Herzstolpern. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753192536
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warst schon ewig nicht mehr bei mir, denn dazu müsstest du ja Bus und Bahn fahren oder in dein Auto steigen.“

      „Ich fahre Auto!“ Triumphierend hebe ich den Zeigefinger in die Luft. „Ich bin regelmäßig bei Heather im Büro.“

      Zufrieden sehe ich Izzy an, muss aber feststellen, dass sie wieder nur den Kopf schüttelt.

      „Du triffst Heather nur, wenn es sich per Email nicht erledigen lässt. Was äußerst selten der Fall ist. Wann hast du sie das letzte Mal gesehen?“

      Ich muss nachdenken, was ja tendenziell eher schlecht ist. Es kann sein, dass es ein Weilchen her ist, da ich bei meiner Lektorin war. Genaugenommen drei Monate, als mein neuestes Buch fertiggestellt war und sie mit mir Vorschläge für das Cover durchgehen wollte. Außerdem ist mein Verlag in Leith, was bedeutet, dass ich nicht weit fahren muss. Schweiß rinnt mir den Rücken hinab, als ich daran denke, wie ich vor gut drei Monaten das letzte Mal in meinen Vauxhall Corsa gestiegen bin und mein Atem beschleunigt sich allein bei der Vorstellung, es wieder tun zu müssen.

      Ich knabbere verlegen an meiner Unterlippe herum und sage gar nichts.

      „Bis nach Leith ist es ja nicht allzu weit. Aber wann warst du das letzte Mal bei mir in North Berwick?“

      „Warum musstest du mit Rory auch so weit weg ziehen?“, antworte ich mit einer Gegenfrage, dabei ziehe ich einen Schmollmund.

      „So weit ist eine Autofahrt von einer Stunde nun wirklich nicht. Aber darum geht es doch auch gar nicht. Dieses Haus ist wie ein Gefängnis, Lauren. Zugegeben, ein recht nettes Gefängnis. Aber du kannst nicht dein ganzes Leben nur hier verbringen.“

      „Ich weiß“, flüstere ich leise und umfasse meinen heißen Becher mit beiden Händen, als könne ich mich an der trostspendenden Wärme festhalten. „Ich war heute bei Dr. Walker.“

      Izzy ist wenig überrascht. Schließlich gehören die Besuche bei Dr. Walker zu meiner Routine und Izzy, als meine beste Freundin – und wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, meine einzige noch verbliebene – kennt mich sehr genau.

      „Lass mich raten… Er hat dir zum wiederholten Male bestätigt, dass du kerngesund bist und nichts weiter getan.“

      Ich grummele irgendwas zwischen Zustimmung und Verneinung und senke den Kopf, um an meinem Tee zu schnuppern. Er riecht irgendwie tröstlich.

      „Wie oft soll er dir noch sagen, dass du nichts hast?“ Izzy beugt sich über den abgenutzten Holztisch zu mir hinüber und legt ihre Hand auf meine. „Dir fehlt nichts.“

      Ich blicke zu ihr auf, weiß nicht so genau, was ich empfinden soll. Einerseits steigt Wut wie ein roter Feuerball in mir hoch. Ob auf Izzy oder auf mich selbst kann ich nicht so genau sagen. Andererseits will ich gerne an ihrer Aussage herumkritisieren, aber mir ist selbst klar, dass sie Recht hat. Also überwiegt das bleierne Gefühl der Trauer, das mich so oft umgibt, wenn ich darüber nachdenke, wie ich seit nun fast einem Jahr lebe und es breitet sich rasend schnell in meinem Körper aus und legt sich auf meinen Brustkorb, der sich plötzlich seltsam schwer anfühlt und ich merke kaum, wie mir Tränen in die Augen treten.

      „Lass uns rausgehen“, bettelt Izzy wenig später, während ich mir geräuschvoll die Nase putze.

      Vermutlich ist sie leuchtend rot von meinen wiederholten Bemühungen, sie endlich wieder frei zu bekommen. Was ich am Heulen am Meisten hasse, ist nicht, dass meine Nase nicht mehr hübsch aussieht, denn das tut dieser Zinken ähnlich einer Skiabschussrampe ohnehin in meinen Augen nie, sondern dass sie so schrecklich verstopft ist, dass ich gezwungenermaßen durch den Mund atmen muss. Und zwar nur durch den Mund.

      In der dritten Klasse hat uns unser Klassenlehrer, Mr. MacGillivray, erklärt, dass das Herz doppelt so viel arbeiten muss, wenn man durch den Mund einatmet und man es dadurch dauerhaft schädigt. Ich habe nur sehr wenig behalten, was dieser Mann mir beigebracht hat, denn ich konnte ihn nicht besonders leiden, aber genau das habe ich mir gemerkt und obwohl ich mir nie die Mühe gemacht habe, nachzulesen, ob er Recht hatte, schiebe ich jetzt immer Panik, wenn ich nur durch den Mund atmen kann. Dass die Schleimhäute durch das wiederholte Schnäuzen nur weiter gereizt werden, ignoriere ich komplett.

      „Ich kann nicht“, antworte ich mit näselnder Stimme.

      Izzy zieht einen Schmollmund, der jeden Mann um den Verstand bringen würde. Einen guten Mann hat sie sich damit schon eingefangen: ihren Ehemann Rory. Das könnte aber auch daran liegen, dass sie insgesamt einfach umwerfend aussieht und dazu noch unkompliziert und nett ist – eine seltene Kombination.

      „Natürlich kannst du das. Komm, wir gehen was trinken.“

      „Rory wird dich vermissen“, protestiere ich schwach, woraufhin Izzy nur lacht.

      „Der ist heute bei seinen Eltern, und ich bin heilfroh, wenn ich nicht mitkommen muss. Es reicht schon, wenn sie ihn um den Verstand bringen, ich will meinen noch behalten.“

      Ich bringe ein schwaches Grinsen zustande.

      „Vermutlich sehe ich nicht präsentabel aus.“

      Izzy zuckt mit den Schultern.

      „Die Ausrede gilt nicht, dagegen kannst du nämlich was tun.“

      Ich blase die Backen auf und lasse geräuschvoll die Luft entweichen. Die Vorstellung in ein Pub zu gehen ist nicht gerade verlockend und lässt meine Handflächen bereits wieder feucht werden. Schlechte Luft, viele Menschen, Alkohol…

      „Bitte!“, bettelt Izzy mit ihrem besten Dackelblick. „Wir könnten doch nur auf einen Sprung ins Piratenpub gehen.“

      Das Piratenpub heißt eigentlich The Dalriada, aber mit Sicherheit sind Izzy und ich nicht die einzigen, die es nach ihrem Eyecatcher benennen. Es liegt am Strand von Portobello und eine riesige Piratenfigur steht an der Eingangstür. Wäre es Jack Sparrow, würde ich sie eines Nachts heimlich klauen und mit nach Hause schleppen, auch wenn das ein ziemlich schweres Unterfangen wäre.

      Ich nage ein wenig ratlos an meiner Unterlippe, während sich die gewohnte Unruhe in meinem Körper ausbreitet. Was mich dann doch dazu bewegt, zustimmend zu nicken, ist die Tatsache, dass wir nicht allzu weit dorthin laufen müssen, sodass ich jederzeit wieder in meine Höhle zurückkriechen kann. Außerdem ist es immer noch warm draußen, obwohl es bereits Abend ist, und wir können in dem kleinen Vorgarten mit Blick auf den Strand sitzen und dort unsere Getränke zu uns nehmen.

      Rasch gehe ich nach oben, um mich ein wenig herzurichten. Im Hinaufgehen höre ich noch, wie Izzy bei Rory anruft und sich für diesen Abend entschuldigt. Ich grinse in mich hinein. Ein Abend mit ihrer komplizierten Freundin scheint immer noch besser zu sein, als Essen mit den nervtötenden Schwiegereltern, die ständig nach Nachwuchs fragen und entsprechend enttäuscht sind, wenn es in der Hinsicht nichts zu vermelden gibt.

      Ein Blick in den Spiegel zeigt mir mehr als deutlich, dass eine umfassende Renovierung meines Äußeren nötig ist. Mein Outfit wird schnell mit ein paar blütenförmigen Ohrringen und einer mit kleinen Perlchen besetzten Kette von Accessorize aufgepimpt, die zu dem schlichten rosa Jerseytop passen, das ich zur grauen Jeans trage. Ein Blick auf meine FlipFlops mit den silbernen Strasssteinchen bestätigt mir, dass hier kein Handlungsbedarf ist.

      Schnell schlüpfe ich ins Bad, benetze meine gerötete Haut mit eiskaltem Wasser und genieße die wohltuende Kühle im Gesicht. Wenn ich nicht außer Haus müsste, würde ich mich jetzt pudelwohl fühlen und mich vielleicht, trotz der Hitze, die mir immer Angst macht, auf meine kleine Terrasse setzen. Doch da ich weiß, dass ich bald meine vermeintlich schützende Umgebung verlassen werde, bricht mir schier der Schweiß aus. Vor meinen Augen beginnt mein Gesicht im Spiegel zu verschwimmen, in meinem Kopf dreht sich alles.

      Haltsuchend stütze ich mich am Waschbecken ab und taste mich dann zum Badewannenrand, auf dem ich mich niederlasse. Kühl und glatt schmiegt er sich an meine Handflächen. Gerne würde ich jetzt hier einfach sitzenbleiben, bis es Zeit ist, um ins Bett zu gehen. Manchmal verharre ich stundenlang in einer Position, weil ich mich nicht traue sie zu verlassen, bis mich unendliche Müdigkeit überkommt und ich