Die flüsternde Mauer. Manuela Tietsch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Manuela Tietsch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753195094
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schlecht.

      „Wissen Sie, dass Sie seit beinahe zwei Tagen gesucht werden? Wie kommen Sie überhaupt hier herein?“ Herr Lesinski kam zu uns.

      „Ich bin durch eine Falltür gefallen und er auch.“ Ich deutete mit dem Kopf auf meinen Begleiter. Er stand neben mir voll erleuchtet durch einen dicken Sonnenstrahl. Und plötzlich erkannte ich ihn. Er war es wirklich. Er war der Ritter ohne Namen! Mir war auf einmal ganz sonderbar zumute. Ich erinnerte mich daran, wie oft ich dieses Bild betrachtet hatte und wie sehr ich das Gefühl hatte, er würde mich ebenfalls beobachten.

      „Was für eine Falltür?“

      Ich versuchte mein Augenmerk auf den Burgführer zu richten. „Ich zeig sie ihnen.“

      „Das wird noch ein Nachspiel haben.“

      „Nicht für uns“, antwortete ich ihm patzig. Was fiel ihm ein? Wir hatten beinahe nicht mehr herausgefunden und er wurde noch frech und schob mir irgendwelche Schuld zu!

      Ich wandte mich an meinen Ritter ohne Namen: „Wir gehen ins Lager, frühstücken und die anderen beruhigen.“

      Er schien gar nicht richtig anwesend zu sein. Ich griff ihn am Arm und zog ihn mit mir. Den verständnislos blickenden Burgführer ließ ich stehen. Zügig ging ich aus der Halle in den Hof und die Treppe herunter in den zweiten Hof, in dem der mittelalterliche Markt aufgebaut war. Sie schliefen alle noch, die Stände waren noch verschlossen. Mein Ritter ohne Namen sagte kein Wort, während seine Augen verwirrt umherblickten. Ich ging weiter, vom Hof hinunter auf die angrenzende Wiese, auf der das Heerlager und die Zelte aufgebaut standen. Ich genoss die warmen Strahlen der aufgehenden Sonne, die meinen Körper erwärmten. Zielstrebig ging ich zu unserem Zelt.

      Als ich keine zehn Meter mehr zu gehen hatte, wurde der Zelteingang zurückgeklappt und Mattes, Luisa und Leo traten heraus. Ich lächelte sie an.

      „Alanis!? Wo warst du bloß?“ Luisa kam aufgeregt herüber gerannt. „Wir haben uns große Sorgen gemacht! Du hättest wenigstens anrufen können!“

      „Hab´ ich´s nicht gesagt!“, bemerkte Leo höhnisch.

      Mattes sagte nichts. Er beobachtete misstrauisch den Kerl, der bei Alanis stand.

      Alanis und Luisa umarmten sich.

      „Ich bin durch eine Falltür gefallen!“, sagte ich erklärend. Erst jetzt hier draußen im Sonnenschein wurde ich mir im Klaren darüber, dass ich leicht auch mein Leben hätte verlieren können.

      Luisa sah sie entgeistert an. „Ist nicht wahr, oder?“ Sie bemerkte Alanis angeschlagenes Äußeres.

      Ich nickte. „Doch. Ich würde doch nicht einfach so verschwinden, ohne dir Bescheid zu geben!“

      „Wer ist er?“, fragte Luisa in einem Ton, der nicht sehr gastfreundlich klang.

      „Das ist eine lange Geschichte, später.“ Ich konnte nicht hier zwischen Tür und Angel davon berichten.

      „Kommt er vom Markt? Oder ist er ein Rollenspieler? Sieht ganz schön mitgenommen aus.“ Luisa wandte sich flüsternd um: „Und die Fingernägel!?“

      „Er ist vorerst unser Gast.“

      „Willst du die beiden anderen nicht erst fragen?“

      Ich schüttelte den Kopf, meine Gäste konnte ich mir immer noch allein aussuchen.

      Er schien wie unbeseelt, als wäre er nur eine Hülle, eine Puppe, die mit runden Augen in die Welt blickte und nicht wusste, was um sie herum wirklich geschah.

      Ich griff ihn am Arm und zog ihn weiter zum Zelt. Leo machte Platz, wenn auch mit einem mürrischen Gesicht. Doch Mattes blieb vor dem Eingang stehen und sah mich herausfordernd an.

      „Kennst du ihn?“

      „Ja“, log ich, sonst würde er das Feld nicht räumen. Mattes kannte ich um so besser.

      Mattes schüttelte den Kopf und trat widerwillig zur Seite. Ich zog den Eingang zum Zelt zu, schob den Ritter ohne Namen in Richtung meines Lagers und drückte ihn darauf nieder. Er ließ sich alles ohne ein Wort gefallen. Er benahm sich wirklich seltsam, seitdem er noch einmal durch die Burg gelaufen war. Ich sah ihn eindringlich an.

      „Ich hole zu essen und zu trinken für uns, bleib bitte hier sitzen und warte auf mich.“

      Er nickte, so schwach, dass ich es beinahe übersehen hätte. Schließlich ließ er sich nach hinten auf das Bett sinken, schloss die Lider, atmete ein paarmal tief durch und schlief auch schon ein.

      Ich sah unschlüssig auf ihn herunter. Vorsichtig hockte ich mich vor ihn und berührte den zerschlissenen Stoff seines Obergewandes. Kaum dass ich fester daran zog, zerriss die Faser. Ich erschrak und sprang auf, ich wollte ihn nicht wecken. Aber meine Befürchtung schien unbegründet, er schlief tief und fest. Außer einem Bad, Nagel- und Haarpflege brauchte er neue Kleidung. Ich konnte kaum Mattes oder Leo fragen, so böse, wie sie mich angesehen hatten. Ich würde welche von meinen selbst genähten Gewändern nehmen, das war meine Sache. Ich erhob mich und ging nach draußen, wo noch immer die drei anderen standen und mich fragend anblickten. Ich musste es ihnen wohl erklären!

      „Ich bin durch eine Falltür gestürzt.“

      „Das hat Luisa uns schon erzählt“, antwortet Mattes muffelig. „Und er?“

      „Ja, das ist nach wie vor sehr seltsam, er steckte auch da unten fest, so wie ich.“

      „Du meinst, er war auch durch die Falltür gefallen?“

      Sollte ich sagen, wie es wirklich gewesen war? Ich entschied mich dagegen, das war mir in diesem Augenblick viel zu anstrengend. Ich zuckte mit den Schultern.

      „Dann muss er `ne ganze Weile länger da gesessen haben als du?“

      Ich nickte und erwiderte den Blick von Mattes. Er hatte seine hellblauen Augen fest auf mich gerichtet.

      „Ich gehe mich frisch machen, bevor ich etwas Essen und Kleidung besorge. Danach leg ich mich auch noch einmal hin, für `ne Stunde oder so.“ Ich wandte mich an Luisa. „Wärst du so freundlich beim Stand zu bleiben, bis ich komme?“

      „Schon gut, lass dir Zeit. Es dauert ja auch noch ein paar Stunden bis zur Öffnung des Markttreibens. Wir gehen vorher noch schwimmen.“

      Ich nickte und lächelte sie dankbar an. Ohne ein weiteres Wort ging ich meine Besorgungen machen. Während ich das Essen zusammenstellte, naschte ich bereits davon, ich merkte erst jetzt, wie ausgehungert ich war. Ich suchte ihm Kleidung zusammen und ging dann wieder zum Zelt.

      Weder Mattes, noch Leo oder Luisa waren zu sehen. Sie waren wahrscheinlich bereits zum Baden gefahren. Ich trat ins Zelt. Er schlief noch immer. Einen Augenblick schaute ich auf ihn herunter, ehe ich die Sachen auf dem Schemel zurechtlegte und das Essen auf dem Klapptisch ausbreitete. Schließlich legte ich mich auf Luisas Bett, um zu schlafen.

      Seyd gegrüsset

      Als ich wieder aufwachte, sah ich gleich zu ihm herüber. Er schlief noch immer. Ich sah auf den Wecker. Der Markt hatte bereits geöffnet. Sollte ich ihn wecken? Nein, ich entschloss mich ihm einen Zettel hinzulegen, auf dem ich erklärte, wo ich war. Den Zettel legte ich auf die Kleidung. Würde er sie sehen und wissen, dass die Sachen für ihn waren? Ich hoffte es. Nach einem letzten Blick auf seine schlafende Gestalt verließ ich das Zelt und ging zu unserem Stand. Luisa würde sich sicher freuen, abgelöst zu werden und ich könnte ihr meine Geschichte ausführlicher erzählen.

      Ein schriller Ton weckte ihn schlagartig. Er schnellte nach oben. Einen Augenblick dauerte es, bis er sich gesammelt hatte und ihm alles wieder einfiel. Er sah sich im Zelt um. Ganz hinten in seinem Kopf hatte er doch mitbekommen, wie Alanis ihn hergeführt hatte. Auf einem Schemel lag ein Stapel Männerkleidung und auf dem Tisch stand Essen und Trinken. Auf der Kleidung entdeckte er ein schneeweißes Pergament. Er nahm es auf, doch alles, was darauf stand, war ihm unbekannt. Er legte es auf den Tisch. Mit