Die Seelen der Indianer. Nina Hutzfeldt. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nina Hutzfeldt
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738086799
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uns zu. Ich hatte Mühe, sie zu verstehen.

      »Darf ich dich zum Tee einladen? Übrigens, das ist mein Sohn Lukas, meine Frau Angela, mein Sohn Kevin mit Freundin Lena und meine Tochter Jordan.« Papa deutete zum Esstisch. »Und ich bin Thomas.«

      Die Dame ging zu mir hinüber, legte ihre Hand unter mein Kinn und begutachtete mein Gesicht. »Du bist also die verschollene Jordan«, murmelte sie. »Ich wusste, dass du zurückkommen würdest.«

      Sie setzte sich neben mich auf den Stuhl von meinem Vater und nahm meine Hände in ihre. »Du bist so wunderschön, wie die Knospe einer Rose.«

      »Oh, danke.« Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen lief. Lena kicherte hinter vorgehaltener Hand. Mama stand auf, um neues Wasser aufzukochen.

      »Mary-Ann war so glücklich, als sie von dir erfuhr, denn auch wenn sie ihre Tochter verloren hatte, würde sie ein neues Leben in ihren Armen halten können. Ihr habt ja keine Ahnung, was sie in diesem Moment gefühlt haben musste, als sie gleich im nächsten Augenblick zu hören bekam, dass Sue-Ann dich zur Adoption freigegeben hatte.« Die Dame nahm dankend die volle Teetasse entgegen und füllte sich eine Ladung Zucker hinein. »Sie haben dich gesucht, wirklich. Doch nicht gefunden. Brian hatte sogar einen Detektiv beauftragt.«

      Diese Neuigkeit flatterte wie ein verirrter Schmetterling in meinem Bauch herum, doch wusste ich nicht, wie ich es verdauen sollte.

      »Darf ich dich etwas fragen?«

      »Aber natürlich, mein Schätzchen. Alles, was du willst.« Sie setzte sich gerade auf und wartete.

      »Ich würde gerne wissen, in welchem Verhältnis meine Großeltern zu Ralph Norris standen.«

      »Ralph Norris.« Dolores schnalzte mit der Zunge.

      »Denkst du, wir sollten die Schlösser austauschen lassen?«, fragte mein Vater in die Stille.

      »Aber unbedingt.« Sie drehte sich eine verlorene Haarsträhne, so kurz sie auch war, zurück in den Lockenwickler. »Er ist ein furchtbarer Mensch. Es tut mir leid, was ihm in der Vergangenheit passiert ist, doch dafür kann niemand etwas. Er war regelecht besessen von einer intakten Familie, doch als er erfuhr, dass Sue-Ann falsche Freunde gefunden hatte, war er nicht zu bremsen. Er suchte sie und steckte sie mehrmals in eine Einrichtung, die ihr helfen sollte. Doch manchen Menschen kann man nicht helfen. Mary-Ann hatte ihm nie verziehen, als er eines Tages zu ihnen kam und ihnen von dir erzählte.« Sie deutete auf mich. »Da sie seit jenem Tag abweisend zu ihm war, wurde er oft laut, wenn er zu Besuch war, und Brian komplimentierte ihn hinaus. Ab und zu kam auch die Polizei«, flüsterte sie.

      »Er hat sie doch nicht angegriffen, oder?« Meine Augen wurden größer.

      »Nein. Um Gottes Willen. Sie liebten ihn, doch konnte er Sue-Ann nicht ersetzen. Hinter seinem Rücken holten die beiden den Detektiv. Ich glaube, dass Ralph eifersüchtig war. Sie hatten Angst vor ihm.«

      »Und deshalb sagten sie nichts von der Suche nach mir?«

      Dolores nickte. »Ja, davon bin ich überzeugt. Er wollte immer nur eine intakte Familie, ein Teil der Familie sein. Nun da Sue-Ann nicht mehr am Leben war, hatte er sich ausgemalt, die Nummer eins sein zu können. Doch sie erfuhren von dir und die Dinge nahmen ihren Lauf.«

      »Das ist ja alles sehr spannend«, sagte Lena und lehnte sich an Kevins Schulter. Dieser beobachtete seit einigen Stunden stumm das Geschehen.

      »Und wenn Sie mich fragen, hatte er gehofft, dass Brian ihn in seinem Testament bedenkt. Doch bei der Testamentseröffnung wurdest nur du benannt.« Sie trank einen weiteren Schluck und hielt unserer Mama die leere Teetasse hin. Danach häufte sie sich wieder Zucker in die Tasse. »Ich war ja da. Einer musste alles beobachten.« Ihre Fingerknöchel waren so dünn, dass die Adern bläulich durchschimmerten.

      »Aber wir dachten, er ist Anwalt.« Ich runzelte die Stirn.

      Dolores Lachen hallte durch den Raum. Ihre Hand auf dem Bauch. »Anwalt, hat er euch das erzählt? Grundgütiger«, sagte sie, als wir nickten. »Er wollte mal Anwalt werden, doch was er wirklich beruflich macht, weiß ich nicht. Und das will was heißen.« Sie hob den Zeigefinger. »Es wird gesagt, dass Brian viel Geld hatte. Vielleicht versucht er, durch dich etwas Geld zu erlangen. Man muss manchmal nur auf die Tränendrüse drücken.«

      »Dann frage ich mich, wie er in Kontakt mit Dr. Stein kam, wie er an die Schlüssel kam. Die wurden ihm doch sicher nicht einfach so übergeben.«

      »Mm?« Dolores rieb sich die Nase. »Sicher nicht und das gesparte Geld hat Brian sicher nicht im Haus.«

      »Es reicht, ich rufe Dr. Stein an. Vielleicht schläft er ja noch nicht.« Mein Vater nahm sein Handy und ging mit der Visitenkarte nach hinten in den Flur.

      Derweil rief Dolores von ihrem Haus aus einen Bekannten an, dessen Sohn Schlosser war.

      Er sollte alle Schlösser austauschen.

      Natürlich konnte er nicht sofort zu uns kommen, aber er versprach nach Feierabend vorbeizukommen.

      Dolores unterhielt uns in der Zwischenzeit. Sie konnte nicht mehr an sich halten. Die Worte sprudelten wie das Wasser aus der Quelle aus ihr heraus.

      Als mein Vater mit blassem Gesicht und einem geröteten Ohr zurückkam, blickten wir ihn neugierig an.

      »Was ist denn los?«, fragte meine Mama.

      »Ralph ist ein Betrüger. Eine Anwaltskanzlei aus Oklahoma hatte mit der Erbermittlungsagentur in Deutschland Kontakt aufgenommen. Wir haben uns an Dr. Stein gewandt, der sich wiederum an die Erbermittlungsagentur gewandt hat. Bis dahin ist alles klar.« Papa setzte sich und schob die Tasse von Ralph in die Tischmitte. »Ralph Norris muss davon Wind bekommen haben und sich ins System gehackt haben. So kam er an unsere Daten und die Daten von Dr. Stein oder aber er ist in die Anwaltskanzlei eingebrochen und hat dort Akten gestohlen oder kopiert. Na ja, auf jeden Fall hat er sich als Anwalt ausgegeben und alles mit Dr. Stein besprochen.«

      »Hat Dr. Stein sich denn gar nicht gewundert, warum er plötzlich von einem fremden Anwalt angerufen wurde?«

      »Nein, denn Ralph hat ihm seine Visitenkarte per Mail geschickt und dort stand, dass er ein Mitarbeiter von der Kanzlei in Oklahoma sei. Aber wir müssen uns keine Sorgen machen. Dr. Stein wollte gleich mit der Kanzlei sprechen und für morgen einen Termin ausmachen. Er wird uns dann benachrichtigen.«

      »Und was ist mit den Daten? Ich meine, sind wir überhaupt im richtigen Haus? Oh, Gott.« Mama sprang auf und fuhr sich seufzend mit der Hand durchs Haar.

      »Ja, die wichtigen Sachen liefen alle über die Erbermittlungsagentur, so dass Ralph keine Chance hatte, an das Geld oder an irgendwelche Dokumente heranzukommen. Die Schlüssel musste er wohl schon gehabt haben. Wir sollen jetzt mal gucken, ob irgendwas fehlt, doch wie sollen wir das machen, wenn wir noch nie hier waren?«

      »Ich helfe euch. Ich hab Brian an den Tagen besucht, als Ralph nicht da war. Vielleicht sollten wir in den hinteren Räumen nachgucken.«

      »Ja, gleich. Vorher möchte ich noch etwas nachsehen.« Dann zog ich den Umschlag aus der Tasche meiner Mutter und öffnete ihn.

      Alle Blicke richteten sich auf mich.

      6

      Kansas, Juli 1868

      Zwei Wochen vergingen, in denen Sadie ihre Strafarbeiten ohne zu murren verrichtete.

      Sie hatte Rachel seit dem Treffen in Mary-Janes Café nicht wiedergesehen.

      Caroline wuselte im Haus herum, verteilte Aufgaben und wartete auf ihren Mann.

      Jason O’ Connor sollte für ein paar Tage nach Hause kommen, da musste das Haus sauber, die Tiere versorgt und der Hof gefegt sein.

      Verstohlen warf sie sehnsüchtige Blicke aus dem Küchenfenster, ging im Flur auf und ab und lief endlich aus dem Haus, als sie Silver, ein Rappe mit eleganter Mähne, wiehernd auf den Hof kommen hörte.

      »Jason,