Wenn nichts ist, wie es scheint. Angelika Godau. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Angelika Godau
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146620
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zurück und klingelte an der Praxis. Der Summer öffnete mir und aus dem hinteren Teil kam schnell eine attraktive Frau gelaufen.

      „Deti? Ach, wunderbar, dass du da bist. Hast du schon etwas gegessen? Wie war die Fahrt? Hast du es gleich gefunden? Oh, ist das dein Hund? Der ist ja knuffig, wie heißt er denn?“

      Erschlagen von so vielen Fragen auf einmal, blieb ich stehen und überlegte, wo ich mit den Antworten anfangen sollte.

      „Ich weiß, ich weiß, ich rede zu viel“, kam mir Hella zuvor und lachte über meinen verwirrten Gesichtsausdruck. „Das legt sich, mach dir keine Sorge, ist nur am Anfang so, wenn ich noch etwas nervös bin. Also, schön dass du, äh, dass ihr da seid, herzlich willkommen.“

      „Hallo Hella“, sagte ich, beugte mich vor, um sie rechts und links mit Küsschen auf die Wange zu begrüßen. „Das ist Alli, mein Dackel. Alli, das ist Hella, eine alte Schulfreundin von mir“, alberte ich, um die befangene Stimmung etwas aufzulockern. „Hallo Alli“, spielte sie mit, „freut mich, dich kennenzulernen, aber das ‚alte‘ nehme ich deinem Herrchen übel. Ist der immer so uncharmant?“

      „Frag mal meine Freundin“, nickte ich resigniert, „auch wenn ich das jetzt wirklich nicht wörtlich gemeint habe, das mit dem alt.“

      „Schon klar, habe ich auch nicht so aufgefasst. Also, hast du schon was gegessen? Vorschlag, wir gehen irgendwo hin, wo man draußen sitzen kann, essen eine Kleinigkeit und ich erzähle dir alles, was du wissen musst.“

      „Einverstanden“, stimmte ich zu, „vorher müsste ich mir aber noch ein Hotel suchen. Ich bin jetzt erst einmal auf direktem Weg zu dir gefahren.“

      „Du brauchst kein Hotel, ich habe ein Gästezimmer, in dem kannst du wohnen und Alli passt da auch noch rein.“

      „Perfekt, wenn das kein Problem für dich ist, ich hasse Hotels.“

      Eine viertel Stunde später saßen wir in Valentins Biergarten - in der Nähe der Rennbahn - und unterhielten uns angeregt. Die anfängliche Befangenheit war verflogen, wir frischten Erinnerungen auf, lachten über lange zurückliegende Ereignisse, dann wurde Hella ernst und kam auf den Grund meines Hierseins.

      „Wie ich schon gesagt habe, macht seit einiger Zeit ein Hundehasser unsere Stadt unsicher, die ansonsten eher für Rosen und Pferde bekannt ist, als für Tierquälerei“, begann sie. „Mehrere Hunde sind bereits unter Qualen gestorben und weitere schwer verletzt worden. Alle Tierärzte der Stadt und der Umgebung sind in Alarmbereitschaft, jederzeit darauf vorbereitet, erneut ein Opfer dieses Irren behandeln zu müssen. Natürlich ist mehrfach Anzeige gegen Unbekannt erstattet worden und sowohl die Rheinpfalz als auch der Pfälzische Merkur haben ausführlich berichtet und Hundehalter gewarnt, aber es vergeht keine Woche ohne mindestens ein neues Opfer. Es ist einfach furchtbar.“ Hella hatte Tränen in den Augen und als sie bemerkte, dass ich sie verwundert ansah, nickte sie und sagte: „Meinen eigenen Hund konnte ich auch nicht retten, er gehörte zu den allerersten Opfern. Nele, ein Labrador, gerade mal ein Jahr alt.“ Sie griff nach ihrem Bierkrug, nahm einen tiefen Schluck, stellte ihn heftig zurück auf den Tisch und wischte sich mit einer energischen Geste die Tränen weg, die jetzt über ihre Wangen liefen. Danach stieß sie aus tiefem Herzen hervor: „Verdammte Scheiße, dieses verfickte Arschloch muss zur Rechenschaft gezogen werden!“

      „Sehe ich auch so“, stimmte ich zu. „Ich könnte kotzen bei der Vorstellung, was die Tiere gelitten haben müssen. Ich glaube, wenn Alli durch so einem Schwein etwas passieren würde, ich wäre zu einem Mord fähig.“

      „Das würde vielleicht etwas zu weit gehen“, lächelt Hella, wurde aber gleich darauf wieder ernst. „Die Polizei ist informiert, aber was kann die schon tun? Die können nicht hinter jeden Baum einen Beamten stellen. Bisher wissen wir nicht einmal, ob der Typ die Köder nicht einfach aus dem Auto wirft, oder vom Fahrrad schmeißt. Im Grunde genommen wissen wir gar nichts, außer, dass es Hackfleischbällchen sind, die er mit diversen Gemeinheiten präpariert. Neben Rattengift, Cuttermessern und Glasscherben haben wir bislang Nägel und Krampen gefunden. Zwei Hunde, bei denen es so aussah, als wären sie gerettet, starben im Nachhinein an inneren Blutungen, ausgelöst durch untemperiertes Glas. Das siehst du manchmal auf dem Röntgenbild nicht. Der Dreckskerl geht auf Nummer sicher; der will, dass die Hunde daran sterben.“

      „Gibt es irgendeinen Hinweis darauf, dass es ein Mann ist“, wollte ich wissen, „oder ist das nur eine Vermutung?“

      „Bauchgefühl, vielleicht auch Instinkt oder schlicht Vorurteile“, erwiderte Hella. „Niemand weiß es. Es könnte genauso gut eine Frau sein, auch wenn ich das einfach nicht glauben will.“

      „Na ja“, widersprach ich, „Frauen können ganz schön brutal sein, das kannst du mir glauben. Ich habe davon in letzter Zeit eine Menge kennenlernen dürfen. Gehen wir also davon aus, dass wir keine Ahnung haben, ob der Täter männlich oder weiblich ist. Einverstanden?“

      „Ja, sicher“ nickte sie und nahm erneut einen tiefen Schluck. „Was wir wissen ist, er oder sie scheint bestimmte Tage und bestimmte Wege zu bevorzugen. Bisher wurden Köder ausschließlich in der Innenstadt, also rund um den Rosengarten, den Exe und die Rennbahn gefunden. Bis auf eine Ausnahme, da sah es so aus, als hätte der Hund es in Homburg aufgenommen. Das Tier hat überlebt, und bei der Operation wurde eine Rasierklinge gefunden, die seinen Darm perforiert hatte, sonst nichts. Es könnte also gut sein, dass es sich nicht um den gleichen Täter gehandelt hat.“

      „Du meinst, es laufen gleich mehrere derart kranke Typen hier rum?“, fragte ich konsterniert und Hella nickte.

      „Ich weiß ja nicht, wie deine Erfahrungen so sind, aber ich persönlich bin der Meinung, dass die Menschheit immer verrückter wird. Keine Ahnung, warum, aber es vergeht doch kaum ein Tag ohne eine solche Giftköderwarnung. Ich meine, klar, viele Menschen tun alles für ihre Haustiere, Es sind Familienmitglieder, die gehegt und gepflegt werden, um die man sich liebevoll kümmert. Das ist okay, und manche tun auch zu viel des Guten. Sie vermenschlichen ihre Tiere derart, dass es schon fast tierschutzrelevant ist. Hunden wird das Fell gefärbt, man lackiert ihnen die Krallen, besprüht sie mit Parfüm und trägt sie in der Handtasche spazieren, damit sie nur ja nichts tun, was Hunde nun mal tun. Das ist das eine Extrem, und dann gibt es die, die Hunde hassen und sie mit präparierten Ködern aller Art vernichten wollen oder Katzen mit Luftgewehren abknallen, weil sie vielleicht ihr Geschäft in ihrem Garten verrichtet haben. Extreme natürlich, aber sie nehmen zu, auf beiden Seiten. Wie sieht es aus, nimmt Alli Fressbares vom Boden auf oder Leckerchen von Fremden?“

      „Äh, beides, würde ich sagen. Er ist unglaublich verfressen, wird bei meiner Familie oft von Gästen gefüttert, und wenn er unterwegs einen stinkenden Knochen findet, sagt er auch nicht nein“, lachte ich. „Du wirst es nicht glauben, aber einmal hat er sogar ein menschliches Ohr gefunden und ich hatte echt Mühe, ihm das wieder aus den Zähnen zu ziehen.“ (Im Wingert lauert der Tod)

      Hella schüttelte ungehalten den Kopf.

      „Das ist überhaupt nicht witzig, weißt du das nicht? Genau das ist der Grund, warum so viele Hunde an diesen Scheißködern sterben. Ein Hund muss lernen, so etwas anzuzeigen, aber nicht zu fressen.“

      „Nicht zu fressen?“, wiederholte ich ungläubig. „Wie soll ich ihn denn daran hindern? Außerdem … hast du mir nicht erzählt, dass auch dein eigener Hund … ich meine …“

      „Ja, leider und darum ist es mir auch so ernst damit. Nele war noch jung und sie war ein Labbi. Verfressen ohne Ende, aber auch verspielt und unglaublich neugierig. Ich habe mit ihr trainiert, unterwegs nichts aufzunehmen, was ich nicht freigegeben habe, aber, nun ja, es roch wohl einfach zu verlockend. Es ist meine Schuld, ich hätte besser aufpassen müssen, aber dein Alli lebt noch, und du musst das trainieren, unbedingt. Ich werde dir heute Abend zeigen, wie das geht und dann müsst ihr das üben. Jeden Tag, an vielen verschiedenen Orten und dann muss das aufhören, dass wildfremde Leute ihn füttern, das geht einfach gar nicht.“

      „Aha“, sagte ich, leicht angefressen, weil sie mir vorschreiben wollte, wie ich meinen Hund zu behandeln hatte. Passte mir gar nicht, schließlich hatte sie mich hergebeten, um ihr zu helfen,