Zweiter Sieger. Ruth Broucq. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruth Broucq
Издательство: Bookwire
Серия: Trümmerprinzessin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742713575
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      „Und wo sind deine Gesellen?“ wollte ich es genau wissen.

      „Na, wo wohl? Auf der Baustelle!“ ließ mein Mann sich nicht aus der Ruhe bringen. „Und, was willst du hier? Mir hinterher spionieren?“ schnauzte Robert mich ärgerlich an.

      „Nein, ich bin nur auf dem Weg zum Markt. Aber meinst du denn, dass du die Beiden alleine lassen kannst? Dass die dann auch arbeiten?“ sorgte ich mich.

      „Weiber! Ich mach das schon. Kümmere dich mal um Kinder und Haushalt und überlasse alles andere mir!“ Prahlte er großspurig.

      „Hoffen wir das Beste!“ zweifelte ich.

      Dieser Vorfall verfolgte mich gedanklich den ganzen langen Tag, sodass ich meinen Mann abends darauf ansprach: „Sag mal Robert, bist du öfter längere Zeit von der Baustelle weg? Kann es sein, dass die beiden Jungens sich dann nen gemütlichen Tag machen und wir deshalb nicht von der Stelle kommen?“

      „Quatsch!“ Dementierte mein Mann sofort. „ Du siehst direkt wieder Gespenster! Nur weil ich mal ab und zu ein Bierchen bei der Schürze, auf der Tanke, trinke, deshalb geht doch die Welt nicht unter. Außerdem übertreibst du mal wieder!“ spielte er die Wichtigkeit herunter.

      Ich sah ein, dass es sinnlos war, näher auf das Thema einzugehen, nahm mir aber vor, meinen Mann etwas besser im Auge zu behalten, so lange er Baustellen in der Nähe hatte.

      Zwar bearbeiteten nun drei Maler unsere Aufträge, aber es änderte sich nichts. Und obwohl ich mich der Rechnungsstellung angenommen hatte, klappte das Kassieren unserer Rechnungen nicht besser. Bei dem nächsten größeren Auftrag, einer Treppenhaus-Renovierung, hätte unser neues System eigentlich perfekt klappen müssen, aber es kam anderes.

      Die Arbeit war für zehn bis vierzehn Tage anberaumt, so dass ich gleich am ersten Arbeitstag die a-Konto-Forderung über ein Drittel der Rechnungssumme per Post an die Kunden verschickte. So war unsere Absprache.

      Am zweiten Arbeitstag kam Robert wie üblich zum Mittagessen und erklärte mir recht aufgebracht: „Also, dein neues System kannst du vergessen, das geht nicht! Ich habe mich heute Morgen so geschämt, nein, Ruthchen, das geht nicht!“

      Erstaunt wollte ich wissen: „Wieso?“

      Ärgerlich erzählte er: „Als die Kundin ihre Post reingeholt hatte, kam sie Minuten später wieder ins Treppenhaus und rief mich, um mir zu sagen, dass ich heute Mittag, wenn ich zum Essen fahre, vorher bei ihr anklingeln soll, um das Geld mitzunehmen. Ich war so perplex, dass ich gefragt habe, welches Geld. Da zeigte sie mir deine a-Konto-Forderung. Das war mir so peinlich, dass ich gesagt habe, sie könne mir das auch die nächsten Tage noch mitgeben, das wäre ja nicht so eilig!“

      „Was?“ schrie ich empört. „Was hast du gesagt? Ich hab mich wohl verhört? Dir ist das peinlich dein eigenes Geld zu nehmen? Hast du eigentlich nicht alle Tassen im Schrank? Wofür arbeitest du denn, und weshalb wollten wir das denn so machen mit den Rechnungen? Was bist du für ein Arsch Ich kotz gleich!“

      Auf diese Art konnte bei uns nichts wirklich funktionieren, weder mit den Geldeingängen noch mit dem Kassieren. Aber meine Einwände waren sinnlos, mein Mann akzeptierte meine Meinung nicht.

      Selbst die Rückendeckung, die ich durch seine Eltern erfuhr, konnte seine Überheblichkeit nicht schmälern.

      Scherben

      Die Stimmung wurde immer schlechter, unsere Ehe war eine einzige Katastrophe.

      Vermutlich wollte sich auch mein Mann von unserem frustrierenden Alltag ablenken und mehr Vergnügen hinein bringen, denn er lud unnatürlich häufig Freunde zu uns ein. Unser Haus glich einem Taubenschlag, die befreundeten Paare gaben sich fast die Tür in die Hand. Während es mir schon zu viel wurde, sonnte sich Robert in der Bewunderung seiner Kumpels, welch erfolgreicher großzügiger Geschäftsmann er doch war. Seine Art aufzuschneiden, seine bescheidenen Aufträge zu großen wichtigen Erfolgen zu machen, waren Himmelschreiend. Dass es seinen Freunden nicht auffliel konnte ich kaum glauben, aber ganz offenbar nahmen sie den Angeber entweder nicht ernst, oder es war ihnen egal. Sie taten ihm den Gefallen und bewunderten ihn, ließen sich bewirten.

      Ich fand es zum kotzen, aber was sollte ich machen?

      Während wir über unsere Verhältnisse lebten, wurde unser Schuldenberg immer größer, denn meine Wochendend-Beschäftigung brachte gerade das Geld für unseren Lebensmittel-Bedarf. Von den geschäftlichen Einnahmen konnten kaum die Löhne und Sozialabgaben bestritten werden. Alles andere blieb liegen, machte den Stapel unbezahlter Rechnungen immer höher.

      Unsere eheliche Beziehung war auf einem absoluten Tiefpunkt angelangt, als ein gemütlicher Abend ein explosives Ende fand.

      Eigentlich hatte der Samstagabend einen schönen und lustigen Verlauf genommen, an dem Karl-Herrmann und Gundula bei uns zu Gast waren. Wir hatten uns nett unterhalten- Musik gehört und Witze erzählt und wie immer war dem Alkohol reichlich zugesprochen worden. Das meiste hatte natürlich mein Mann mal wieder getrunken.

      Zu vorgerückter Stunde machte sich Roberts hoher Alkoholspiegel deutlich bemerkbar, er lallte etwas, schwankte leicht und wollte unbedingt tanzen. Gundula war wohl auch schon recht angeheitert, sodass sie sich bei sanfter Schmusemusik eng in Roberts Arm schmiegte. Der Tanz glich mehr und mehr einem Geschlechtsakt, so klammerten sich die beiden aneinander fest und Roberts Hände glitten in Regionen, die eigentlich Gundulas Ehemann vorbehalten sein sollten.

      Karl-Herrmann und ich saßen weit von einander entfernt auf den beiden Sofas und waren eher peinlich berührt als amüsiert, als Robert uns aufforderte: „Los, ihr trüben Flaschen, tanzt doch auch mal. Ist ja langweilig wie ihr da auf einem Fleck klebt als wärt ihr angeleimt! Macht doch mal Spaß!“

      Beide waren wir uns einig und wehrten das Ansinnen entschieden ab, denn wir konnten nicht daran vorbeisehen, worauf das Ganze abzielte, und das war absolut nicht in unserem Sinne. Also schüttelten wir den Kopf und blieben sitzen. Jedoch kritisierten wir das Verhalten unserer Ehepartner mit keinem Wort.

      Das schien meinem Mann jedoch nicht auszureichen, denn er drängte weiter: „Seid doch nicht so stur, ihr zwei! Was ist denn schon dabei, wenn wir mal ein bisschen Abwechslung in unser Leben bringen? Wir sind doch erwachsene Leute, man kann doch nicht immer nur Eintopf essen, ab und zu will man doch mal in ein saftiges Stück Fleisch beißen, oder? Wir sind doch unter uns, mach doch mal mit. Ruthchen, komm, der Karl-Herrmann hat bestimmt nichts dagegen, mal nen anderen Stich zu machen. Komm, es liegt bestimmt nur an dir. Sei mal locker!“

      Das war mir denn doch zu viel und ich empörte mich: „Sag mal schämst du dich eigentlich nicht? Wie kannst du denn deiner Frau so etwas zumuten und deinem Freund so ein Angebot machen? Ich denke, du hast zu viel getrunken und weißt nicht was du gerade gesagt hast…..“

      Wütend ließ Robert seine Tanzpartnerin los, schob Gundula von sich und griff eine Whisky- Flasche vom Tisch, hob sie hoch und schlug die Flasche mitten auf den Wohnzimmertisch. Während die Flasche und der Glastisch in Tausend Scherben zerbrachen und die Glassplitter sich in Windeseile auf dem Teppichboden verteilten, schimpfte mein Mann: „Du blöde Trockenpflaume, du gönnst einem Mann auch gar nichts! Den ganzen Spaß musst du mir verderben, wieso ich dich geheiratet habe, das werde ich nie begreifen.“

      Karl-Herrmann war aufgesprungen, Gundula stand wie erstarrt und mir kamen die Tränen des Zorns, aber der Einzige der einfach aus dem Raum ging, Richtung Schlafzimmer, war der Verursacher des Schadens.

      Robert ging ohne ein Wort einfach schlafen, unsere Gäste verabschiedeten sich schnell, und ich war letztlich die Dumme, die über mehrere Stunden mit dem Staubsauger die Scherben bekämpfte.

      Es war ein Wunder, dass die Kinder einen so festen tiefen Schlaf hatten und nichts von alledem mitbekommen hatten. Noch am nächsten Vormittag sperrte ich das Wohnzimmer ab und ging mit neuem Staubsauger-Beutel weiterhin auf Scherbenjagd. Das war mein Sonntagsvergnügen. Robert verzog sich in den Partykeller und ignorierte die Sache.

      In unserer Ehe war Eiszeit angebrochen,