Herzstolpern. Tara McKay. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tara McKay
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753192536
Скачать книгу
hier länger anzuschauen.“

      „Ähm… klar…“ Verlegen krame ich in meiner Handtasche und fördere den Schlüssel zutage, der sich natürlich mal wieder bis auf den Grund geschmuggelt hat. Ich reiche ihn ihr und bin mir dabei nur allzu bewusst, dass mein Kopf ähnlich feuerrot ist wie meine Locken.

      „Na danke auch“, faucht sie, während sie mir den Schlüsselbund aus der Hand reißt, dann schmettert sie mit Schwung das Gartentor auf und marschiert auf das Haus zu.

      „Und wir flirten übrigens nicht“, beeile ich mich noch klarzustellen, ehe sie im Haus verschwindet.

      Dann beginnt sich alles um mich herum zu drehen. Ich weiß nicht, ob es daher kommt, dass wir den ganzen Abend in der Sonne gesessen haben, die – obwohl bereits am Untergehen – ziemlich stark war, oder ob eine Panikattacke im Anmarsch ist. Sollte es eine sein, dann kommt sie recht plötzlich, ohne Vorwarnung, und das ist neu. Ich stütze mich am Zaun ab und die Angst, jetzt auf der Stelle zu sterben, ergreift völlig von mir Besitz. Ich merke, wie ich verzweifelt versuche, im Kopf zu zählen, während ich hektisch atme, aber es gelingt mir nicht, über zwei hinauszukommen. Unerwartet packt mich Kieran an den Schultern und legt den Arm um mich.

      „Lauren? Was ist los?“, fragt er. Ich höre echte Besorgnis in seiner Stimme und das ist mir so unendlich peinlich, dass ich mich mit letzter Kraft von ihm losreiße. Ein wenig heftiger, als beabsichtigt, aber das ist mir egal.

      „Alles in Ordnung“, stammele ich bloß, dann stolpere ich durch das weit geöffnete Gartentor und stoße es hinter mir zu. Dieser Kieran MacLaughlin soll bloß nicht auf die Idee kommen, mir zu folgen. Wie blind laufe ich zur Haustüre, sehe mich nicht noch einmal um und werfe auch diese ins Schloss, als ich endlich im rettenden Inneren bin.

      Mit einem Schwung lasse ich mich in den Sessel im Hausgang sinken, mein ganzer Körper zittert, in meinem Kopf ist es, als würde ich Karussell fahren. Zum Glück ist Charlotte bereits in ihrem Zimmer und bekommt von alldem nichts mit.

      Ich weiß nicht, wie lange ich einfach nur da sitze und darauf warte, dass das Zittern aufhört. Als auch die Karussellfahrt endlich ein Ende findet, weiß ich ganz sicher, dass die Symptome nichts mit einem Hitzestich zu tun haben. Es ist mal wieder die verdammte Angst! Ich vergrabe mein Gesicht in einem Kissen, das auf dem Sessel gelegen hat und das ich unbewusst in meinen Händen zerknautscht habe. Wenn ich Glück habe, begegne ich Kieran MacLaughlin nie wieder. Und selbst wenn, bin ich mir sicher, dass er mir aus dem Weg gehen wird. Wer redet schon gerne mit einer Verrückten?

      Charlotte

      

      Es ist Montagmorgen und obwohl ich nicht in die Schule muss, breitet sich ein unangenehmes Gefühl in mir aus. Dieses Kribbeln im Körper, das ich immer vor dem Unterricht habe. Aber heute kann ich mich in aller Ruhe nochmal strecken und in meinem neuen Zimmer umsehen. Alles ist fremd und fühlt sich seltsam an, obwohl ich mittlerweile jeden Zentimeter mit meinen Sachen belegt habe.

      Mit Lauren habe ich die letzten zwei Tage kaum gesprochen und sie schien sich nicht weiter daran zu stören, dass ich mein Zimmer nur zum Essen verlassen habe. Eine große Köchin ist sie nicht, es gibt immer nur irgendein Fertiggericht. Das macht aber nichts, ich kann dieses ganze Diätzeug, das Mum ständig kocht, sowieso nicht leiden. Sie achtet auf ihre Linie. Dass Dad und ich dabei zwangsläufig mitmachen müssen, ist ihr völlig egal.

      Unten höre ich, wie Lauren mit dem Geschirr hantiert und werfe einen erstaunten Blick auf die Uhr. Es ist fast neun und ich denke, um diese Zeit sollte Lauren schon längst in der Schule sein. Also wenn das nicht gerade die Putzfrau ist (hat Lauren überhaupt eine?), dann frage ich mich, wer gerade in der Küche das Geschirr spült. Vorsichtig tapse ich zur Treppe und schiele hinunter, aber von hier aus kann man die Küche nicht einsehen, deswegen wage ich mich langsam, Stufe für Stufe bis ins Erdgeschoss.

      „Guten Morgen!“, begrüßt mich Lauren, die sich gerade vom Spülbecken wegdreht, um die sauberen Teller aufzuräumen.

      „Bist du krank?“, frage ich verwundert. Sie sieht wirklich nicht besonders gut aus, aber das tut sie eigentlich nie, seit wir am Freitag vom Strand wiedergekommen sind.

      Von ihrem Bürofenster aus habe ich beobachtet, wie sie sich von Kieran verabschiedet hat. Eigentlich wollte ich nur sehen, ob sie sich küssen oder sowas. Es erschien mir gar nicht so abwegig, denn dieser Kieran machte mir schon den Eindruck, als wäre er an Lauren interessiert. Er hatte sogar den Arm um sie gelegt. Aber dann ist Lauren wie von der Tarantel gestochen ins Haus gestürmt und seither ist sie noch komischer, als sie ohnehin schon war. Ich glaube, wir kommen wunderbar miteinander aus, wenn wir uns aus dem Weg gehen. Irgendwie scheint das bei mir mit jedem so zu sein.

      „Wieso sollte ich krank sein?“ Lauren schaut ehrlich verwirrt, schüttelt nachdenklich den Kopf und dreht sich seelenruhig wieder zum Küchenschrank.

      „Weil du nicht in der Schule bist?“, frage ich zurück.

      Ich habe Angst, dass Lauren gleich die Teller fallen lässt, so ruckartig dreht sie sich zu mir und guckt erschrocken drein. Sie reißt ihre hellgrünen Augen auf, der Mund öffnet sich, als wolle sie mir antworten, aber es kommt erstmal kein Ton heraus.

      „Ich… Oh je..“, stammelt sie schließlich. Hektisch schiebt sie die Teller so heftig in den Küchenschrank, dass ich ein bisschen Bedenken habe, dass sie alle zu Bruch gehen. Dann stürmt sie an mir vorbei die Treppe hoch, die Badezimmertür schlägt hinter ihr zu.

      Mich beschleicht immer mehr das Gefühl, dass mich Mum und Dad zu einer Verrückten geschickt haben. Ich sehe mich nochmal um, ob nicht doch zehn Katzen durch das Haus schleichen, aber immer noch ist keine zu sehen. Stattdessen höre ich oben das Wasser rauschen, der Boiler springt lautstark an. Ich habe bereits gelernt, dass er zwar rumpelnd so tut, als würde er arbeiten, aber nicht immer hält was er verspricht. Alles an diesem Haus, inklusive der rosafarbenen Fliesen im Badezimmer mit dem altmodischen Rosenmuster, ist ebenso seltsam wie seine Besitzerin.

      Ich überlege kurz, ob ich Mum eine WhatsApp schreiben und ihr von Laurens komischem Verhalten erzählen soll, aber dann überlege ich es mir anders. Vielleicht sollte ich erstmal nur beobachten. Außerdem schreibe ich meinen Eltern nicht. Gestern haben sie auf meinem Handy und bei Lauren auf dem Festnetz angerufen, aber ich wollte nicht mit ihnen reden und das werde ich auch weiterhin so halten. Ich spüre mein Handy in meiner Jeanstasche so deutlich, als würde es mir den Oberschenkel verbrennen. Ich habe ungefähr zwanzig Nachrichten von Lewis auf WhatsApp, aber ich lese sie nicht. Ich weiß nicht, ob ich ihm jemals verzeihen kann, was er zu mir gesagt hat – jetzt gerade kann ich es zumindest nicht.

      Sich die wilden Locken zu einem Dutt bindend, kommt Lauren die Treppe hinunter gestürmt, die Stufen knarzen gefährlich. Sie hat sich umgezogen und trägt jetzt eine schwarze Hose und ein beiges Twinset, das in all seiner Biederkeit so gar nicht zu ihr passt, aber ich verkneife mir eine Bemerkung.

      „Ich nehme mal an, dass du mich heute noch nicht anmeldest?“

      Eigentlich ist es gar keine Frage, sondern eine Feststellung. Deswegen erwarte ich auch keine Antwort.

      „Heute?“ Sie sieht aus, als würde sie darüber nachgrübeln. „Nein, heute noch nicht. Wir haben dafür bis Schuljahresende noch genügend Zeit.“

      „Okay.“ Ich bin schon damit beschäftigt, aus dem Kühlschrank die Milch für mein Frühstück zu holen.

      „Ich… ähm… Ich muss jetzt los“, meint Lauren schließlich zögerlich, macht aber irgendwie keine Anstalten das Haus zu verlassen.

      „Ich komme zurecht, keine Sorge. Und ich werde auch nicht das Haus abfackeln so lange du weg bist“, verspreche ich und verdrehe genervt die Augen. Garantiert denkt sie, eine Schulschwänzerin ist eine Kleinkriminelle, der alles zuzutrauen ist. Deswegen setze ich noch hinzu: „Es gibt ja auch keine Katze, der ich den Schwanz anzünden könnte oder sowas.“

      „Ich weiß nicht,