Zweiter Sieger. Ruth Broucq. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ruth Broucq
Издательство: Bookwire
Серия: Trümmerprinzessin
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783742713575
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versteinert am Küchentisch.

      Als habe sie es geahnt, erschien meine Schwiegermutter wie gerufen: „Guten Morgen. Wieso fährt der Robert denn weg? Lass den man zurück kommen, dem werde ich was erzählen. Mein Gott, du musst doch hundemüde sein. Geh mal schlafen, ich nehme die Kinder mit runter.“

      „Danke Mami, ich falle auch fast um vor Müdigkeit. Aber er ließ sich nicht von seinen Kundenbesuchen abhalten.“ Stöhnte ich dankbar und verschwand schnell ins Schlafzimmer.

      Als ich am Nachmittag wach wurde, fiel mein Mann gleich verbal über mich her. „Das zahle ich dir heim, dass du mal wieder meine Mutter gegen mich aufgehetzt hast, blöde Kuh!“

      Robert war so wütend dass er kein Gegenargument zuließ. Er schimpfte noch eine ganze Weile, sodass ich mir jegliche Antworten sparte. Ich ließ ihn einfach reden und kümmerte mich um Haushalt und Kinder, versuchte noch ein wenig Ruhe zu erhaschen.

      Der Samstag war mein nächster Arbeitstag, also stylte ich mich am frühen Abend um zur Arbeit zu gehen. Die zynische Bemerkung meines Mannes: „Toll was? Jetzt kannste wieder in deine Disco abhauen. Biste froh dass du abhauen kannst?“ ignorierte ich einfach.

      Ich brachte noch den Kleinen ins Bett, ermahnte Ramona, artig zu sein und griff meine Handtasche.

      „Ich fahre dich eben!“ gab Robert sich plötzlich großzügig, was ich nur mit einem Nicken bestätigte. Auf lange Diskussionen hatte ich genauso wenig Lust wie auf Streitereien.

      Nach einer schweigsamen Fahrt bekam ich sogar noch einen Abschiedskuss.

      Wie großzügig, dachte ich nur und war tatsächlich froh in die Kellerdisco verschwinden zu können.

      Der zweite Arbeitstag war noch erfolgreicher als die Nacht zuvor. Der Umsatz war fantastisch, die Trinkgelder ebenfalls, alle Gäste schienen in Geberlaune zu sein. Richtig glücklich fuhr ich am frühen Sonntagmorgen nach Hause.

      „Das war eine gute Entscheidung im Pferdestall zu arbeiten! So viel könnte ich nirgendwo so leicht verdienen.“ Berichtete ich am Nachmittag meinen Schwiegereltern beim Kaffeetrinken.

      Sofort kam die Rückendeckung durch meine Schwiegermutter: „Und du musst das mal honorieren, Junge, und deine Frau besser unterstützen. Nachtarbeit ist sowieso schon anstrengend genug und noch dazu in einem so lauten Umfeld, das schlaucht. Dass die Ruth danach noch stundenlang auf die Kinder aufpassen soll, kannst du ihr nicht zumuten. Es ist doch normal, dass sie danach erst mal schlafen muss!“

      Als ob er sich unterbewertet fühlte erwiderte Robert fast beleidigt: „Nun übertreibt das mal nicht so, ihr tut ja so als hätte ich nichts zu tun. Ich muss mich auch nach meinen Kunden richten und mir meine Zeit frei einteilen können. Meine Arbeit geht nun mal vor. Manchmal muss das eben auch samstags sein. Schließlich habe ich soviel Aufträge, dass ich noch einen zweiten Gesellen einstellen musste. Er fängt morgen an!“ ließ mein Mann die Katze aus dem Sack.

      Wir sahen ihn alle erstaunt an.

      „Noch den zweiten Gesellen?“ fragte ich fassungslos. „So viele Aufträge hast du bekommen? Wieso habe ich das denn nicht mitgekriegt?“

      „Was verstehst du schon davon?“ sagte mein Mann abwertend.

      Die Rettung der schwierigen Lage erschien am nächsten Vormittag. Meine Oma kam zu Besuch.

      Sie war ein sehr gern gesehener Gast in unserer Familie, unsere Kinder liebten die „Tick-Tack-Oma“ sehr. Natürlich nicht nur weil sie eine liebevolle alte Frau war, auch weil sie, obwohl sie Sozialhilfe-Empfängerin war, immer Süßigkeiten in der Tasche hatte. Mit ihren Zweiundachtzig Jahren war sie immer noch die rüstige energische Frau, die ich seit meiner Kindheit kannte, und die mir in einigen schwierigen Situationen hilfreich zur Seite gestanden hatte.

      Auch zu diesem Zeitpunkt kam die „Tick-Tack“ wie gerufen. Als ich ihr von meinem Schlaf-Problem nach meiner neuen Nachtarbeit berichtete, bot sie mir spontan an, die nächsten Wochenenden bei uns zu verbringen um mich zu entlasten. Erfreut und dankbar stimmte ich sofort zu.

      Selbst mein Mann freute sich über den Besuch und das Angebot, was auch ihn entlastete und ihm am Samstag mehr Freiraum geben würde.

      Trotzdem konnte Robert es nicht lassen die alte Dame mit seinen dummen Sprüchen zu flachsen, und begrüßte die Oma: „Mensch Oma, du lebst ja immer noch. Irgendwann müssen wir dich erschießen, freiwillig verabschiedest du dich wohl nicht, was?“

      Ärgerlich tadelte ich ihn: „Lass doch die widerlichen Witze, Robert! Wir können darüber nicht lachen!“

      Mein Mann fand sich und seine unmöglichen Flachsereien ganz toll, er lachte salbst laut, während meine Oma das ignorierte und mit keiner Miene zeigte wie sie das empfand. Sie hatte eine unnachahmliche vornehme Haltung, woran man selbst im hohen Alter ihre adlige Abstammung noch erkennen konnte.

      Launig erzählte mein Mann von seinen umfangreichen Arbeiten und davon dass er auch mit dem neuen Gesellen, Walter, einen guten Griff getan hatte.

      Trotz Roberts übertriebenem Eigenlob wurde es noch ein gemütlicher Abend und wir boten der Oma an, über Nacht zu bleiben.

      Durch die unerwartete Kinderbetreuerin am Wochenende hatte ich zusätzlich noch eine fleißige Haushalthilfe, was natürlich auch unserem ganzen Familienleben zugute kam.

      Zwar konnte ich mit meinem Verdienst einen großen Teil der Haushaltskosten bestreiten, aber wirklich voran brachte uns diese Zusatzeinnahme nicht. Denn davon, dass nun drei Maler unsere Aufträge bearbeiteten merkte ich finanziell nichts. Es kam einfach nicht genügend Geld rein.

      „Verdammt noch mal Robert, wieso hinken wir denn immer noch mit den Einnahmen hinterher, und kriegen die alten Rechnungen nicht bezahlt? Nun arbeitet ihr zu dritt, aber es reicht vorne und hinten nicht. Das verstehe ich nicht. Erklär mir das mal!“ fragte ich eines Tages ärgerlich.

      „Was kann ich denn dafür wenn die Kunden so spät erst bezahlen? Das ist im Handwerk eben so, da müssen wir mit leben!“ war die hilflose Antwort.

      Aber damit wollte ich es nicht bewenden lassen, deshalb kritisierte ich: „Damit können wir aber nicht leben, weil wir so einfach nicht klar kommen. Dann musst du deinen Kunden mal die Rechnung selbst bringen und gleich kassieren. Die Leute werden sicher Verständnis dafür haben, dass eine junge Familie nicht endlos auf die Bezahlung warten kann. Aber wenn du die Rechnung per Post erst nach einer Woche schickst, müssen die ja glauben, wir hätten das Geld nicht so dringend nötig!“

      Empört widersprach mein Mann: „Hast du sie noch alle? Ich kann doch nicht bei meinen Kunden um die Kohle betteln? Wie sieht das denn aus? Nee, das mach ich nicht, vergiss es!“

      „Nicht? Du schämst dich um dein eigenes Geld zu fragen? In Ordnung, machen wir anders, du gibst mir schnellstens die Zahlen und ich schick die Rechnung per Post. Aber wirklich schnell. Bei Aufträgen die länger als zwei bis drei Tage dauern, in drei Abschnitten. Ein Drittel akonto wenn du angefangen hast, ein Drittel bei halber Arbeitsleistung, und den Rest bei Fertigstellung. Mir macht es nichts aus um unser Geld zu fragen. Ich kann auch zum kassieren hingehen. Was meinst du dazu?“ Ich hatte zwar sachlich erläutert wie ich mir das dachte, mich aber dennoch in Rage geredet.

      Als wäre er erleichtert stimmte er sofort zu: „Mach wie du willst, ja, mach das! Schnell die Rechnung schicken ist gut, aber nicht hingehen, das sieht nicht gut aus.“

      Die unangenehmen Dinge auf mich abzuwälzen war sowieso eine seiner Angewohnheiten, das kannte ich schon.

      Was ich einige Tage später, auf dem Weg zum Wochenmarkt entdeckte, war allerdings etwas Neues für mich und versetzte mich in Staunen.

      Ich war gerade an der Schule vorbei gegangen, als ich gegenüber meines Mannes Auto vor der DEA-Tankstelle stehen sah. Neugierig ging ich auf die gegenüberliegende Straßenseite und entdeckte meinen Mann seelenruhig in dem Tankhäuschen sitzen. Robert war mit dem Tankwart, seinem Freund, Kurt-Heinrich Schürzenberg, bei einem gemütlichen Plauderstündchen.

      Gerade wollte Robert eine Bierflasche zum trinken ansetzen, als ich kommentierte: