Zweiter Sieger. Ruth Broucq. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruth Broucq
Издательство: Bookwire
Серия: Trümmerprinzessin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742713575
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wurde sie zu meiner engsten Vertrauten und wichtigsten Beraterin.

      Allerdings passierte es im Laufe der Zeit auch manchmal, dass Kunden oder gar mein Mann mich nicht erreichten, weil sie das Besetztzeichen hörten.

      Manchmal sah sich mein Mann dann gezwungen, bei seiner Mutter anzurufen, die dann zu mir hoch kam, um mir zu sagen, dass ich das Telefon freimachen solle. Das führte öfter zu heftigem Streit zwischen Robert und mir, änderte aber nichts.

      Denn mich hatte eine neumodische Krankheit erwischt, die Telefonitis.

      Unser Leben war in Bewegung. Geschäftlich sowie privat. Außer Roberts neuem Mitarbeiter Uwe Schröder und dessen schwangerer Frau Viktoria, besuchten uns auch Karl-Günter mit seiner Frau Gundula, sowie Gitti und Klaus des Öfteren zu gemütlichen Abenden. Seltenere Gäste waren meine Schwester Heide mit Mann, sowie meine Freundin Ute mit Ehemann Hartmut. Wir hatten ein offenes, gastfreundliches Haus.

      Mein Mann war ein äußerst geselliger Mensch, der aber leider jedes Mal über den Durst trank, was dann zu anschließenden Streitigkeiten führte.

      Was mich allerdings an unseren Geselligkeiten störte war, dass die Bewirtung immer zu unseren Lasten ging. Ganz selten dachte mal einer unserer Gäste daran etwas mitzubringen, weil auch wir eine junge Familie im Aufbau waren, und unsere Finanzen noch nicht sehr stabil waren.

      Im Hinblick auf die unbezahlten Rechnungen, die sich auf Roberts Schreibtisch immer mehr häuften, sah unsere finanzielle Situation eher sehr wackelig aus, was meinen Mann aber keineswegs beeindruckte.

      Roberts Unersättlichkeit ging sogar soweit, dass er jede freie Minute in seiner Kellerbar verbrachte, entweder mit seinem Bruder oder irgendwelchen Freunden. Dann floss der Alkohol reichlich und deshalb brauchte mein Mann häufig Geld um Nachschub zu kaufen.

      Roberts Vergnügungssucht war ungebrochen groß.

      Meine Vorwürfe, auch im Hinblick auf seine ausschweifenden Kegelabende, beantwortete mein Mann mit dem Vorschlag, doch an diesen Abenden auch auszugehen. Auf meine Anfrage stimmte Beate begeistert zu, und ich konnte den aggressiven Angriffen meines betrunkenen Ehemannes aus dem Weg gehen.

      Unser Familienleben bestand nur aus gemeinsam essen und schlafen, Kinderbetreuung und –Erziehung blieb mir alleine vorbehalten, sowie auch die Sorge um die finanzielle Regelung unseres Haushaltes. Auf Wochenend- Unternehmungen mit unseren Kindern hatte Robert keine Lust, nur von seinen Vergnügungen ließ er sich nicht abhalten. Jede Diskussion darüber blockierte er sofort. Mein Mann machte es sich leicht.

      Als wir dann die Mieterhöhung wegen dem neuen Bad erhielten, und mein Mann sich noch ein anderes, wenn auch gebrauchtes, Auto kaufen wollte, protestierte ich: „Sag mal, wo willst du denn noch das Geld für ein anderes Auto hernehmen? Die unbezahlten Rechnungen stapeln sich, und ich weiß nicht einmal wie die die Mieterhöhung bezahlen soll, aber du willst ein Auto kaufen? Spinnst du?“

      „Dann such dir ne Arbeit, hast ja lange genug auf der faulen Haut gelegen! Der Bus hat ausgedient, ein anderer Wagen muss her, oder soll ich das Material zu der Kundschaft tragen? Wenn wir nicht genug auf dem Konto haben, muss ich das Auto eben finanzieren“, entgegnete mein Mann mit Entschiedenheit.

      Ich verzichtete auf weitere Streitereien, mir war klar dass es keinen Sinn hatte auf Einsicht und Verständnis dieses Egoisten zu hoffen. Aber ich fand die Anregung gut, endlich etwas mehr Unabhängigkeit zu erhalten und begab mich auf Suche nach einer Arbeit. Stellenangebote standen genug in der Zeitung, aber zuvor musste ich mich um die Kinderbetreuung kümmern. Meine Schwiegermutter lehnte rundweg ab, obwohl sie nicht mehr berufstätig war. Sie wolle sich keine Verpflichtung aufhalsen, war ihr Argument, gegen das kein Veto einzulegen sinnvoll war.

      Tante Jule war krank, fühlte sich auch nicht in der Lage. Kindergärten hatten lange Wartezeiten, es war zum Verzweifeln. Dann wusste Beate Rat.

      „ Geh doch abends arbeiten“, riet sie mir, „der Pferdestall sucht dringend Kellner. Da kannst du richtig gut verdienen und du brauchst keinen für die Kinderbetreuung bezahlen, dein Mann ist ja abends zu Hause. Und kellnern kannst du ja!“

      Von der Idee war ich sofort begeistert. Ja, kellnern konnte ich und der Pferdestall war die angesagte Disco in unserer Stadt. Die war riesig groß und immer proppevoll. Auch tolle Stargäste hatten dort oft Gastauftritte. Dass dann dort der Bär los war, wusste jeder in unserer Stadt.

      Mein Mann knurrte zwar erst, als ich ihm von meinem Vorhaben berichtete, nickte aber im Hinblick auf den zu erwartenden Verdienst.

      Also machte ich mich des Abends auf den Weg zu der Disco.

      Das große Haus mit den beiden „Waldmann-Betrieben“ lag mitten in der Fußgängerzone der City. Es waren zwei völlig verschiedene Gastronomie-Modelle. Im Obergeschoss des Hauses befand sich ein Pub mit Namen Accapulco, mit gutbürgerlichem Speisenangebot, in dem allerdings überwiegend Jugendliche verkehrten.

      Die Disco Pferdestall war ein Kellerlokal, riesengroß mit großer Bar in U-Form, gleich nahe dem Eingang. In der Mitte des Lokals eine große, runde Tanzfläche um eine dicke, verspiegelte Säule herum und in verschiedenen Abteilen boten die Tische mit gepolsterter Bestuhlung reichlich Sitzplätze. Das Fassungsvermögen des Lokals belief sich auf fast Eintausend Personen. Ein sehr beeindruckender Laden.

      Die Besitzer waren bekannte Gastronome, die noch zwei weitere Lokale betrieben. Ein elegantes Ausflugs-Restaurant in einer bevorzugten Stadtrandlage mit einer wunderschönen Aussicht auf das grüne Bergische Land, und eine kleine, feine Disco in Haan, einem kleinen Nachbarstädtchen.

      Horst Waldmann und Frau hatte ich mal vor längerer Zeit in einer Bar kennen gelernt und als sehr sympathisch empfunden, aber sie waren nicht anwesend.

      An der Bar hatte ich die Bedienung nach dem Besitzer gefragt und war an den Geschäftsführer verwiesen worden.

      Harald Jäger war ein dicklicher aber netter Herr mittleren Alters, der mich freundlich musterte und gleich wissen wollte, ob ich denn kellnern könne.

      „Es ist zwar schon einige Zeit her, aber ich habe lange in Tanzclubs gekellnert und zuletzt in der Adler-Schänke. Ich glaube doch dass ich es noch kann.“ Erwiderte ich lächelnd.

      „Gut“, sagte Herr Jäger, „also wir suchen fürs Wochenende, von Freitag bis Sonntag, wobei der Sonntag nicht regelmäßig ist, aber manchmal auch in der Woche wenn wir Star-Gast-Auftritte haben. Kannst du das? Ich sag einfach mal du. Darf ich doch?“

      Auf mein Nicken fuhr er fort: „Komm, dann zeige ich dir mal deinen zukünftigen Arbeitsbereich. Bei uns sind die Abteile auf verschiedene Kellner verteilt. Hier hinter der Bar ist der „Schlafwagen“, das wäre dein Revier. Da sitzen meist die Pärchen oder die älteren Gäste, die etwas abseits und nicht so im Mittelpunkt sitzen wollen. Vorne an der Tanzfläche ist es lauter und unruhiger. Du hast im Schlafwagen den Vorteil dass du nicht so weit zu laufen brauchst. Für den Anfang ist es da auch leichter für dich.“

      Dabei führte er mich an der Kellner-Ausgabe vorbei, bis fast zum Eingang bis zu einer dreistufigen breiten Treppe in den erhöhten Sitzbereich. Die gemütlichen Sessel und Sofas boten tatsächlich an, zu relaxen, ja zu schlafen. Der Name dieser Abteilung passte, weil auch nur gerade achtzig Sitzplätze vorhanden waren, aber nun war es leer. Selbst voll besetzt sicher leicht zu bedienen. Ich bestätigte nickend: „Ja, ist leicht zu bewältigen.“

      „Keine Sorge“, beruhigte mich der Geschäftsführer, „am Wochenende ist auch der Schlafwagen gut besetzt. Also was ist, fängst du übermorgen an? Wie heißt du denn eigentlich?“

      „Ruth! Ja, wenn Sie mir noch sagen wie der Verdienst ist?“

      Herr Jäger lachte, fand das lustig, dass er mir alles gezeigt aber nichts zu den Verdienstmöglichkeiten gesagt hatte.

      „Fünfzehn Prozent, alkoholfreie Getränke frei, Essen aus der Küche zum halben Preis, aber du hast nur die Wahl zwischen zwei Tagesgerichten. Natürlich keine Filetsteaks und solche teuren Sachen. Ist klar, oder?“

      Ich war beeindruckt, das war mehr als ich erwartet hatte.

      Als