Herzstolpern. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753192536
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habe keine Ahnung, warum ich nicht auf ein Internat will, denn hier zu Hause ist es auch unerträglich. In der Schule habe ich das Gefühl, dass ich ersticke. Ich bin nicht dumm. Ich sehe, dass es meinen Mitschülern nicht so geht. Also stimmt irgendwas nicht mit mir, das ist schon klar. Ich bezweifle aber, dass der Besuch eines Internats mir eine befriedigende Antwort geben wird.

      „Herrgott, Liz! Dann bleibt uns nur noch eine Institution für schwererziehbare Kinder.“ Mit einem Ruck dreht sich Dad um, das Gesicht unendlich traurig, der Blick dennoch hart. Und ich weiß in dem Moment, es ist sein Ernst.

      Plötzlich höre ich das Blut in meinen Ohren rauschen.

      „Nein.“ Mums Stimme bettelt förmlich und das tut sie sonst nie bei Dad. „Ich könnte nochmal mit ihrem Klassenlehrer reden.“

      Fast bin ich gewillt, hinunter zu laufen und ihnen zu sagen, dass ich mich bessern werde. Meine Füße wollen nur nicht gehorchen, denn ich weiß ganz genau, dass ich nichts versprechen kann, was ich am Ende nicht halte.

      „Ich kann nicht mehr, Liz!“, schreit mein Vater sie jetzt an. „Ein Schulverweis! Weißt du, was das heißt? Nicht, dass sie Nachsitzen muss, oder mal für ein, zwei Wochen nicht kommen darf. Das heißt, dass wir uns sowieso eine scheißneue Schule suchen müssen, auf die Madame Mir-ist-so-langweilig sowieso nicht geht. Sollten wir uns da nicht langsam professionelle Hilfe suchen?“

      „Das sollten wir. Das sollten wir wirklich…“ Sie spricht mit tränenerstickter Stimme. Gleich fängt sie richtig zu weinen an und Dad wird sie anschreien, dass ihr Rumgeheule auch nichts bringt. Idyllisches Familienleben eben. Ich mag es nicht, wenn sie sich meinetwegen streiten, aber das ist besser, als die Gleichgültigkeit, mit der sie sich sonst begegnen.

      „Dann lass es mich endlich tun. Lass mich einen Platz für sie suchen.“

      Ich setze mich auf die Treppenstufe, weil mich meine Beine nicht mehr tragen wollen. Sie fühlen sich an wie das Johannisbeergelee von Hartleys.

      Ein wenig ist es wie mit einem unartigen Welpen, den seine Familie nicht mehr will, weil er einmal zu viel auf den teuren Perserteppich gepinkelt hat. Aber statt selbst in eine Hundeschule mit ihm zu gehen, wird er einfach ins Tierheim abgeschoben, wo sich ein anderer mit seinen Marotten herumschlagen kann.

      „Ich werde mir etwas überlegen, Brian“, sagt Mum weinerlich.

      Fast hoffe ich, dass sie irgendeinen Weg findet, herauszubekommen, warum ich so bin, wie ich bin. Ich weiß es ja selbst nicht. Aber ich bezweifle, dass sie sich viel Mühe geben wird. So ist das eben nicht zwischen Mum und mir.

      „Dann heul hier nicht rum, sondern unternimm etwas“, knurrt Dad, dann stapft er wütend in sein Arbeitszimmer und knallt die Tür hinter sich zu.

      Lauren

      

      Die Mädchenclique am Nebentisch lacht eine Spur zu laut, was sich fast wie hysterisches Gackern auf einem Hühnerhof anhört. Aber das ist bei einem Junggesellinnenabschied auch nicht weiter verwunderlich. Der Abend ist noch jung, was bedeutet, dass dieses Pub vermutlich die erste Station ist.

      „Die haben aber schon ordentlich getankt“, grinst Izzy, während sie mit dem Daumen auf die Gruppe aus pinkgekleideten Frauen deutet. Der Braut – zu erkennen an dem dickgedruckten ‚Ich bin die Braut, hier dreht sich alles um mich!‘ auf ihrem Shirt – hängt bereits ihr Krönchen schief, während sie sich ein Glas Prosecco genehmigt.

      Ich bringe nur ein schiefes Lächeln zustande. Die Party, die neben uns im Gange ist, macht mir Probleme, ich fühle mich unwohl. Ich drehe mein Glas Ginger Ale hin und her und bezwinge den Drang aufzuspringen und zu gehen nur mit Mühe.

      Anfangs hatte ich nur eine unbestimmte Angst davor, krank zu sein. Irgendetwas Schlimmes, an dem ich bestimmt sterben muss. Mittlerweile ist die Liste meiner Ängste so lang, dass es mir mühsam ist, sie aufzuzählen. Die Angst vor Menschenmengen gehört definitiv dazu und ein übervolles Pub an einem Freitagabend ist nicht eben leer.

      „Wir könnten uns in den Garten setzen und aufs Meer raus gucken“, schlage ich deswegen zum wiederholten Mal vor. Das war doch ursprünglich mein Plan. Was ist denn aus dem geworden?

      Die Jungesellinnen fangen an, mit dem Barkeeper in voller Lautstärke zu flirten und anzügliche Witze zu machen. Der arme Kerl ist schon schamesrot im Gesicht – obwohl er als Barkeeper doch so einiges gewohnt sein müsste – und windet sich wie ein Aal.

      „Nö, lass uns doch lieber da bleiben.“ Izzy grinst und lehnt sich entspannt zurück. Ihre kobaltblauen Augen blitzen schelmisch, während sie genüsslich die Szene betrachtet, die sich uns bietet. „Das ist besser als Kino.“

      Mir tut der Barkeeper leid. Er ist groß, breitschultrig und sieht insgesamt nicht so aus, als wenn er sich nicht wehren könnte. Nun ja, vielleicht könnte er bei randalierenden Gästen problemlos einschreiten, aber mit einer Horde wildgewordener Frauen ist er hilflos überfordert.

      „Wir fahren später noch nach Old Town. Kommst du mit?“, fragt eine hübsche Blondine, die ihre ausladende Oberweite förmlich über den Tresen auf ihn zu schiebt.

      „Tut mir leid, ich bin hier beschäftigt. Wer soll denn sonst die Gäste bedienen?“, antwortet der Barkeeper, dessen Gesichtsfarbe sich immer mehr seinen roten Haaren angleicht. Seinen Blick kann er trotzdem nicht von den üppigen Brüsten auf dem Tresen abwenden, die fast das pinke T-Shirt sprengen.

      „Und wer soll mich heute bedienen?“, schnurrt die Blondine, dabei klimpert sie mit den extrem langen, falschen Wimpern.

      Oh Gott, wie billig, denke ich angewidert, dann weiß ich nicht, welcher Teufel mich reitet, aber ich schiebe meinen Stuhl zurück und stehe auf. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, doch darüber denke ich gar nicht weiter nach. Ich will mich gerade neben der Blondine an den gutbesetzten Tresen schieben, um noch ein Ginger Ale zu ordern – obwohl meines noch nicht annähernd ausgetrunken ist -, da schiebt ein anderer Barkeeper seinen Kollegen beiseite.

      „Liam, wir brauchen noch von dem Merlot“, ruft er ihm zu. „Könntest du in den Keller gehen und noch ein paar Flaschen hochholen?“

      Liam fährt sich über das rote Haar, das er zu einem hohen Dutt am Hinterkopf zusammengefasst hat, nickt und verschwindet sichtlich erleichtert.

      „Mh… Frischfleisch, Mädels.“ Die Blondine lacht, auch ihre Freundinnen gackern wieder hysterisch. Liams Retter wird von oben bis unten betrachtet und für gut befunden.

      „Na, du bist aber auch nicht schlecht.“

      „Vielleicht sogar ein bisschen süßer als dein Kollege.“

      Da muss ich den Mädels wirklich Recht geben. Der Typ ist wirklich extrem gutaussehend mit seinen schwarzen kurzen Haaren, die nicht – wie bei so vielen – auf ein paar Millimeter abrasiert sind, sondern modisch hochgegelt abstehen. Er ist nicht ganz so groß wie Liam, aber schlank und sportlich mit fein definierten Muskeln, die sich unter seinem Shirt abzeichnen.

      Warum ich nicht einfach umdrehe, um mich still und leise wieder zu setzen, weiß ich nicht. Ich spüre Izzys Blick in meinem Rücken und kann mir vorstellen, wie sie verwundert eine Augenbraue hebt. Mit klopfendem Herzen schiebe ich mich zwischen die Blondine und die zukünftige Braut und fange einen Blick von dem Barkeeper auf. Für den Bruchteil einer Sekunde rollt er gespielt genervt die Augen und ich habe das Gefühl, als würde er mir danach zuzwinkern, aber das ist sicher nur Einbildung.

      Die üppige Blonde schiebt mich ein wenig beiseite, um besser mit dem neuen Barkeeper flirten zu können. Ich protestiere nicht. Vor Aufregung würde ich sowieso kein Wort herausbringen. Was mache ich eigentlich hier? Mein Ginger Ale wartet doch am Tisch auf mich.

      „Nun gut, dann wirst du mich eben zufriedenstellen müssen.“ Die Stimme der blonden Partymaus ist eine einzige Einladung – tief, gurrend, verlockend.

      „Ich glaube, ich sollte erstmal