Wenn nichts ist, wie es scheint. Angelika Godau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika Godau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146620
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Aber du kannst mir glauben, wenn du deinen Hund sterben siehst, nur weil du nicht aufgepasst hast, dann werden dich später deine Schuldgefühle nicht schlafen lassen. Also, sei nicht beleidigt, sondern tu, was ich dir sage.“

      Bevor ich etwas erwidern konnte, kam die Bedienung mit Wurstsalat und Bratkartoffeln, und wir vertieften uns eine Weile schweigend in unser Essen. Natürlich versuchte Alli etwas abzustauben, hüpfte, tanzte und fiepte, das volle Programm. Da alle seine Bemühungen von Hella ignoriert wurden, traute ich mich auch nicht, ihm etwas runterzureichen. Ihre Worte hatten mich verunsichert.

      „Also, wenn du gern einen so aufdringlich bettelnden Hund hast, darfst du ihm natürlich was von deinem Essen abgeben, das ist kein Problem. Ich meine, abgesehen davon, dass stark gewürzter Wurstsalat ungesund für ihn ist“, unterbrach Hella grinsend meine Überlegungen.

      „Nee, lass mal, ist schon gut, er frisst ja auch viel lieber Saumagen“, erwiderte ich, bemüht nicht beleidigt zu klingen.

      Allis Ernährung war tatsächlich oft, na, sagen wir mal, suboptimal. Darüber hatte es schon so manchen Disput mit Tabea und Wiebke gegeben. Vor allen Dingen im Sommer bekam er oftmals Dinge, die er besser nicht bekommen sollte. Saumagen zum Beispiel. Da er ihn bisher aber immer gut vertragen hatte, ihm auch Pommes und Leberknödel keine Probleme zu bereiten schienen, hatte ich nie die Notwendigkeit gesehen, ihm diese Vergnügen zu verwehren. Schließlich war auch er ein Pfälzer, die brauchen das zum Leben. Als wir dann fast gleichzeitig unser Besteck auf den Teller legten, begriff auch mein Hund, dass er leer ausgehen würde und stimmte ein enttäuschtes Wuhuhuuuuu an. Er war ernsthaft empört. Das kannte er nicht von mir. Zumindest eine Kleinigkeit bekam er immer ab.

      Hella sah verblüfft auf den schimpfenden Dackel und schüttelte amüsiert den Kopf. „Na, der hat dich aber wirklich gut erzogen. Gib’s zu, du hast jetzt ein mega schlechtes Gewissen.“ Sie wartete ab, bis ich zustimmend genickt hatte, dann sagte sie: „Hunde sind aber nun mal keine Menschen. Wenn es um Futter geht, sieht jeder zu, dass er das, was er hat, auf dem schnellsten Weg in den eigenen Magen befördert. Teilen ist da nicht vorgesehen, außer bei Elterntieren ihren Welpen gegenüber. Hast du mal versucht, deinem Hund einen Knochen wegzunehmen?“

      „Was? Nee, nur ein Ohr. Wieso, ich meine, warum sollte ich? Ich nehme ihm nichts weg, was er hat, das gehört ihm.“

      „Und wenn es etwas Ungenießbares ist? Giftig oder gespickt mit Glasscherben, was dann? Darf er es dann auch behalten, weil es ihm gehört und du ihm nichts wegnehmen möchtest?“

      „Jetzt hör aber auf, das ist doch Quatsch. Es gibt einen Unterschied zwischen einem Knochen, den ich ihm gegeben habe und Gift oder so was …“

      „Ja, für dich gibt es den, aber für deinen Hund doch nicht. Der würde energisch protestieren, möglicherweise unter Einsatz seiner Zähne. Er weiß nicht, dass es zu seinem Schutz ist. So was muss trainiert werden, Detlev. Echt, mag sein, dass du mich für übervorsichtig, hysterisch, oder für schlicht bekloppt hältst, aber glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Ich sehe es in meiner Praxis einfach zu oft, was passiert, wenn Hunde elementare Dinge nicht lernen. Und im Augenblick bin ich zusätzlich ausgesprochen sensibilisiert. So, jetzt müssen wir fahren, ich will Elfie nicht so lange allein lassen.“

      Ich kam nicht dazu, sie zu fragen, wer Elfie war; sie stand schon auf und eilte auf den Parkplatz zu. Als ich sie kurz vor meinem Porsche erreichte, sah ich, dass sie wieder geweint hatte und legte schnell meinen Arm und ihre Schultern. Sie wehrte ab und sagte gewollt burschikos: „Lass gut sein, ich entwickele mich noch zur Heulsuse, aber Nele war so ein quicklebendiger, junger und zu allen freundlicher Hund. Dieses kranke Miststück hat keine Ahnung, was es da anrichtet.“

      „Vielleicht doch“, überlegte ich laut. „Vielleicht ist es genau das, was der will. Vielleicht geht es ihm gar nicht in erster Linie um die Hunde, vielleicht geht es ihm um die Halter. Um deren Trauer und deren Schmerz. Was, wenn der Typ geplant vorgeht? Also genau weiß, wer, wann, mit welchem Hund wo langgeht und danach seine Köder verteilt?“

      „Unwahrscheinlich“ antwortete Hella langsam. „Gerade in der Rosengartenstraße, der Wittelsbacher Allee, also rund um die Rennbahn, sind jeden Tag unzählige Hundehalter mit ihren Vierbeinern unterwegs, da ist es reiner Zufall, wen es trifft.“

      „Kann sein, aber was, wenn er zum Beispiel genau weiß, dass gewisse Leute immer sehr früh morgens, oder aber spät abends diese Wege gehen? Würde das die Menge nicht deutlich einschränken? Ich meine, er nimmt einfach ein paar tote Hunde in Kauf, um sein eigentliches Opfer zu treffen, sozusagen als Kollateralschaden. Könnte das sein? Wann bist du denn immer mit Nele gegangen?“

      Ich sah Hella an, dass es in ihrem Kopf ratterte. Dann zuckte sie die Schultern und sagte: „Na ja, es stimmt schon, ich bin immer, also zumindest unter der Woche, Punkt halb sieben mit Nele gelaufen. Sie brauchte Bewegung, um dann bis zu meiner Mittagspause schlafen zu können. Mittags habe ich sie nur im Garten rumtoben lassen, und nach Praxisschluss bin ich meist rausgefahren, damit sie nicht immer die gleichen Wege laufen musste. Es wäre also schon möglich, dass mich jemand beobachtet hat. Ich meine, falls deine Theorie stimmt und es sich um einen Racheakt am Halter handelt und es nicht einfach ein ganz gewöhnlicher Irrer ist, der Hunde hasst.“

      „Da wir es nicht besser wissen, nehmen wir es erst mal als Arbeitshypothese und dann sehen wir weiter. Hast du unter deinen Patienten vielleicht jemanden, der dir nicht wohlgesonnen ist, mit deiner Behandlung unzufrieden war, dir Rache geschworen hat oder so was?“

      „Na ja, es kommt natürlich schon mal vor, dass Patienten glauben, ich hätte einen Fehler gemacht und es kommt auch vor, dass ich tatsächlich Fehler mache, aber Rache geschworen hat mir deswegen noch keiner. In letzter Zeit gab es auch keine dramatischen Behandlungen oder so was, außer die beiden Hunde, die ich wegen aufgenommener Giftköder behandelt und verloren habe.“

      „Sind beide gestorben? Wie haben die Besitzer es aufgenommen?“

      „Ja, Keks, ein Jack Russel, war schon tot, als er gebracht wurde. Die Besitzer waren geschockt, haben mich gebeten, ihnen einen Tierbestatter zu nennen, das war’s. Wir haben uns völlig normal unterhalten, sie wussten auch, dass ich meine Nele verloren hatte und wir haben uns gegenseitig getröstet. Der zweite Fall, ein Mischling namens Micky, hat noch gelebt, starb aber, bevor ich mit meiner Untersuchung fertig war. Er muss den Köder am späten Abend aufgenommen haben. Die Halter sind schlafen gegangen und haben erst am Morgen bemerkt, dass mit ihrem Hund was nicht stimmt. Sie riefen gegen halb sechs an. Ich bin sofort in die Praxis gefahren und fast gleichzeitig mit ihnen dort eingetroffen. Micky blutete aus Fang und Anus und war ohne Bewusstsein. Es war einfach zu spät. Da war vor allen Dingen die Frau sehr verzweifelt und hat sich lange nicht beruhigen lassen, aber auch sie hat mir keiner Vorwürfe gemacht.“

      „Hm, in welchem Zeitraum sind diese Hunde verstorben, also auch deiner?“

      „Das war alles in der vorletzten Woche … warte mal, also, Nele ist am siebten August am frühen Nachmittag gestorben. Ich bin sicher, sie hat diesen Scheißköder bei unserem morgendlichen Gassigang aufgenommen. Sie war anschließend bis zum Mittag allein im Haus und als ich kam … na ja, es war zu spät, ich will dir das nicht alles im Detail erzählen. Keks kam dann genau eine Woche später und Micky am nächsten Tag. Die beiden könnten also tatsächlich einen zeitlichen Zusammenhang haben, Nele eher nicht. Ich kann mir nämlich kaum vorstellen, dass innerhalb einer Woche kein einziger Hund weitere, dort versteckte Köder gefunden hat.“

      „Könnte es nicht sein, dass du nur nichts davon weißt? Ich meine, es gibt doch sicher noch andere Tierärzte hier in Zweibrücken?“

      „Ja, das stimmt natürlich, ich weiß von mehreren Hunden, aber nach zeitlichen Zusammenhängen müsste ich meine Kollegen noch mal befragen. Das dürfte kein Problem sein, auch, ob es auffällig viele tote Krähen gegeben hat, werde ich fragen, denn die könnten ebenfalls was von dem Zeug aufgenommen haben, sind ja Allesfresser. Aber jetzt lass uns bitte erst mal fahren, sonst wird Elfie sauer.“

      Hella wohnte in unmittelbarer Nähe der Praxis in der Erdgeschosswohnung eines Zweifamilienhauses. Ich parkte auf ihre Anweisung hin erneut vor der Praxis und wir gingen die wenigen Schritte zu Fuß.