich sehr gut aus.

      „Anschließend bin ich dann auch ganz schnell nach Hause, obwohl …“

      „Und dabei haben Sie die Waffe gefunden?“, unterbrach der Brauser seine Ausführungen.

      „Nein. Das Bier hat auf einmal so gedrückt und da bin ich dann eben ein Stückchen in den Wald rein und …“

      „Da haben Sie die Waffe gefunden.“

      „Nicht gleich, nein. Ich hab mich an einen Baum gestellt. Das dauert ja bei mir immer schon ein bisschen, bei Ihnen auch?“

      Brauser ignorierte die Frage.

      „Und als ich gerade so schön dabei war, da dachte ich mir , Hört sich aber komisch an, wie du heute bieselst.“

      „Und?“

      „Na ja, bei dem Nebel sieht man ja nicht so gut, also habe ich mich gebückt und da lag dann die Waffe. Ich hab natürlich sofort aufgehört, ist mir ja auch direkt vergangen, obwohl es wirklich sehr gut ging.“ Er sah seinen Begleiter an, aber der nickte nur. „Meine Tochter, die Ilona, hat mir eine Taschenlampe geschenkt, sie sagt immer: Papa, wenn du mit dem Wastl immer so spät spazieren gehst, wirst du dich noch mal verlaufen, und dann zwinkert sie, weil ich glaube, sie weiß, dass ich nicht nur spazieren gehe.“ Der Witwer verstummte.

      „Und?“, fragte Brauser, der seine Ungeduld nicht mehr länger verbergen konnte.

      „Jedenfalls hab ich die Taschenlampe herausgeholt und mir die Pistole erst einmal genau angesehen und dann dachte ich mir …“

      „Den Revolver.“

      „Revolver?“

      „Es war ein Revolver.“

      „Ach so, ja. Ich kenn mich da nicht so aus. Jedenfalls dachte ich mir, Franz Albert, im Fernsehen nehmen sie so etwas nie in die Hand. Da hab ich dann mein Taschentuch herausgeholt und damit das Ding aufgehoben. War doch richtig so?“ Sie hatten den Waldrand erreicht und Mager war stehen geblieben, um die einzelnen Bäume zu vergleichen.

      „Ja. Das war richtig so. Wissen Sie denn noch, wo genau die Waffe lag?“

      „Sicher bin ich mir natürlich nicht. Aber ich glaube, es war dort hinten!“ Der Rentner nahm den Finger zuhilfe, um dem Kommissar die Richtung zu zeigen. Er deutete auf eine Baumgruppe, nur wenige Schritte vom Weg entfernt, eine zugegeben geeignete Stelle, wenn man einen Platz brauchte, um sich zu erleichtern. Gerade wollte der Rentner darauf losstapfen, als Brauser ihn am Ärmel packte und zurückhielt.

      Halt, halt! Da schicken wir jetzt erst einmal die Spurensicherung hin. Vielleicht finden die ja noch etwas Brauchbares.“ Er fischte das Handy aus seiner Tasche und beschrieb den Kollegen den Weg zum Fundort.

      Dann fiel ihm doch noch etwas ein. „Sagen Sie, war der Rudi eigentlich bei Ihnen, als Sie die Waffe gefunden haben?“ „Der Rudi? Nein, der wohnt doch drüben in Kohlbruck.“

      „Ah ja! Haben Sie eigentlich eine Vorstellung, wer die dort hingeworfen haben könnte?“

      „Keine Ahnung, ich kenne auch niemanden, dem eine Waffe gehört.“

      „Und Sie sind wirklich jeden Tag um diese Zeit hier unterwegs?“

      „Ja, immer um die gleiche Zeit.“

      „Können Sie sich noch an den 17. August erinnern? Das war auch ein Freitag.“

      „Das ist lange her.“

      „Stimmt.“

      „Da müsste ich nachdenken.“

      „Tun Sie das. Ach, eines noch, die Spurensicherung wird zum Vergleich die Schuhe brauchen, die Sie vorgestern getragen haben.“

      „Ja, aber …“ Mager sah zu seinen Füßen.

      „Sie sind jetzt ein wichtiger Zeuge“, betonte Brauser und bemerkte, wie der alte Mann sich aufrichtete, „und sie bekommen sie selbstverständlich wieder zurück.“

      ***

      Hannes parkte den Dienstwagen im Halteverbot vor dem Verwaltungstrakt des Stadttheaters, klingelte und stieg die Treppenkonstruktion aus Edelstahl hinauf in den zweiten Stock. Als er gerade den schmalen und mit unzähligen Kisten und Regalen vollgestellten Flur zum Büro einschlagen wollte, kam ihm Katharina Eschenbacher entgegen.

      „Hallo, Herr Kommissar.“ Sie reichte ihm ihre kühle, feingliedrige Hand und ihre angenehme Stimme schmeichelte und neckte ihn zugleich. „Guten Morgen, Frau Eschenbacher. So früh schon zur Probe?“ Hannes zog seine Hand wieder zurück und versuchte unbeeindruckt zu bleiben, aber die Frau hatte etwas, das es einem Mann verdammt schwer machte.

      „Nein, Probe ist erst um zehn, aber ich hatte etwas mit Herrn Schaffroth zu besprechen, wegen unseres Rigolettos.“ Während ihre schönen, vollen Lippen die Worte formten, unterstrichen ihre Hände deren Bedeutung und zogen Hannes in ihren Bann.

      „Ah ja. Ich auch.“ Hannes überlegte, ob er sie nicht gleich an Ort und Stelle ausfragen sollte, anstatt sie später ins Büro zu bestellen, fand dann aber, dass es hier ein bisschen arg finster für ein solches Gespräch war.

      „Sie wollen zu Schaffroth?“

      „Ja.“ Hannes nickte.

      „Er hat eine Adressenliste für Sie vorbereitet.“

      „Ja, prima.“

      „Haben Sie schon mit Walter gesprochen?“

      „Nein, wir haben ihn noch nicht getroffen.“

      „Er wird im Museum für Moderne Kunst sein und dort seine Ausstellung vorbereiten. Waren Sie dort auch schon?“

      „Nein, noch nicht.“ Hannes stieg ihr Parfüm in die Nase. Sie roch genauso verlockend, wie ihre Stimme klang.

      „Haben Sie schon mal eines seiner Bilder gesehen?“ Ihr fragender Blick beobachtete ihn genau.

      „Ich glaube nicht“, Hannes fühlte sich ein wenig unwohl, während sie ihn unverdrossen ansah.

      „Er unterschreibt nur mit seinem Vornamen. Das große „W“ Von Walter sieht aus wie eine volle Frauenbrust, können Sie sich das vorstellen?“ Die Eschenbacher trug an diesem Tag ein T-Shirt, das mehr enthüllte als verbarg und während sie mit den Händen in der Luft ein großes „W“ malte, verfolgte Hannes das Heben und Senken ihrer Brüste und hatte eine sehr angenehme Vorstellung von dem, was sie meinte. Andererseits, wenn dieser Walter auf so etwas stand, dann hatte er sich doch sicher auch an die Eschenbacher herangemacht, vielleicht sogar was mit ihr gehabt? Die Mezzosopranistin schien seine Gedanken zu lesen und lächelte. „Sie wollen jetzt bestimmt wissen, ob ich was mit Walter hatte.“

      „Und? Hatten Sie?“

      „Sie dürfen raten.“

      Wieder