Renaissance 2.0. Christian Jesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Jesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754127643
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Schicht treffen und unterhalten. Vielleicht erinnerst du dich dann wieder an das ein oder andere." Das Mädchen war offensichtlich ganz aufgeregt. Als hätte sie nach Jahren ihre beste Freundin wiedergefunden.

      Um die Situation zu entschärfen, bestellten Jikav, Misuk und Thevog ihr Essen, was Tandra schließlich ebenfalls tat. Sie erklärten Shilané, dass jemand an einem der Tische auf sie warten würde und verabschiedeten sich. Der alte Mann winkte fröhlich in ihre Richtung. Die Gruppe dachte, er würde ihnen winken, damit sie ihn nicht suchen mussten. Endlich am Tisch angekommen, begrüßte der Mann sie dann mit den Worten:

      "Mensch, da habt ihr ja gleich meine Enkelin kennengelernt." Die vier verharrten für eine Sekunde in ihren Bewegungen und schauten sich an. Jeder dachte das Gleiche. Es war kein Zufall, dass der alte Mann sie gerade hierher gebracht hatte. "Und jetzt möchte ich euch noch diese Leute vorstellen. Allesamt Renegaten. Die Frau heißt Dahos und die beiden Männer Siglas und Qari. Ich gehe dann mal zu meiner Enkelin. Die müsste nämlich bald Feierabend haben. Ach übrigens", er reichte Tandra einen Zettel, "Das ist meine Adresse. Ihr könnt gerne bei mir und Shilané wohnen."

      "Wohnt Shilané nicht bei ihrer Mutter und ihrem Vater?", fragte Tandra verwundert nach.

      "Eigentlich müsste sich in ihrer Quolcose wohnen. Aber ich habe mit der Mutter Oberin dort eine Vereinbarung, dass sie, wann immer sie will, bei mir leben kann."

      "Was ist eine Quolcose?", fragte Misuk neugierig, die schon lange nichts mehr gesagt hatte und scheinbar ihren eigen Gedanken nachhing.

      "Die Quolcosen werden von sogenannten Ankilla bewirtschaftet. Sie versorgen die Stadt mit Lebensmitteln, Bekleidung und anderen wichtigen Dingen des Lebens. Ich habe mal gehört, wie jemand sie mit einem Kloster verglichen hat. Keine Ahnung, was das ist. Vielleicht könnt ihr etwas damit anfangen." Mit diesen Worten stützte er sich auf seinen Knien ab, stand auf und ging in Richtung der Theke, wo seine Enkelin noch immer die Hungrigen mit Essen versorgte. Kopfschüttelnd blickten Tandra und Jikav ihm hinterher. Ein merkwürdiger, aber liebenswerter Kauz.

      Schließlich wandten sie sich ihren Mahlzeiten und den Renegaten zu, die ihnen gegenüber sehr freundlich und aufgeschlossen waren. Natürlich sprach Jikav nicht das Thema an, weswegen er überhaupt nach Akeḿ, beziehungsweise Deusakem gekommen war. Zuviel Menschen waren um sie herum und er hatte nicht die geringste Ahnung, wie diese auf den Namen Pumar reagieren würden. Das konnte er noch nicht einmal für die anwesenden Renegaten sagen. Die Gruppe blieb über mehrere Stunden zusammen, während Tandra und Jikav immer mehr über die neuen Renegaten in der Stadt erfuhren. Genaugenommen machten sie das Gleiche, wie die Widerstandskämpfer von Nuhåven. Nur machten sie es mit Unterstützung des Stadtstaates, am hellichten Tag und mit Beihilfe der ProTeq. Die beiden Jungrenegaten konnten einfach nicht begreifen, was sie dort hörten. Es war unvorstellbar für sie.

      Nachdem alle ihr Essen schon längst beendet hatten, würde das Geschirr zur Theke zurückgetragen. Dahos, Siglas und Qari luden die vier ein, sie in ihren Stützpunkt zu begleiten. Darauf hatte Jikav und Tandra inständig gehofft, weswegen sie sich auch sofort mit ihren neugewonnenen Freunden auf den Weg machten. In ihrer Basis konnten sie endlich den Versuch starten, sich vorsichtig nach Pumar zu erkundigen. Sehr, sehr vorsichtig, wie Tandra für sich beschloss und es auch Jikav wissen ließ.

      Kapitel 10

      Während die Gruppe sich zu Fuß zur Basis der Renegaten begab, fragte Tandra diese nach dem Umstand, dass sich die Widerstandskämpfer hier in der Stadt nicht verstecken mussten. Ihr war es immer noch nicht geheuer, ihre Leute hier so frei und ungedeckt herumlaufen zu sehen. Dazu kam noch, dass sie jedes Mal, wenn sie aus der Ferne eine Proteqtor sah, zusammenzuckte und sich verstecken wollte. Den drei Renegaten entging dieses Verhalten nicht.

      "Was ist los?", fragte Dahos daher, als sie sich zum dritten oder auch vierten Mal vor den Mitarbeitern der ProTeq unsichtbar machen wollte.

      "Ich bin nervös. Bei uns in Nuhåven mussten wir uns vor den Proteqtoren in Acht nehmen. Ich begreife nicht, warum das hier anders sein kann", erklärte Tandra sich und ihr Verhalten.

      "Die Frage ist ganz einfach zu beantworten", erklärte nun Qari. "Deusakem ist, seit der Gottkaiser die Regierung übernommen hat, vollkommen autark gegenüber der vorherrschenden Macht. Natürlich versucht die Regierung der Mår-quell, uns auszuspionieren, da sie zu Recht annimmt, wir könnten etwas gegen sie planen. Da die ProTeq jedoch nur teilweise für die Regierung tätig ist, eigentlich jedoch eigenen Interessen verfolgt, ist sie für den Gottkaiser ein nützlicher Verbündeter, den er gerne unterstützt."

      "Und genau das ist der Punkt", unterbrach Tandra den Mann. "Die ProTeq hat eigene Interessen. Wie kann der Gottkaiser ihnen da vertrauen?"

      "Das beruht auf Gegenseitigkeit. Die Proteqtoren haben keinen Grund sich gegen den Gottkaiser zu stellen, da jeder das bekommt, was er vom anderen erwartet. Das ist das alte Prinzip vom Geben und Nehmen. Das gleiche Prinzip, weswegen wir hier auch kein Geld haben. Jeder ist für den anderen da, weil wir alle voneinander abhängig sind. Diesen Pfad hat die Regierung schon vor Jahrzehnten verlassen. Wir aber gehen ihn neu und, wie du sehen kannst, mit Erfolg. Jachwey hat sogar schon einige Kleinstaaten in der Umgebung davon überzeugen können, was bedeutet, dass wir stetig wachsen." Qari hatte sich schon fast in eine Euphorie geredet, weswegen ihn seine Mitstreiter wieder auf den Boden zurückholten.

      "Du musst entschuldigen, Tandra", mischte sich jetzt Siglas zum ersten Mal in die Gespräche ein. "Qaris Eltern mussten schwer unter der Regierung Mår-quell leiden. Wir konnten seine Familie nur in letzter Sekunde vor den Schergen der Regierungsgarde retten und sie dann hier versorgen. Daher ist unser junger Qaris ein wenig überschwänglich, was den Gottkaiser angeht. Aber er hat recht. Zwischen Jachwey, der ProTeq und uns Renegaten findet ein ständiges Geben und Nehmen statt, weswegen keiner von uns einen Vorteil sucht."

      "Und was ist es dann, das die ProTeq im Geheimen für sich plant? Was sind ihre eigenen Interessen? Wir wissen doch alle, das die ProTeq genügend Personal und Waffen hat, die Herrschaft zu übernehmen und dass sie genau das auch vorgenommen haben."

      "Und doch haben sie es immer noch nicht getan. Das bedeutet dann wohl, dass sie dies gar nicht wirklich wollen", sagte Dahos im ruhigen Tonfall.

      "Das macht euch keine Sorgen?", fragte jetzt Thevog aus dem Nichts heraus. Die Renegaten drehten sich zu dem Jungen um und sahen ihn erstaunt an. "Was?", fragte er nur. "Glaubt ihr, nur weil ich noch jung bin, würde ich solche Dinge nicht verstehen?"

      "Nein", beschwichtigte ihn Siglas. "Und doch ist es ungewöhnlich, dass jemand in deinem Alter sich für Derartiges interessiert."

      "Sie glauben gar nicht, was dieser Junge alles weiß und wofür er sich interessiert", erklärte Jikav, der sich die ganze Zeit mehr oder weniger im Hintergrund gehalten hatte und zuhörte. Dahos schaute ihn auffordernd an, weiterzureden. Doch Jikav bemerkte diesen Blick nicht. Daher kam Thevog selbst der Aufforderung nach.

      "Was Jikav meint, ist mein vielseitiges Interesse für Physik, Chemie, Elektronik, Biologie und was es sonst noch für wissenschaftliche Gebiete gibt. Natürlich bleibt es da nicht aus, dass ich mich auch für die gegenwärtigen Verhältnisse interessiere."

      "Er war es, der den Zusammenhang im unterirdischen Bunker von Nuhåven erkannt hat", sagte Tandra mit ein wenig Stolz für den Jungen in der Stimme.

      "Wie darf ich das verstehen?", erkundigte sich Qari.

      "Die ProTeq hatte den Bunker mit einem Gas geflutet und in den zentralen Raum eine brennende Kerze gestellt. Wenn Thevog nicht begriffen hätte, das jenes Gas entflammbar war, würden wir jetzt nicht mit euch reden." Mit einem Mal blieben die drei Renegaten angewurzelt stehen, sodass Jikav und Misuk auf sie aufliefen.

      "Die ProTeq hat Nuhåven gesprengt?", fragte jeder von ihnen gleichzeitig. "In den Nachrichten wurde berichtet, die Besatzung eines Patrouillenhover hätte Beweise dafür gefunden, dass die Islanieden aus dem Südosten dafür Verantwortlich wären. Mår-quell führt zurzeit eine Sitzung an, die über einen Gegenschlag diskutiert."

      "Das passt allerdings zu ihr", kommentierte Dahos die neue Situation. "Eine willkommene Möglichkeit einen Krieg gegen das Land zu führen,