Renaissance 2.0. Christian Jesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Jesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754127643
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genau meinst du damit?", wollte die Anführerin wissen.

      "Die verteilen schon seit geraumer Zeit irgendwelche Blätter, auf denen sie dann herumkauen. Angeblich, um den Hunger zu unterdrücken. Was auch sein mag. Aber seit dem die sich das Zeug in den Mund stopfen, erscheinen die mir etwas zu entspannt, wenn du verstehst, was ich meine." Ysana schaute den jungen Mann auffordernd an, schob ihn dann aber doch zur Seite und begab sich an das Ende der Gruppe. Dort traf sie auf Neyton, der fleißig aus einem Rucksack Blätter an die Mutanten seiner Gruppe verteilte.

      "Darf ich fragen, was das ist?", sprengte sie die Aktion, indem sie sich vor ihn stellte.

      "Wir haben diese Blätter in unserem Wald gefunden. Sie helfen dabei, das Hungergefühl zu reduzieren, weswegen wir Lebensmittel sparen", antworte Neyton, der über den schroffen Ton von Ysana überrascht war. Die streckte ohne ein weiteres Wort ihre Hand fordernd aus und wartet, bis sie eines dieser Blätter erhielt. Dann legte sie die andere Hand darüber und schloss die Augen, die sie nach wenigen Sekunden entsetzt wieder aufriss.

      "Ihr seit verdammte Junks!", brüllte sie ohne Vorwarnung. "Das Zeug ist voller Rauschgifte. Ihr seid doch wohl das Letzte. Verschwindet von hier. Ihr hab keinen Anspruch auf die Liga. Ihr seid noch weniger wert, als die Primitiven. Weniger, als die Primaten. Ligisten, schnappt euch deren Lebensmittel. Wir gehen weiter. Und du wirst mir mit deinem Abschaum nicht folgen, Neyton. Ist dir das klar? Sonst wirst du erleben, welche Macht in mir steckt." Wutentbrannt drehte sich Ysana um, griff mit ihrer Telekinese nach allen Rücksäcken und riss diese an sich.

      "Hey!", brüllte Neyton und noch einige seiner Leute. "Bist du verrückt geworden? Was soll der Scheiß? Gib uns gefälligst die Sachen zurück."

      "Ich hatte wirklich vorgehabt, euch in die Liga aufzunehmen, solltet ihr das gleiche Interesse vertreten wie wir. Und selbst, wenn das nicht der Fall gewesen wäre, hätte ich darüber nachgedacht. Schließlich sind wir Metamenschen, die übergeordnete Rasse, und wir müssen zusammenhalten. Aber Drogensüchtige haben bei uns nichts verloren."

      "Was für einen Scheiß faselst du da überhaupt? Von welcher Liga sprichst du?"

      "Auch, wenn es nicht so aussieht, aber wir sind die Liga des Untergangs. Wir waren weitaus mehr, als wir es jetzt sind, da ein Großteil von uns beim Untergang von Nuhåven ums Leben gekommen ist. Unter meiner Führung werden die Metamenschen sich die Macht holen, die ihnen zusteht. Die Regierung dieses Landes, jeden Landes, dieser ganzen Welt, besteht nur aus primitiven Menschen, die nur an sich denken. Das muss beendet werden. Wir müssen die Herrschaft übernehmen, weil wir die Spitze der Entwicklung sind und weil wir immer zusammenhalten werden." Neyton hörte sich Ysanas Rede sehr genau an. Jedes einzelne Wort. Als sie geendet hatte, war er hin und hergerissen. Nahm sie vielleicht viel härtere Drogen, als die Blätter, die sie mitführten oder hatte sie gerade etwas ausgesprochen, was die einzige Wahrheit sein musste? Verstört blickte er zu Boden. Irgendwie hatte sie schon recht. Die Mutanten waren die Spitze der Entwicklung und sie wurden trotzdem von den Minderen unterdrückt, gefangen gehalten und gefoltert. Das hatten sie in ihrer kleinen Waldkommune völlig verdrängt. Dort waren sie so weit weg von der real existierenden Welt, dass ihnen nie der Gedanke gekommen war, etwas dagegen zu unternehmen.

      "Du hast absolut recht", sagte Neyton, de eine neue Erkenntnis gewonnen hatte, während er wieder aufsah. Doch Ysana hörte diese Worte schon gar nicht mehr. Sie war bereits mit ihren Metamenschen ein gutes Stück weitergelaufen. "Warten sie, Ysana. Sie haben absolut recht!", wiederholte er schreiend. Die oberste Ligistin gab Handzeichen, stehen zu bleiben. Neyton wertete das als etwas Positives und trieb seine Gruppe voran. Zwar maulten die meisten, Ysana wäre doch völlig verrückt, habe den Verstand verloren oder sei der viel größere Junk von allen. Doch schließlich erreichten sie die elf Mutanten der Liga.

      "Es tut mir leid, das wir Sie enttäuscht haben", fing Neyton in einem sachlichen Tonfall an, der sich jedoch immer weiter steigerte. "Wir haben in unserem Wald derart abgeschieden gelebt, dass wir über solche Dinge überhaupt nicht mehr nachgedacht haben. Sie haben recht. Wir sind die Spitze der Evolution. Wir sind diejenigen, denen die absolute Macht zusteht. Möglicherweise haben wir am Anfang auch noch so gedacht, aber mit der Zeit und den Blättern haben wir einfach den Blick für das Ganze verloren. Ich kann nicht für alle sprechen, sondern nur für mich. Aber ich bin dabei. Keine Drogen mehr. Wir brauchen einen klaren Verstand, um unsere Ziele zu erreichen."

      Ysana sah Neyton in die Augen und entdeckte plötzlich dort das gleiche Feuer, das auch in ihren Augen brannte, wenn sie eine Rede hielt. Ihr Blick ging an dem Mann vorbei und strich über die Gruppe hinter ihm. Nicht alle schienen vollkommen überzeugt. Doch das würde noch kommen. So, wie es aussah, war die Liga von Elf auf Vierunddreißig angestiegen. Ysana lächelte zufrieden. In der alten Industrieanlage warteten laut den Unterlagen weitere einhundertfünfzig Mutanten darauf, abgeholt zu werden. Das wären dann schon mal ungefähr einhundervierundachtzig Metamenschen. Nicht genug, um die Hauptstadt zu übernehmen, aber sie kannte noch einige andere Orte, an denen sich weitere Mutanten versteckten. Ysana war noch lange nicht fertig. Sie hatte erst angefangen.

      Jachwey war sichtlich nervöser geworden, während er dem Ältesten zuhörte. Besonders als dieser mit den Worten schloss, dass sich Ysana auf den Weg zu einer alten Industrieanlage gemacht hatte. Er wusste nur zu gut, auch ohne die Akten des Obersten zu lesen, wer oder besser was sich in diesen alten Anlagen befand. Würde das Mädchen eine solche erreichen und könnte sie gar die dort befindlichen Mutanten überzeugen, wäre dies das Ende der Welt, wie man sie zurzeit noch kannte. Es war schon schwierig genug gewesen für die Sturmredner, diese Anlagen geheim zu halten. Aber noch schwieriger war es für sie gewesen, dafür zu sorgen, dass die Betreiber einer solchen Anlage nicht von den übrigen noch existierenden erfuhren. Durch dieses Mädchen bestand jetzt jedoch die Gefahr, dass die Maulwürfe in den Anlagen enttarnt und ihre Arbeiten zunichtegemacht wurden.

      "Wissen Sie, zu welcher Industrieanlage sich die Kleine aufgemacht hat?", wollte der Gottkaiser daher wissen.

      Was meinen Sie mit welcher Industrieanlage?", fragte der Älteste entsetzt. "Wie viele gibt es denn davon?"

      "Mir sind mindestens drei bekannt. Was nicht bedeutet, dass es nicht noch mehr gibt." Dem Ältesten und seinen Begleitern lief ein Schauer über den Rücken.

      "Was befindet sich in diesen Anlagen?", fragte er aus einer bösen Vorahnung heraus den Gottkaiser. Der seufzte tief, während er versuchte, seine Anspannung zu verdrängen, beziehungsweise zu verbergen. Was er jetzt zu sagen hatte, würde seine Gäste in Angst und Schrecken versetzen. Dessen war er sich sicher.

      "Soweit es in den Akten steht und ich davon gehört habe,, bevorzugen die Sturmbringer derartige Anlagen, um ihre Mutanten vor der Welt zu verstecken und zu trainieren." Der Älteste wurde schlagartig bleich und suchte nach Halt, den er in seinen beiden Begleitern fand, welche die Situation nicht ganz so schnell begriffen. Auch, wenn der Name Sturmbringer ihnen etwas sagte, wussten beide nicht, was sich wirklich dahinter verbarg.

      "Das bedeutet also", fuhr der Älteste fort, "dass Ysana dort genau die Mutanten findet, die ihre Ideologie teilen."

      "Und noch Schlimmeres. Soweit ich weiß, sind sie völlig abgeschnitten von allem, sodass sie mehr und mehr degenerieren. Sie sind unberechenbar geworden."

      "Kennen sie die Standorte der Anlagen, Gottkaiser?"

      "Soweit sie in den Akten der Obersten stehen, ja. Zumindest ungefähr. Naja, wir glaubten einige von ihnen entdeckt zu haben. Es wurde bereits mehrfach versucht diese zu zerstören. Doch die Mutanten haben mithilfe ihrer Fähigkeiten immer wieder die vollständige Vernichtung abwenden können. Jeder hat es versucht. Die Regierung, die ProTeq, mit Hover-Zerstörern und mit ganzen Flotten. Nichts hat das Problem bereinigen können."

      "Und das alles nur, weil Mår-quell auf diese Menschen hat Jagd machen lassen. Dadurch hat sie die Situation nur angeheizt. Wenn sie diese Metawesen einfach integriert hätte, wie sie es mit all den Flüchtlingen gemacht hat, dann wäre uns dies wahrscheinlich erspart geblieben."

      "Das ist eine gewagte Hypothese, Ältester. Aber unter Umständen haben sie sogar recht damit. Das werden wir jedoch nie erfahren. Dafür ist es definitiv zu spät."

      "Es