Marionette des Teufels. Dagmar Isabell Schmidbauer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dagmar Isabell Schmidbauer
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783737561884
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doch sicher eines?“

      „Äh, ja. Ja, ja.“ Schaffroth schob seine Kaffeetasse ein Stück zur Seite und legte die eben angezündete Zigarette auf dem Aschenbecher ab, um in seinem Adressbuch zu blättern. „Ich habe hier zumindest ihre Handynummer.“

      „Ach, würden Sie mir die bitte geben?“ Franziska öffnete ihr grünes Notizbuch und ließ sich die Nummer diktieren.

      „Wie war sie denn so?“, wandte sich nun Hannes an Schaffroth, der Franziska ansah.

      „Tja, was soll ich dazu sagen. Sophia Weberknecht war eine sehr gute Sopranistin und eine zuverlässige Kollegin. Sie war stets exzellent vorbereitet, pünktlich am Bus, wenn wir auswärts auftraten, und beklagte sich im Vergleich zu manch anderem nie über die Fahrt. Sie kam in der Presse sehr gut an und war sehr beliebt beim Publikum und beim Ensemble. Deshalb ist es sicher ein großer Verlust für unser Theater und womöglich sogar für die gesamte Opernwelt.“ Er machte eine Pause und zog hastig drei, vier Mal an seiner Zigarette, bevor er fortfuhr. „Ich weiß nicht, wie gut Sie mit dem Betrieb eines Theaters vertraut sind?“, fragend sah er die beiden Kommissare an, bis diese unsicher mit den Achseln zuckten. Theater, das war etwas für Liebhaber, für ältere Herrschaften oder einschlägige Studenten. Für Polizisten gab es andere Dinge.

      „Nun wir sind eines der kleinsten Zweispartentheater im deutschsprachigen Raum. Dass wir dem Publikum trotzdem eine große Vielfalt an Werken anbieten können, ist nur möglich, weil wir uns das Ensemble mit Landshut und Straubing teilen, wobei in Passau das Musiktheater und in Landshut das Schauspiel zu Hause ist.“ Schaffroth unterstrich seine Ausführungen gestenreich und fuhr hastig fort. „Ein weiterer Punkt ist, dass wir einfach günstiger arbeiten. In der Münchner Staatsoper ist jede Neuinszenierung mit immensem Aufwand in finanzieller, organisatorischer und zeitlicher Hinsicht verbunden. Dort scheut man sich natürlich, selten gespielte Werke anzubieten. Wir in der Provinz können und müssen das, denn unser Publikum möchte ja auch Abwechslung haben.“

      Franziska nickte, was Schaffroth als Aufforderung auffasste, fortzufahren.

      „Natürlich wird man in Passau nie den Pomp und Prunk eines Münchner Bühnenbildes oder dessen technische Finessen erreichen können, aber die Frage ist doch, ob wir das überhaupt anstreben wollen und sollen. Die Chancen für uns sind andere. Das Fürstbischöfliche Opernhaus bietet einen so einmaligen und intimen Rahmen, in dem das Publikum gewissermaßen hautnah das Geschehen auf der Bühne miterleben kann. Bei uns brauchen Sie kein Opernglas, um die Mimik der Sänger zu erkennen. Der Zuschauerraum, der die Besucher als festliches Gartentheater empfängt, kann direkt in die Aufführung einbezogen werden.“

      „Sie wollen damit sagen, dass es für die Sänger eine besondere Auszeichnung ist, in Passau aufzutreten?“ Franziska war sich nicht sicher, aber nach den schwärmerischen Ausführungen des Verwaltungsdirektors lag dieser Schluss einfach nahe. Schaffroth lächelte nachsichtig und zündete sich eine neue Zigarette an.

      „Na ja, ganz so ist es nicht. Eine ganz wichtige Aufgabe des Musiktheaters in der Provinz ist es, jungen Sängern, die eben ihr Studium vollendet haben, die Möglichkeit zu bieten, sich in großen Partien auf der Bühne zu erproben und zu bewähren.“ Der Direktor drückte seine Zigarette aus, stand auf und zeigte auf einige Fotos hinter sich an der Wand. „So manch großer Star trat in jungen Jahren an unserem Theater auf. Ingeborg Hallstein, Rosel Zech oder Klaus Wennemann zum Beispiel.“

      Er setzte sich wieder auf seinen Stuhl und überlegte. Es schien, als habe er den Faden verloren. „Und Frau Weberknecht kam direkt nach dem Studium nach Passau?“

      Er holte einen dicken Ordner aus seinem Schreibtisch und blätterte darin. „Nein, sie hat in Nürnberg studiert. Dort hat sie während des Studiums auch schon kleinere Partien am Staatstheater gesungen. Hm, dann hatte sie einen Gastvertrag am Theater in Heidelberg, das ist ein kleineres Theater, und war dann drei Jahre am Theater in Lübeck, bevor sie zu uns kam.“

      „Mit wem war denn Frau Weberknecht des Öfteren zusammen? Ich meine, wer war mehr als nur ein Kollege für sie?“, fragte Franziska in die eingetretene Stille hinein, unbeeindruckt der großen Künstlernamen, und brachte den Direktor damit ein bisschen ins Schleudern.

      „Also, das dürfen Sie mich jetzt nicht fragen! Ich weiß, dass sie mit unserer Kostümbildnerin Swetlana Hermannova ab und zu einen Kaffee getrunken hat, aber sonst … Da fragen Sie mal besser die Mitglieder des Ensembles.“

      „Sind die gerade da?“

      Schaffroth warf einen Blick auf seine Uhr „Einige. Wir haben heute Ensembleproben. Um fünf geht es los, und wenn Sie möchten, bringe ich Sie hin.“

      Wenn man bei der Kriminalpolizei arbeitet, bleibt es nicht aus, dass man in vielen Häusern ein und aus geht: große Fabriken, kleine Gartenhäuschen, verkommene Wohnungen und elegante Einfamilienhäuser. Das Verbrechen machte vor nichts halt. Ein Theater war Hannes und Franziska allerdings noch nicht untergekommen, und so waren beide sehr gespannt, als Lutz Schaffroth sich erhob, den großen Schlüsselbund von seinem Schreibtisch nahm und sie über die moderne Edelstahltreppe aus dem Verwaltungstrakt durch den großen Redoutensaal, vorbei am Zuschauerraum bis hinüber zur Nebenbühne des Theaters führte.

      Umgeben vom tiefen Schwarz der Bühnenrückseite und den Vorhängen rechts und links stand mitten im Raum eine einzelne Tür, auf die ein Herz mit den Buchstaben „G“ und „M“ gemalt war. Auf beiden Seiten der Tür waren Stoffbahnen angebracht, die mit dem hellen Bodenbelag so etwas wie ein Zimmer darstellen sollten. Bei keinem der vorwiegend jungen Leute, die innerhalb oder außerhalb dieser Kulisse herumstanden und neugierig zu ihnen herübersahen, konnte man erkennen, ob es sich um Sänger oder einfach nur um Bühnentechniker handelte. Sie alle waren unspektakulär gekleidet, manche trugen Jeans und T-Shirts oder Pullis, einige sahen aus, als ob sie gar zu einer Straßengang gehörten, und wieder andere hatten einfach eine Jogginghose an.

      „Wäre Frau Weberknecht heute auch dabei gewesen?“, fragte Franziska leise, den Blick dem Geschehen auf der Bühne zugewandt.

      „Im Prinzip schon.“ Verwundert blickte die junge Oberkommissarin den Verwaltungsdirektor an. Warum war er denn auf einmal so wortkarg?

      „Das heißt, Sie müssen sich jetzt eine neue Besetzung für ihre Rolle suchen?“

      „Richtig. Aber das ist beim Musiktheater kein allzu großes Problem.“

      „Und warum ist das kein großes Problem?“

      „Weil wir bereits einen Ersatz haben.“

      Franziska nickte und sah erneut zur Bühne. „Woher wussten Sie, dass Sie Ersatz brauchen?“

      „Äh, ja also“, nervös fuhr er sich übers kurze Haar. „Sophia hatte Probleme mit der Rolle und da habe ich zugesehen, dass ich eine Zweitbesetzung für sie bekomme.“

      „War sie ihr zu schwer?“

      „Nein, nein! Zumindest glaube ich das nicht. Aber sie stand in letzter Zeit unter großem Druck. Das ging schon eine ganze Weile so. Vielleicht hat sie sich zu viel zugemutet. Auf jeden Fall war ich mir nicht sicher, ob sie alle Termine absolvieren kann, und da hab ich mich, in weiser Voraussicht sozusagen, nach einer anderen Besetzung umgesehen.“

      „Aha. Kam das häufiger vor?“

      „Es ist nicht unüblich. Große Rollen haben manchmal zwei Besetzungen. Ich meine, so was kann ja immer mal passieren. Also, ich meine natürlich nicht, dass jemand stirbt, aber ein Ausfall schon. Ja, das schon.“

      Franziska nickte.

      „Und wo ist jetzt diese Kostümbildnerin?“ „Swetlana Hermannova ist in diesem Stadium mit ihrer Arbeit eigentlich schon fertig. Sie hat die Entwürfe an die Schneiderei gegeben und dort werden die Sachen gefertigt. Sie kommt erst zur Anprobe wieder.“

      „Und wo finden wir sie bis dahin?“ Franziska fand es ermüdend, wie sich Schaffroth jetzt alle Informationen aus der Nase ziehen ließ.

      „Ich denke, sie ist zu Hause, in Krumau.“

      Franziska sah ihn ungläubig an.