Wenn nichts ist, wie es scheint. Angelika Godau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika Godau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146620
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fester, griff nach Tabeas Hand, bereit, der Kripo unter die Arme zu greifen, da fiel mein Blick auf zwei dicke rote Blutflecken direkt vor meinen Füßen.

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      Er wischte sich mit dem Hemdsärmel den Schweiß von der Stirn und verfluchte die Hitze, die diese dicken, grün-schillernden Fliegen hervorbrachte. Eddy hatte ihn darauf hingewiesen, dass der Vorrat an präparierten Fleischbällchen erschöpft war, daher musste er für Nachschub sorgen, auch wenn er sich lieber eine Abkühlung im Freibad gegönnt hätte. Sie hatte Besuch bekommen, von einem Kerl mit Dackel. Der war samt seinem Köter aus seiner Angeberkarre gestiegen und hatte bei ihr geklingelt. Kurze Zeit später waren sie zusammen ins Valentin´s gefahren, lachend und offenbar vertraut miteinander. Mit finsterer Miene hatte er mitansehen müssen, wie sie sich amüsierten und mit Bier anstießen. Dann schienen sie sich über irgendwas zu streiten und später hatte sie geweint. Er wusste, warum und hatte heftige Schadenfreude empfunden. Dabei war es reiner Zufall gewesen, dass ihr eigener Hund eines der ersten Opfer seiner Fleischbällchen geworden war. Trotzdem hielt er es für ein Zeichen; er war auf dem richtigen Weg. Das musste er ihr später unbedingt erzählen, später, wenn alle Heimlichkeiten vorbei waren und er sie in seiner Hütte gefangen halten würde. Bis dahin musste er sich damit begnügen, ihr aus der Ferne Schmerz zuzufügen. Mit jedem verletzten oder sterbenden Hund sollte sie leiden, immer an ihren Verlust erinnert werden, deutlich ihre Hilflosigkeit und ihr Versagen spüren. Je mehr Hunde ihr unter den Händen verreckten, umso lauter würden außerdem die Leute reden. Oh, er wusste genau, wie die Menschen hier tickten. Gestern mochte sie noch die „Frau Doktor“ gewesen sein, „die beste Tierärztin weit und breit.“ Doch schon bald würden die ersten sie meiden, sich zuraunen, dass sie nichts konnte, dass bei ihr zu viele Tiere starben. Dabei stand es ohnehin nicht gut um ihre Praxis. Er wusste, dass sie ernste finanzielle Probleme hatte. Dazu hätte es nicht das Gespräch zwischen ihr und ihrem Vater bedurft, das laut und heftig gewesen war. Sie stritten um Geld, um zu hohe Kosten für Versicherungen, Anschaffungen und dergleichen und darum, dass sie nicht genug Einnahmen hatten, weil viele Leute ihre Rechnungen nicht begleichen konnten oder wollten. Er hatte es zufällig mit angehört, und obwohl er das alles schon vorher gewusst hatte, erst in diesem Augenblick verstanden, dass dieses Wissen ihm helfen würde, ihr Leben Stück für Stück zu zerstören. Er hatte es Eddy erzählt, der sofort auf die Idee mit den Hunden gekommen war. Er war damit nicht einverstanden gewesen, warum sollten unschuldige Tiere leiden? Aber Eddy hatte ihm klargemacht, dass es um ein höheres Ziel ging, und dass dafür immer Opfer gebracht werden mussten. Immer noch zögernd hatte er damit begonnen, Köder zu präparieren und auszulegen. Es machte ihm keine Freude, auch wenn er Hunde nicht besonders leiden konnte. Er liebte dafür Katzen, genau wie Eddy auch. Eine Weile hatte er befürchtet, auch sie würden etwas von den ausgelegten Leckereien fressen, aber dazu waren die zum Glück zu schlau. Genau wie die Heerscharen von Krähen; die pickten nur das Fressbare aus den Ködern und ließen Nägel und Krampen zurück. Darum brauchte er so häufig Nachschub. Was er leider auch nicht verhindern konnte, obwohl es ihn sehr ärgerte, dass auch die zwei anderen Tierärzte, die ihre Praxen ebenfalls in der Nähe hatten, von seinem Plan profitierten. Trotzdem brachten noch genügend Halter ihre Tiere zu ihr, die dann auf ihrem Tisch starben, weil sie unfähig war, sie zu retten. Das wusste er, so wie er alles über sie wusste. Schon als er sie das erste Mal gesehen, diese Faszination gespürt hatte, war er sicher gewesen, in ihr die eine gefunden zu haben, die es wert war, an seiner Seite zu leben. Eddy hat ihn ausgelacht und behauptet, so eine Frau gäbe es nicht. Um ihm das Gegenteil zu beweisen, musste er sich sicher sein, dass sein Gefühl ihn nicht täuschte. Damals hatte er damit begonnen, sie zu studieren, wie andere Medizin oder Jura studierten, gewissenhaft und gründlich. Er beobachte jeden ihrer Schritte, kroch buchstäblich in sie hinein, bis er sie schließlich fast besser kannte als sie sich selbst. Er wusste, dass sie einsam war, sich nach Liebe und Geborgenheit sehnte. Nur darum trank sie zu viel, kochte sich selten etwas Vernünftiges und ließ sich dazu herab, fremde Typen mit nach Hause zu nehmen, die sie in einer Bar oder einem Club kennenlernte. Diese Tage hasste er, das machte ihn rasend vor Wut. Es passte nicht zu seinem Bild von der perfekten Frau. Eddy verschwieg er es, es sollte ihr gemeinsames Geheimnis bleiben. Nur, um sie wissen zu lassen, dass es jemanden gab, der sie auserwählt hatte, hatte er begonnen, ihr Geschenke vor die Tür zu legen. Eine einzelne Rose, exklusive Pralinen und den Umschlag mit der Konzertkarte. Sie war nicht gekommen und es hatte ihn viel Kraft gekostet, sich zu beherrschen, sie nicht umgehend für ihre Ignoranz zu bestrafen. Es war ihm nur gelungen, weil er sich klargemacht hatte, dass sie nicht wissen konnte, wen sie vergebens hatte warten lassen. Daher war er ihr in diese Bar gefolgt, bereit ihr zu verzeihen, und sich zu erkennen zu geben. Siegessicher war er zu ihr rübergegangen, hatte sie zu einem Drink eingeladen. Und wie hatte sie reagiert, nachdem sie ihm einen kurzen, gänzlich uninteressierten Blick zugeworfen hatte? Sie hatte einfach Nein gesagt. Nicht einmal „nein danke“, nur ein kurzes, knappes Nein. Später hatte sie sich einem Kerl zugewandt, der seine Abfuhr grinsend beobachtet hatte und war kurz darauf mit ihm verschwunden. Zuerst war er nur fassungslos über diese Zurückweisung gewesen, später wütend und als der Morgen kam, war er voller Hass auf sie gewesen. Jetzt endlich hatte er Eddy davon erzählt, alles, nichts verschwiegen und der stimmte ihm zu. Ein solches Verhalten ging einfach nicht, das konnte er unter keinen Umständen dulden. Keine Frau durfte sich das herausnehmen, keine hatte das Recht, ihn abzuweisen, dafür gehörte sie bestraft. Nicht gleich, erst musste sie begreifen, was sie getan hatte, und erkennen, dass sie sich alles, was geschah, selbst zuzuschreiben hatte. Dass sie es hätte verhindern können, ja verhindern müssen. So lange musste er sich gedulden, aber das war kein Problem. Um seine Bedürfnisse zu befriedigen, gab es genug Frauen. Er hatte nie Probleme damit eine aufzureißen. Er sah gut aus, war ein aufmerksamer Zuhörer, aber das Besondere an ihm, das, was ihn von den heutigen Männern unterschied, war seine ausgesuchte Höflichkeit. Ein Wesenszug, den Frauen liebten und der es ihm leicht machte, sie für sich zu gewinnen. Er half ihnen in den Mantel, hielt Türen auf, rückte Stühle zurecht, er gab Feuer, fragte nach ihren Wünsche und erfüllte sie. Kleinigkeiten, die nichts kosteten, aber viel einbrachten. Manchmal stieß er allerdings auf eine dieser schrecklichen Emanzen, die darauf bestanden, ihren Mantel allein anzuziehen und die Türen selbst öffnen zu können. Die waren ihm verhasst, solche Frauen verschwendeten seine Zeit. Er liebte das Gefühl gebraucht zu werden, zu behüten und zu beschützen, so, wie es von der Natur vorgesehen war. Frauen waren nicht grundlos das schwache Geschlecht, allein durch ihren Körperbau waren sie dem Mann unterlegen. Und auch, wenn keiner es mehr aussprach, so blieb es doch eine Tatsache, dass ihr Gehirn leichter war als das eines Mannes. Welche Auswirkungen das auf ihre geistigen Fähigkeiten hatte, haben musste, war leicht zu erkennen. Wer das bestritt, sollte sich nur einmal vergegenwärtigen, wie wenig weibliche Führungskräfte es gab, wie viele Nobelpreise oder andere wichtige Auszeichnungen an Frauen verliehen wurden. Verschwindend wenige. Natürlich beklagten sie sich darüber in albernen Magazinen und Talkrunden, behaupteten, dass läge nur daran, dass die Welt von Männern regiert würde. Männer seien schuld daran, dass sie weniger Aufstiegschancen hätten und deutlich weniger Gehalt bekämen. Für ihn war das der lächerliche Versuch von mangelndem Durchsetzungsvermögen und dem Wunsch nach einem bequemen Leben abzulenken. Darüber mit ihnen zu diskutieren hielt er für vollkommen überflüssig und wich sofort auf ein anderes Thema aus. Die meisten bemerkten das in ihrer Einfältigkeit nicht einmal, aber manche begannen tatsächlich mit ihm zu streiten. Sie hielten sich für ebenbürtige Gesprächspartner und das war ihm gänzlich zuwider. Wenn sie dümmlich über Gleichberechtigung redeten und behaupteten, Frauen würde nach wie vor von Männern unterdrückt. Eine war nicht einmal davor zurückgeschreckt zu behaupten, die meisten Frauen seien wesentlich intelligenter als Männer. Das hatte ihn so wütend gemacht, dass er rote Kreise vor seinen Augen gesehen hatte und er sich schwer zusammenreißen musste, dieses Miststück nicht zu packen und gegen die nächste Wand zu schleudern. So, wie sein Vater es mit der Mutter gemacht hatte, als er noch ein Kind war. Das tat er selbstverständlich nicht, er war kein Prolet, er war ein höflicher, gebildeter Mann, ein Auserwählter. Er hatte es nicht nötig, körperliche Gewalt anzuwenden. Darum war es ihm auch gelungen; sich zu beherrschen und nur zu lächeln. Das hatte sie zum Schweigen gebracht und er hoffte, sie würden verstehen, wie dumm sie daher geredet hatte. Natürlich war es ihm nicht möglich, solche Frauen mit zu sich nach Hause zu nehmen. Ihr Verhalten nahm ihm alle Lust, darum verabschiedete er sich kurze Zeit später mit einer höflichen