Wenn nichts ist, wie es scheint. Angelika Godau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika Godau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146620
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diese Warnung meine Gehirnwindungen passiert hatte, kam etwas Dunkles auf mich zugeflogen, zwei Riesenpranken legten sich rechts und links auf meine Schultern, zwei Reihen beachtlich weißer Zähne blitzten auf, und eine sehr lange, sehr feuchte Zunge wusch mir das Gesicht.

      „Das ist Elfie“, hörte ich entfernt die Stimme von Hella und war sicher, dass sie sich gerade köstlich amüsierte.

      Zwischenzeitlich war es mir gelungen, diesen Hund von der Größe eines Ponys dazu zu bewegen, seine Pfoten wieder runter auf den Boden zu stellen, ohne Alli unter einer zu begraben. Den schien der Größenunterschied nicht sonderlich zu beeindrucken, jedenfalls bemühte er sich bereits eifrig darum, Elfies Hinterteil zu erreichen, um es ausgiebig zu beschnüffeln. Leider gibt es Dinge im Leben, die auch mit ausgefeilter Technik nicht zu lösen sind, und alle seine Bemühungen endeten kurz über Elfies Knien.

      „Wie in Gottes Namen bist du auf die Idee gekommen, einen Irischen Wolfshund ausgerechnet Elfie zu nennen?“, fragte ich in die unbekannte Tiefe der Wohnung hinein, in der Hella verschwunden war.

      „Wieso nicht?“, kam von Ferne die Antwort. „Du hast es doch gerade erlebt, sie kann fliegen wie eine Elfe, darum heißt sie Elfie.“

      Zwischenzeitlich war es der Elfe offenbar aufgefallen, dass ihr neuer Verehrer sich redlich abmühte, alles Wesentliche über sie zu erfahren, ohne sonderlich erfolgreich zu sein. Einen Augenblick sah es so aus, als überlege sie angestrengt, dann knickte sie grazil ihre langen Beine ein und begab sich in Bauchlage. Alli überschlug sich fast vor Begeisterung, denn jetzt hatte er das Ziel seiner Wünsche unmittelbar vor der spitzen Dackelnase.

      „Ich hoffe deine Elfie ist nicht gerade läufig, ansonsten wäre es vielleicht besser, du kämest mal zurück, um Schlimmeres zu verhindern“, rief ich etwas unsicher, aber da stand Hella schon in der Tür und lachte: „Keine Panik, sie ist nicht heiß, ansonsten wäre es vermutlich bereits zu spät und nicht mehr zu verhindern. Tiere sind da erfinderisch, wie du siehst.“

      „Ich verstehe! Wo ein Wille ist, ist auch ein Gebüsch“, lachte ich und guckte fassungslos auf meinen sabbernden Dackel.

      „Meinst du, du kommst für eine Weile hier allein klar? Ich muss noch für zwei Stunden in die Praxis, ich kann den Urs nicht alleine lassen und mein Vater ist zurzeit am Gardasee im Urlaub“, wollte Hella wissen, aber es hörte sich nicht wirklich wie eine Frage an.

      „Na klar“, antwortete ich schnell, „das ist doch kein Problem, lass dich von mir bloß nicht stören.“

      „Tue ich nicht! Komm mit, ich zeige dir noch schnell dein Zimmer und das Bad. Gegen 19 Uhr bin ich wieder hier. Du kannst dir schon mal überlegen, was du heute Abend gern unternehmen möchtest.“

      Ich packte meine mitgebrachten Klamotten aus, ging ausgiebig duschen und legte mich dann, nur mit einem Handtuch ums Wesentliche gewickelt, auf das Bett. Dass ich einschlafen würde, damit hatte ich nicht gerechnet. Aber ich wurde tatsächlich um 19. 15 Uhr von einer lachenden Hella geweckt. Wie ertappt sprang ich auf, das Handtuch trennte sich von meinen Hüften, und ich stand splitternackt mitten im Raum.

      „Ist das ein Anmachversuch?“, fragte Hella amüsiert, anstatt peinlich berührt den Raum zu verlassen.

      „Quatsch, nein“, beeilte ich mich zu versichern, während ich nach dem Handtuch griff, um es mir erneut um die Lenden zu schlingen. „Muss an der vielen frischen Luft liegen, die macht müde. Außerdem habe ich die letzte Nacht ausgesprochen schlecht geschlafen.“

      „Schon gut, ist doch kein Ding. Worauf hast du denn jetzt Lust? Sollen wir was essen gehen, ich habe schon wieder Hunger.“

      „Können wir machen, aber vorher muss ich mit Alli raus …“ Das Klingeln von Hellas iPhone unterbrach unsere Überlegungen und ich nutzte die Chance, um mich anzuziehen. Ich hatte gerade die Jeans oben, als Hella rief: „Sorry, ich muss sofort in die Praxis, offenbar hat es schon wieder einen Hund erwischt, willst du mit?“

      „Was? Wen? Ich meine, ja klar, gerne. Kann ich Alli denn hier mit Elfie allein lassen?“

      „Sicher, warum nicht? Elfie ist durch und durch friedlich und dein Dackel wird ihr schon nichts tun. Wenn es zu lange dauert, kannst du ja zwischendurch mal nach den beiden sehen.“

      Ich lief hinter ihr her ins Wohnzimmer, warf einen Blick auf meinen Hund, der gemeinsam mit seiner neuen Flamme in einem Korb lag und schlief.

      Hella war schon aus der Haustür und ich beeilte mich, ihr zu folgen. In der Praxis war noch niemand, aber sie hatte gerade erst ihre Gummihandschuhe übergestreift, als mit quietschenden Reifen ein Auto vor der Tür hielt. Noch bevor der Motor verstummte, knallte eine Tür und eine aufgeregte Frauenstimme rief laut um Hilfe. Ich wartete nicht auf Hellas Okay, sprintete aus der Tür und half einer etwa 60-jährigen, sehr fülligen weiblichen Person einen offensichtlich kranken Hund aus dem Kofferraum zu heben. Aus der Schnauze lief Blut und reichlich Blut war auch auf der Decke, auf der er gelegen hatte.

      Auch Hella tauchte jetzt auf und dirigierte uns in ihr Behandlungszimmer.

      „Das ist Bruno, sechs Jahre alt, reinrassiger Ridgeback und bisher kerngesund“, teilte sie mit, während sie sich bereits das Stethoskop in die Ohren steckte, um den Hund abzuhören. Danach schaute sie ihm ins Maul, roch sogar daran, drückte auf Zahnfleisch, Brustkorb und Bauch und legte ihm dann schnell und geschickt eine Infusion, was der geschwächte Hund widerstandslos über sich ergehen ließ.

      „Das ist erst mal etwas zum Stabilisieren des Kreislaufs, damit er nicht kollabiert. Erzählen Sie, Frau Sänger, wo sind sie mit ihm gewesen und wie hat das angefangen?“

      „Ich war in der Stadt ein paar Besorgungen machen, danach bin ich mit Bruno noch eine Runde am Schwarzbach langgegangen. Da trifft er immer viele von seinen Freunden, aber heute war kaum jemand unterwegs. Ich habe nicht gesehen, dass irgendwas passiert wäre oder so, aber plötzlich hat er ganz laut aufgeschrien und wollte nicht weiterlaufen. Ich habe gedacht, er hätte sich vielleicht was verstaucht oder wäre in eine Scherbe getreten, also habe ich seine Beine und die Pfoten untersucht, aber nichts finden können. Dann hatte er plötzlich Blut an der Schnauze und ich dachte, er hätte sich da vielleicht draufgebissen, weil er sich erschreckt hat. Wissen Sie, er ist ja auch so sensibel, erschrickt sich schnell und …“ Frau Sänger verstummte, dicke Tränen liefen über ihre Wangen und sie schniefte vernehmlich.

      Hella nickte und lächelte ihr auffordernd zu. „Sie haben alles richtig gemacht, wie ging es weiter?“

      „Wie es weiterging? Nun, er ist dann erst normal gelaufen, es war ja auch nicht mehr weit, aber gerade als wir mein Auto erreicht hatten, fing er mit diesen komischen Geräuschen an. Ich dachte er hustet, aber irgendwie war das anders und dann kam richtig viel Blut aus seiner Schnauze. Ich habe ihn darum schnell in den Kofferraum gehoben, was gar nicht so einfach war und Sie dann sofort angerufen.“

      „Haben Sie vielleicht beobachtet, dass er irgendwas vom Boden aufgenommen hat?“

      „Aufgenommen? Sie meinen, gefressen? Nein, ist mir nicht aufgefallen, aber Sie wissen ja wie Hunde so sind, die finden immer was. Und viele Leute füttern da auch die Enten, also liegt da oft Brot oder so was. Das will er immer haben, könnte also schon sein. Ach Gottchen, ich hätte besser aufpassen müssen, ich weiß, aber mein Mann hat mich angerufen und ich habe mit …“

      „Gut, ich gebe Bruno jetzt erst einmal etwas zum Schlafen, denn ich muss ihn röntgen, es könnte sein, dass er etwas verschluckt hat, was die Blutung verursacht.“

      In diesem Augenblick wurde sie von Bruno unterbrochen, der seinen Mageninhalt in einem Schwall auf den Tisch entleerte. Hella nahm einen hölzernen Spatel und begann das Ergebnis zu untersuchen.

      „Hm, wann hat er das letzte Mal Futter bekommen? Oha, was ist das? Ja, habe ich mir gedacht, jetzt können wir nicht mehr warten, ich werde operieren müssen. Sie drehte sich um, zog eine Schublade auf und entnahm ihr eine lange Pinzette. Damit zog sie etwas aus dem Erbrochenen hervor und hielt es hoch. „Ein abgebrochenes Cuttermesser, wer weiß, was das angerichtet hat und ob da nicht noch mehr ist.“

      Brunos