Wenn nichts ist, wie es scheint. Angelika Godau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika Godau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146620
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denken. „Sie will meinen Tod, sie hat mich vergiftet“, flüsterte er und suchte in den Taschen seiner Jacke verzweifelt nach dem Handy. Er fand es nicht und ihm fiel ein, dass er es neben seinem Bett abgelegt hatte, um Fußball zu gucken. Borussia hat gewonnen, war sein letzter Gedanke, bevor er das Bewusstsein verlor und von der Bank fiel.

      -3-

      Wir waren kaum zehn Minuten unterwegs, als ich, etwa 30 Meter vor mir, einen Mann am Boden liegen sah. Ich drehte mich einmal um meine eigene Achse, entdeckte aber sonst keine Menschenseele. Ignorieren ging nicht, da brauchte vielleicht jemand Hilfe, auch wenn ich überzeugt war, dass den wohl zu viel Alkohol ausgeknockt hatte. Also nahm ich beide Hunde kurz, die ebenfalls in die von mir angestrebte Richtung zogen und dann wurde mir leicht übel. Der Mann sah nicht aus, als würde er regelmäßig vor Parkbänken schlafen. Jeans, Hemd und Schuhe waren teure Markenbekleidung, seine Haare ordentlich geschnitten, nichts wies darauf hin, dass es sich um einen Obdachlosen handeln könnte. Er hatte sich erbrochen und Reste davon klebten in seinem Gesicht, auf dem offenen Mund krabbelten, trotzt der morgendlichen Frische, bereits Fliegen. Selbst ein Erstklässler hätte erkannt, dass niemand diesem Mann mehr helfen konnte, er war sicherlich seit Stunden tot.

      „Was ist mit ihm?“, erklang in meinem Rücken eine sonore männliche Stimme und ich fuhr erschrocken herum.

      „Mein Gott, wo kommen Sie denn so plötzlich her? Keine Ahnung, ich weiß nur, dass er tot ist. Ich wollte gerade die Polizei informieren“, antwortete ich, zückte mein iPhone, tippte die 110 und betrachtete unterdessen den Mann genauer. Er war älter als ich, größer als ich und hatte auch mehr Bauch als ich. Ansonsten wirkte er freundlich und nicht so, als würde er Menschen auf Parkbänken ums Leben bringen. Er wurde von zwei Hunden begleitet, die unterschiedlicher nicht hätten sein können, einem Bordercollie und einer Französischen Bulldogge. Während ich mich noch fragte, wieso die Hunde so ruhig blieben, meldete sich an meinem Ohr ein Stimme: „Notruf der Polizei, was kann ich für Sie tun?“

      „Menke hier, Detlev Menke, ich möchte mal wieder eine Leiche melden, einen toten Mann, der liegt hier vor einer Bank. Also, einer Parkbank genauer gesagt, davor steht ein Bücherschrank, dann ist hier noch ein Tütenspender für Kotbeutel und da vorne ein mobiles WC … Moment bitte … das weiß ich leider nicht.“ Ich drehte mich zu meinem neuen Bekannten um, der gerade mit seinem Smartphone die Leiche fotografierte und fragte: „Wo sind wir denn hier genau?“ Er warf mir einen verwunderten Blick zu, und antwortete: „Na, am Herzogplatz.“

      „Hören Sie? Also, wir sind am Herzogplatz. Sagte ich doch schon, mein Name ist Detlev Menke, ich bin Privatdetektiv in Bad Dürkheim, aber im Augenblick in Zweibrücken zu Besuch bei Dr. Hella Labrius. Ich bin mit meinen Hunden hier entlang gelaufen und habe den Mann zufällig gefunden. Das passiert mit leider häufiger, dass ich Leichen finde, aber das ist eine lange Geschichte.“

      Einen Augenblick war tiefes Schweigen am anderen Ende der Leitung und ich konnte mir gut vorstellen, dass da jemand überlegte, ob er es mit einem Spinner zu tun hatte. Dann kam kurz und knapp die Anweisung, nichts anzufassen, nicht wegzugehen und auf Notarzt und Polizei zu warten. Dann wurde aufgelegt, noch bevor ich versichern konnte, das alles einhalten zu wollen.

      Ich steckte mein Handy weg und drehte mich wieder zu dem Typen mit den Hunden um, die mittlerweile wie die Hühner bei Witwe Bolte als Quartett umeinander herumliefen und sich gegenseitig am Hintern rochen.

      „Warum machen Sie eigentlich Fotos von einer Leiche? Sagen Sie nicht, Sie wollen die auf Insta oder so posten, das finde ich zum kotzen“, regte ich mich auf, aber er winkte nur ab. „Kommen Sie wieder runter, ich bin Freelancer bei der Rheinpfalz, fotografiere, schreibe, berichte, was grad so anfällt und die Fotos sind nicht für die Öffentlichkeit, sondern für die Polizei bestimmt.“

      „Wieso, haben die keine eigenen Fotografen?“, fragte ich, immer noch skeptisch. Die Antwort hörte ich nicht mehr, weil die Stille plötzlich von einem unglaublichen Gekrächze durchbrochen wurde. Gefühlte 5000 Krähen stimmten gemeinsam ein Morgenlied an, und dieser Höllenlärm, wurde zusätzlich vom Sirenengeheul des „ersten Angriffs“ übertroffen. Vorneweg kam der Rettungswagen über den Platz, dahinter ein PKW mit dem Notarztschild, und von der anderen Seite raste ein Streifenwagen heran. Wer jetzt noch nicht wach war, musste entweder sehr schwerhörig oder bereits tot sein. Fast gleichzeitig stoppten die drei Fahrzeuge, die Türen öffneten sich und die Insassen sprangen heraus. Der Notarzt entpuppte sich als eine attraktive, sportlich aussehende Blondine, die zielstrebig auf den am Boden liegenden Mann zulief. Zwei Sanis kamen mit einer Trage aus dem RTW angerannt. Die beiden Streifenhörnchen holten eine Rolle mit rot-weißem Absperrband aus dem Kofferraum, nachdem sie ein paar Worte mit der Notärztin gewechselt hatten. Dann entdeckte der ältere von ihnen den Hundemann und winkte ihm zu: „Seit wann ist die Zeitung schneller als die Polizei? Was machen Sie um diese unchristliche Uhrzeit schon hier? Haben Sie ihn gefunden?“, wollte der jüngere der Beiden wissen, der aussah, als wäre er noch nicht mal volljährig.

      „Nein, das war der Detektiv da aus Bad Dürkheim“, war die Antwort, mit einer kurzen Kopfbewegung in meine Richtung.

      „Detektiv aus Dürkem? Doch nicht etwa der mit dem Dackel?“ Der ältere Beamte blieb stehen und drehte sich zu mir um. „Sind Sie Menke? Dann kennen Sie bestimmt meinen Schwager Norman.“

      „Norman und wie weiter?“, fragte ich verblüfft, aber ich ahnte schon, wie die Antwort lauten würde.

      „Sand, Norman Sand, der ist bei der Kripo in Ludwigshafen und hat oft von Ihnen erzählt, müssen Sie also kennen.“

      „Das ist Ihr Schwager? Na, wenn das kein Zufall ist, die Welt ist wirklich klein“, sagte ich lahm, weil mir einfach nichts Gescheiteres einfallen wollte. Ich konnte mir schließlich denken, wie lange es unter diesen Umständen dauern würde, bis der Sandmann davon erfuhr, dass ich mal wieder eine Leiche gefunden hatte. Und was er wusste, wusste 30 Sekunden später auch Tabea.

      „Der Mann ist tot und das ungefähr seit Mitternacht, plus-minus eine Stunde. Ob Fremdverschulden vorliegt, kann ich nicht sagen, er könnte auch an seinem Erbrochenen erstickt sein. Möglicherweise ist Gift im Spiel, keine Ahnung. Ich denke, da muss die Kripo her. Passen Sie aber auf, dass keiner der Hunde den Fundort verunreinigt.“

      Die Notärztin war mit ihrer Erstuntersuchung fertig und verabschiedete sich, weil sie gerade zu einem weiteren Einsatz gerufen wurde. Der ältere Beamte murmelte etwas vor sich hin, während er in den Taschen des Toten nach Ausweispapieren suchte. Er wurde nicht fündig, zuckte die Schultern, ging in aller Seelenruhe zu seinem Fahrzeug, und teilte der Einsatzleitstelle mit, dass man die Kripo schicken solle.

      Ich wandte mich dem Zeitungsmann zu und fragte nach seinem Namen.

      „Füßler, Thomas Füßler und Sie heißen Menke, ich hab’s gehört. Das kann jetzt hier dauern, wenn Fremdverschulden vermutet wird, oder auch nur nicht ausgeschlossen werden kann, muss die Kripo aus Pirmasens anrücken und die Lauterer wurden natürlich auch bereits informiert. Hilft nix, wir sitzen fürs erste fest, auch wenn wir kaum etwas zur Aufklärung beitragen können.“

      „Und außerdem stehen wir“, stellte ich klar, „vielleicht ist es ja gestattet, sich in der Nähe in ein Café zu setzen, was meinen Sie?“

      „Das glaube ich kaum. Abgesehen davon, dass es in Zweibrücken kein Café gibt, dass um diese unchristliche Uhrzeit geöffnet hätte, können wir schon froh sein, wenn wir uns da drüben auf die Bank setzen dürfen“, grinste er und war mir plötzlich irgendwie sympathisch.

      Ich drehte mich zu dem älteren Beamten um, den die Situation nicht weiter zu beunruhigen schien und holte mir die Genehmigung, mich ungefähr fünfzig Meter entfernt auf einer Bank niederzulassen.

      „Keine Sorge, ich laufe Ihnen nicht davon. Ich habe einen festen Wohnsitz, eine Oberkommissarin zur Freundin und einen Oberkommissar als Freund“, fügte ich zu seiner Beruhigung noch hinzu.

      „Ja, die Oberkommissarin Kühn, ich weiß. Ob die allerdings noch Ihre Freundin ist, weiß ich nicht so genau. Man hört so dies und das“, grinste er.

      „Was hört man und wer ist ‚man‘“?