Renaissance 2.0. Christian Jesch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christian Jesch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754127643
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Karte gesehen hatte, die sie jetzt vor ihrem inneren Auge betrachtete. Wichtig war nur, dass sie den Weg nicht verlor und sie alle in den Dædlænds umkamen.

      Es war wohl eine gute Stunde nach ihrer kurzen Rast, als Tenju eine größere Gruppe in der Ferne entdeckte, die in entgegengesetzter Richtung auf sie zukamen. Sofort machte er seine Anführerin auf die etwa zwanzig Personen aufmerksam. Ysana legte ihre Hand über die Augen, um nicht von der Sonne geblendet zu werden, die ungehemmt durch die nicht vorhandene Ozonschicht ihr Licht verbreite. Dann schaute sie zu Tenju, der sich konzentrierte.

      "Das sind sehr viele Gedanken, die von der Gruppe kommen. Soweit ich das einschätzen kann, sind sie aber alle harmlos. Interessant ist jedoch, dass sie auf dem Weg nach Nuhåven sind."

      "Wissen sie denn nicht, dass Nuhåven zerstört wurde?", fragte Ysana überrascht.

      "Wer weiß das nicht?", mischte sich jetzt eine der Ligistinnen ein, die gerade aufgeschlossen hatte, und prompt von ihrer Anführerin ignoriert wurde.

      "Offensichtlich nicht", beantwortete der Telepath Ysanas Frage, auch, wenn diese nur rhetorisch war. Dann hellte sich sein Gesicht auf. "Die wollen zu dir", berichtete er begeistert. "Sie hoffen, dass du noch am Leben bist und wollen dir helfen."

      "Das gefällt mir nicht", murmelte Ysana unwohl.

      "Warum?", mischte sich erneut die Ligistin ein, die zuvor ignoriert wurde.

      "Warum sollte jemand meine Gesellschaft suchen?", gab sie zur Antwort.

      "Vielleicht, weil sie von deinen enormen Fähigkeiten gehört haben", plapperte die junge Frau erneut los.

      "Nachher sind das noch Primitive, die von mir beschützt werden wollen."

      "Das glaube ich nicht", unterbrach Tenju das Gespräch. "Einer von ihnen ist ebenfalls ein Telepath, der bemerkt hat, dass ich ihn gescannt habe. Moment." Tenju unterbrach sich und schloss die Augen. "Sie sind auf der Suche nach dir, um sich anzuschließen. Und sie haben jede Menge Lebensmittel dabei."

      Als die Liga die letzten Worte des Telepathen hörten, brach Jubel aus, den Ysana jedoch sofort mit einer Handbewegung unterband. Es war ja schön und gut, dass sich eine Gruppe Metamenschen ihr anschließen wollte. Hatten sie aber auch das gleiche Ziel oder würden sie zu einer Gefahr werden, wenn sie mit ihrem Plan nicht einverstanden wären? Tenju konnte ihr diese Frage nicht beantworten. Er konnte nur sagen, dass jeder der ihnen entgegenkommenden Personen große Stücke auf Ysana hielt.

      "Ich denke schon, sie wollen mit dir kämpfen. Schließlich waren die Nachrichten über dich aus Nuhåven nicht beherrscht von deiner Freundlichkeit gegenüber den Primitiven, der ProTeq oder der Regierung. Also denke ich nicht, dass sie derartiges von dir erwarten."

      "Hoffen wir, du hast recht", gab Ysana wenig überzeugt nach.

      Sie gab das Zeichen zum Aufbruch und der Rest der Liga folgte ihr auf dem Weg, der sie näher zu der anderen Gruppe brachte. Die Euphorie, die sich bei den Ligisten breit machte und durch Heiterkeit nach außen sichtbar war, stoppte die Anführerin mit einer drastischen Handbewegung. Ysana hatte innerhalb kürzester Zeit gelernt niemandem zu trauen. Auch, wenn Tenju ihre Gedanken lesen konnte, wer sagte ihr, dass diese Metamenschen es nicht gelernt hatten, diese zu kontrollieren. Je näher sie der anderen Truppe kamen, desto unwohler wurde ihr. Sie bereitete sich darauf vor ihre Kräfte einzusetzen, wenn es denn der Fall sein musste.

      "Sie müssen Ysana sein", sagte der junge Mann und streckte ihr die Hand entgegen. "Mein Name ist Neyton. Und das sind meine Schützlinge." Ysana ließ ihren Blick über die einzelnen Personen gleiten, um diese zu mustern. Erst dann ergriff sie seine Hand, ohne diese jedoch zu schütteln. Schützlinge, dachte sie. Bin gespannt, wo ihr herkommt.

      "Wir sind sehr froh, Sie endlich gefunden zu haben. Keine Ahnung, ob wir in der Stadt auf Sie getroffen wären." Ysana sagte noch immer kein Wort. "Allerdings muss ich zugeben, bin ich etwas erstaunt Sie hier draußen anzutreffen. Was ist passiert?" Da Ysana immer noch nichts sagte, sprang Tenju ein und berichtete von dem Untergang Nuhåvens. Der Mann und seine Begleiter schienen geschockt zu sein. Natürlich erwähnte der Telepath nichts davon, dass sie den Krieg angefangen hatten.

      "Und was haben sie jetzt vor?", wollte Neyton erregt wissen. Tenju blickte seine Anführerin fragend von der Seite her an. Die erkannte, dass es jetzt an ihr war, zu antworten.

      "Ich weiß von einer größeren Anlage in einiger Entfernung, die sich als großflächige Unterkunft eignet. Wir haben vor weiteren Mutanten die Möglichkeit zu geben, wieder in Freiheit zu leben."

      "Bedeutet das, ihr wollt weitere Mutanten aus den Gefängnissen der Regierung befreien?", fragte der junge Mann ungläubig.

      "Es gibt noch andere Unterbringungen von Metamenschen die nicht von der Regierung oder der ProTeq beaufsichtigt werden. Dort werden wir Hilfe leisten."

      "Noch andere?", wiederholten zwei von Neytons Begleitern fassungslos. Ysana nahm dies jedoch nicht zum Anlass ihre Aussage weiter auszuführen. Stattdessen bot sie dem Mann und seinem Gefolge an, sie zu begleiten, was diese nur allzu gern annahmen. Ohne weitere Worte setzte sie sich an die Spitze und gab die Richtung vor. Neyton schien ein wenig verwirrt. Er blickte Tenju an, der eine entschuldigende Geste machte, Neyton die Hand auf den Rücken legte und ihn damit vorwärts schob.

      "Ysana ist kein Mensch der vielen Worte. Außer, sie hält eine Rede an ihre Mitstreiter. Dann ist sie Feuer und Flamme. Ansonsten ist Ysana meistens in sich gekehrt. Sie fühlt sich für die Metamenschen verantwortlich. Und diese Verantwortung lastet schwer auf ihren Schultern."

      "Wieso fühlt sie sich verantwortlich?", erwiderte der junge Mann erstaunt.

      "Das ist so, wie in diesen alten Geschichten, wo ein Mann das Wort einer übergeordneten Kreatur gehört haben will und anfing es zu verbreiten. Meine Großmutter hat mir mal davon erzählt. Ziemlicher Humbug. Aber, Millionen von Menschen sollen ihm geglaubt haben und sind ihm gefolgt."

      "Soll das heißen, Ysana hört Stimmen?", fragte Neyton jetzt doch etwas unsicher.

      "Nein. Auf gar keinen Fall. Ysana weiß genau, was sie tut. Sie will die Metamenschen in eine bessere Zukunft führen", sagte Tenju deutlich, während er darüber nachdachte, dass ihr Plan mit diesen Worten umschrieben gar nicht so übel klang.

      "Wo kommt ihr eigentlich her, wenn ich fragen darf?", wechselte er schnell das Thema, bevor Neyton noch weitere unnütze Fragen stellen konnte, die der Telepath nicht mehr beantworten wollte. "Soweit wir wissen, wurden die meisten Metamenschen von der Regierung eingefangen."

      "Wir hatten Glück. Alle meine Schäfchen und ich haben in einem Vorort von Devener gelebt. Als die Regierungstruppen zusammen mit der ProTeq dort einfielen, wurden wir gewarnt und konnten entkommen. Seitdem leben wir in den unzugänglichen Wäldern. Das überleben dort ist nicht leicht. Besonders bei der Versorgung mit Nahrung und anderen wichtigen Dingen, gibt es logischerweise Probleme. Wir mussten immer sehr genau aufpassen, dass die Nahrungsmittel und das Wasser nicht verseucht waren. Einige von uns haben da ziemlich böse Erfahrungen hinter sich."

      "In den unzugänglichen Wäldern?", fragte Tenju nach. Den Begriff hatte er noch nie zuvor gehört.

      "Ja. Das sind einige Wälder nordöstlich von hier. Sie sind schwer zugänglich, da sie aus ätzenden Bäumen bestehen, die Säuren absondern. Wenn es regnet, muss man besonders aufpassen, weil dann die Säure mit dem Regen von den Ästen gewaschen wird. Herunterfällt und den Boden verseucht."

      "Wie habt ihr euch davor geschützt?" Der Telepath wurde neugierig.

      "Wir haben nach und nach aus alten Blech- und Stahlteilen eine Art Siedlung errichtet. Eher ein großes Dach, wenn man es genau nimmt."

      "Und wie seit ihr an das Material gekommen?"

      "In einiger Entfernung befindet sich ein abgestürzter Hover der Regierung. Wir haben ihn Stück für Stück ausgeschlachtet."

      Tenju beschlich langsam ein ungutes Gefühl. Alles, was Neyton erzählte schien so leicht und unbeschwert zu sein, dass er dem kaum Glauben schenken wollte. Wie konnten sie in einem derart ätzenden Wald große Metallplatten