KISHOU II. Michael Kornas-Danisch. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael Kornas-Danisch
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783754146002
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Korks – was konnte das Wesen meinen?

      Tek kauerte sich tief geduckt mit dem Rücken an dem Felsen, der ihm Deckung bot, und lauschte den verwirrenden Klang der Worte des sonderbaren Wesens. Dann war es still ... Er schaute nach oben, als erwartete er, dass noch weitere Worte von ihr über seinen Deckung kippen würden – doch es blieb still. Aber stattdessen entdeckte er eine kleine, dunkle Wolke am Himmel, die sich seinem Aufenthaltsort schnell näherte.

      Tek war ein Afetit und er war ein Dompteur. Er wusste, wie der Pfeil sich im Blau des Himmels abzeichnete – und er hatte schon unzählige Male beobachten können, wenn sich viele von ihnen am Himmel vereinigten ...

      ~*~

      In letzter Sekunde

      Nein!“ Ein gellender Schrei durchbrach die Stille aus jener Richtung, der Kishou gerade eiligst den Rücken gekehrt hatte.

      Sie fuhr erschrocken herum – und erstarrte. Ein fremdes Wesen – ein Afetit vielleicht – raste mit höllischen Tempo direkt aus sie zu. In seinem Gesicht zeichnete sich Panik ab ... und er stülpte während des Laufes etwas über seine rechte Hand. Es kam alles so plötzlich, und der Schrei dieses Wesens hallte noch immer in Kishou nach. Wie versteinert starrte sie dem Rasenden entgegen – als sie den leichten Luftzug spürte.

      Boorhs große zweischneidige Axt war die Ursache, als sie dicht an ihr vorbei sein Ziel in dem auf sie zueilenden Fremden suchte. Der machte eine jähe Drehung – gerade, als die Axt in ihn einschlagen wollte. Sie rutschte fast an seinem schmächtigen Körper entlang und riss ein Stück seines groben Leinenhemdes mit sich. Er taumelte und fiel – als Kishou einen surrenden Ton in der Luft vernahm, dem gleich darauf ein kleines ,Ratsch’ folgte. Die erste Pfeilspitze hatte sich dicht bei ihr in den festen Boden gebohrt.

      Der Fremde schien bei seinem Sturz kaum den Boden berührt zu haben, so schnell stand er bereits wieder – direkt vor Kishou. Sein Körper drehte sich, und im selben Augenblick schlugen bereits die ersten Pfeilspitzen in dieses Ding ein, in dem seine rechte Hand steckte – um sie auf der anderen Seite ebenso schnell wieder in der entgegengesetzten Richtung zu verlassen. Es schien eine Art Tanz. Der schmächtige Körper drehte und wendete sich mit atemberaubender Geschwindigkeit. Ein Regen von Pfeilen ging auf Kishou herab und spickte die Erde um sie herum, doch nicht ein einziger fand sein erhofftes Ziel. Jene, die es hätten finden können, fanden ihr Ende in der seltsamen Halbschale, die der Fremde trug.

      Nach nur wenigen Augenblicken war der Spuk vorbei. Einen Moment lang suchten die Augen des Fremden noch den Himmel ab, dann wendeten sie sich zu Kishou.

      Die stand noch immer wie versteinert am selben Fleck, unfähig zu begreifen, was geschehen war. Nun aber lief ein Schauer durch ihren Körper, als der Blick des Fremden sie traf. Noch nie hatte sie solche Augen gesehen. In einem sanften, hellen Blau, das einen Blick in den Himmel freizugeben schien, lag die leuchtend-grüne Iris wie das Blatt eines gerade erst erwachten Baumes. Ein schwarzer, breiter Schlitz, der den Boden mit dem Himmel verband, teilte das Blatt beinahe in zwei Hälften. „Ich ... ich ...!“, stammelte Kishou. Weiter kam sie nicht, denn Boorh und Mo waren bereits bei ihr. Mo legte sofort schützend ihr Gewand um sie, die von all dem aber nichts zu bemerken schien. Wie paralysiert starrte sie in die Augen des Fremden.

      „Boorh entscheidet: Du bist ein Dompteur!“, polterte Boorh sogleich los, während er mit einem kleinen Ruck einen Pfeil aus seinem Oberarm riss – um sogleich den Fremden mit einem anerkennenden Schlag auf die Schulter zu versehen. Den jungen Afetiten, der ebenso versteinert stand, und nicht von den Augen Kishous lassen konnte, traf der Schlag gänzlich unvorbereitet. Wie ein Stück leichten, ausgetrockneten Holzes fegte es ihn davon.

      „Verzeih meine kleine Unbemessenheit!“, war Boorh darauf ehrlich erschrocken. Er wollte dem Gestrauchelten zu Hilfe eilen – der aber stand bereits wieder.

      Verschiedene rote Flecken auf Boorhs Körper ließen vermuten, dass der Pfeil, den er gerade aus seinem Arm gezogen hatte, nicht der Einzige war, der ihn getroffen hatte. Mo und er waren in den Pfeilregen hineingelaufen, in dem Versuch, Kishou zu retten – und er wusste wohl nun sehr genau, was seine Axt beinahe angerichtet hätte.

      „Ihr müsst schnell fort!“, rief der Afetit, der offenbar endlich seine Fassung wiedergefunden hatte. „Ihr müsst fliehen!“ Seine Augen richteten sich ängstlich in den Himmel.

      „Was ist entschieden?!“, fragte Mo mit dieser erstaunlichen Ruhe, die sie offenbar niemals verlor.

      „Ich kann es nicht bemessen!“, antwortete der Gefragte mit fast verzweifelter Stimme. „Ich kann es nicht bemessen, ... aber ihr müsst schnell diesen Ort verlassen!“ Und dann sprudelte es förmlich aus ihm heraus. „Es verdrängen dort Stämme der Grabenmacher das Allsein – und es verdrängen dort Stämme der Langen Schatten das Allsein ... ich.. ich kann es nicht bemessen ... Doch Tek kennt die Bemessungen ihrer Pfeile! Sie verdrängen vereint das Allsein! ... sie sind gerichtet gegen euch ...! Tek kann es nicht bemessen ...!“

      „Was ist entschieden in den Korks?!“, wurde er von Mo unterbrochen.

      „Korks?!“, staunte Tek mit weit aufgerissenen Augen. Als wäre es das Stichwort gewesen, waren nicht mehr aus all zu weiter Entfernung, leise die krächzenden Laute der Eisenwesen zu hören.

      „Stämme der Grabenmacher? ... der Grabenmacher – zusammen mit Stämmen der Langen Schatten? – und alle zusammen verdrängen das Allsein gemeinsam mit den Korks ...?“, kam nun auch die verwunderte Stimme des Unteren Squatsch aus dem Hintergrund.

      Boorh richtete sich in aller Größe auf. „Boorh entscheidet: Es ist eine Verdrängung Suäl Graals vom Allsein!“ Sein Gesicht verfinsterte sich. Er lief zu einem der fast runden, riesigen Steine, und stemmte seinem Rücken unter ihn. Langsam gab der runde Klotz nach, und kam in Bewegung. Zögerlich gab er seinen Widerstand gegen die Kräfte Boorhs auf, und begann bedächtig, dem Gefälle folgend, seine erzwungene Reise.

      „Kommt!“, sagte Mo nur, und wendete sich bereits mit Kishou in ihrem Arm um.

      „Boorh entscheidet, Boorhs Axt wird einige Entscheidungen bemessen, und vom Allsein verdrängen!“, rief er ihr fast trotzig nach.

      „Kommt!“, wiederholte Mo nur. „Es ist entschieden!“

      Auch das Untere Squatsch setzte sich nun in Bewegung, und folgte Mo, die geradewegs auf Kurluk zusteuerte. Boorh, fest seine Axt umfassend, blickte unschlüssig zwischen Kurluk, und dem sich langsam und stolpernd entfernenden Gesteinsbrocken hin und her.

      „Komm endlich, du plattfüßiger Beulenmacher, du plattfüßiger! Du hast doch vom Allsein getrennt was entschieden ist!", schimpfte das Untere Squatsch. „Oh – oh verzeiht meine kleine unbemessene Verdrängung!“, beeilte er sich schnell in das Gewand Mos hinein zu sagen. Er lief neben ihr einher, und hatte wohl für einen Moment übersehen, das Kishou unter ihrem Gewand verborgen war.

      Boorh gab endlich auf. Missmutig wollte er sich gerade den anderen anschließen, als sein Blick auf den kleinen Afetiten fiel. Der stand einfach nur da, und blickte hinter Mo her – oder besser hinter dem, was sich unter ihrem Gewand abzeichnete.

      „Was ist es, das du dort vom Allsein verdrängst?!“, fragte Boorh.

      „Ich?“, schreckte der Angesprochen auf „... ich ... ich kann es ... nicht bemessen ...!“

      „Boorh entscheidet: Du wirst aber bemessen haben, was entschieden ist!“

      „Du entscheidest ... Du entscheidest ...!“, schluckte der Kleine. „... ich darf mit euch kommen?!“

      Boorh schaute noch einmal Bedauernd in die Richtung seiner stolpernden Kugel. Die hatte inzwischen schon etwas Fahrt aufgenommen, und auf ihrer unregelmäßigen Bahn eine Weitere angestoßen, die es nun der Ersteren gleichtat. Dann wendete er sich wieder zu dem Afetiten. „Boorh entscheidet: Du bist ein Dompteur! Und Boorh entscheidet. Du bist der Dompteur, der Kishou, die Bezwingerin Suäl Graals und Befreierin der Großen Wasser, vor dem Allsein bewahrte! Boorh entscheidet: Du verdrängst nun das Allsein in dem Revier Kishous!“ Seine Axt in den Schulterhalfter schiebend wendete er sich