Bei Ebbe geht das Meer nach Hause. Marie Wendland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marie Wendland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783748547679
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die immer noch durchs Wohnzimmer tigerte. „Das kann wirklich nicht dein Ernst sein“, wiederholte sie jetzt noch einmal und ließ sich in einen Sessel fallen. Bevor Ralph seine sorgfältig präparierten Argumente auch nur vorbringen konnte, fuhr sie fort: „Weißt du eigentlich, was hier los ist? Patrick musste ich gestern entlassen und dann hat Julia auch gleich gekündigt! Kannst du dir das vorstellen?“

      „Naja, die beiden hatten schließlich was miteinander“, erwiderte Ralph trocken und merkte zu spät, dass sie das nur noch aufgebrachter werden ließ. Anscheinend waren Klara im Gegensatz zu ihm die Blicke, mit denen Patrick seine Kollegin regelmäßig aufgefressen hatte, nicht aufgefallen. Da sollte noch mal einer sagen, Männer wären nicht sensibel!

      „Ist ja auch ganz egal“, ereiferte Klara sich weiter, „auf jeden Fall haben sie heute Morgen beide die erste Fähre genommen, ich weiß gerade nicht, wie ich den Laden am Laufen halten soll, und dann tauchst du hier auf und kommst mir mit so einem Vorschlag. Wir sind doch kein Ferienlager!“ Ihre blauen Augen fixierten ihn und warteten offensichtlich auf eine Antwort. Ralph beeilte sich, seine Argumentation den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen. Er musste sich kurz selbst daran erinnern, dass er es gewohnt war mit unvollständigen Briefings zu arbeiten und dass gerade in solchen Situationen Spontaneität zu seinen Stärken gehörte.

      „Aber das passt doch dann perfekt!“, verkündete er schließlich. Klara schnaubte nur. Das Wort „perfekt“ war wohl das letzte, mit dem sie die derzeitige Situation umschreiben würde.

      „Nein, wirklich. Schatz, überleg‘ doch mal“, fuhr Ralph fort, während er sich fast verschwörerisch zu ihr vorlehnte, „dir fehlt eine Aushilfe und genau in diesem Moment bekommst du jemanden auf dem Silbertablett serviert. Das ist doch schon fast Schicksal.“ Jetzt grinste er, denn er wusste natürlich, dass seine Frau dem Konzept Schicksal sehr kritisch gegenüberstand. Auch Klara musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Wenn Ralph da war, fühlte sich alles gleich viel leichter an. Überzeugt hatte er sie trotzdem noch lange nicht!

      „Du hast eine Sache vergessen.“ Sie lehnte sich ebenfalls nach vorne, sodass sich ihre Nasenspitzen fast berührten. „Mir fehlt nicht eine Aushilfe, mir fehlen zwei!“

      „Das heißt, wenn ich dir noch eine zweite Kraft besorge, sagst du Ja?“ Ralph war durchaus bereit, sich auf den Handel einzulassen.

      „Nein.“ Klara lehnte sich wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. „Wenn du das nämlich nicht schaffst, ist es zu spät, um diesem Abgeordneten wieder abzusagen. Das heißt, das gesamte Risiko würde bei mir liegen.“

      „Klingt nach einem schlechten Deal“, musste Ralph zähneknirschend zugeben.

      Während er noch überlegte, was er stattdessen anbieten könnte, sprach Klara schon weiter: „Kein Problem, ich habe eine bessere Idee. Du hast doch im Sommer vier Wochen Urlaub, um an deinem Buch zu schreiben. Wenn du niemanden findest, arbeitest du diese vier Wochen stattdessen im Hotel mit.“ Sie lächelte unschuldig. Langsam fing die Sache an, ihr Spaß zu machen!

      Ralph fuhr sich über seine Bartstoppeln. Er hatte sich heute Morgen noch nicht mal die Zeit zum Rasieren genommen. Ihm gefiel so gar nicht, was Klara da vorschlug, aber wenn es die einzige Lösung war? Er wusste selbst nicht warum, aber er wollte inzwischen unbedingt, dass Projekt Whisky ein Erfolg wurde.

      „Gut, dann schlag ein.“ Er hielt ihr die ausgestreckte Hand hin und freute sich über ihr sichtlich perplexes Gesicht. Damit hatte Klara wirklich nicht gerechnet.

      „Na schön, wenn es dir so wichtig ist, nehmen wir die Praktikantin.“ Ihre Hände hatten sich schon fast berührt, da zog sie die Hand zurück und ballte sie stattdessen zur Faust.

      „Was ist mir dir, Schatz?“, reagierte Ralph sofort besorgt auf ihren Stimmungsumschwung.

      „Das Mädchen, von dem du erzählt hast, ist sechzehn und wenn ich das richtig verstanden habe, nicht ganz einfach. Das ist eine große Verantwortung, die wir da übernehmen würden. Wir sollten uns sicher sein, dass wir das leisten können. Nicht nur unseretwillen, auch ihr zuliebe. Wir dürfen nicht darüber entscheiden, als wäre es ein Spiel.“

      „Du hast Recht, wir dürfen nicht nur an uns und das Hotel denken. Aber gerade deswegen halte ich es für eine gute Idee. Ich habe Maxwell Goulding kennen gelernt und wenn er diesem Mädchen eine Chance geben möchte, hat er gute Gründe dafür. Sie hat es bisher nicht leicht gehabt.“ Ralph nahm Klaras Hand in seine und löste vorsichtig ihre verkrampften Finger. „Mit diesem Hotel hier am Meer haben wir uns doch unser kleines Paradies geschaffen. Es wird bestimmt auch ihr guttun hier zu sein. Und es wird ihr guttun, wenn du dich ein bisschen um sie kümmerst. Ich kann mir niemand Besseres dafür vorstellen.“ Dieses Argument hatte Ralph sich absichtlich bis zum Schluss aufgespart und während er es aussprach, merkte er, wie sehr er tatsächlich davon überzeugt war.

      Klara zögerte. Sie war keineswegs davon überzeugt, dass sie die Richtige für diese Aufgabe war. Vielmehr war sie sich sicher, genau die Falsche dafür zu sein. Diese Praktikantin würde keine gewöhnliche Aushilfe sein, sie war ja fast noch ein Kind. Noch dazu ein Kind, das anscheinend Hilfe brauchte. Ok, Klara, sei nicht albern, mit sechzehn Jahren ist man durchaus schon selbstständig und muss nicht mehr gefüttert werden, versuchte sie sich selbst zu beruhigen. Trotzdem echote dieses eine Wort wieder und wieder in ihrem Kopf. Kind. Nein, Klara konnte das nicht. Sie öffnete den Mund, um Ralph genau das zu sagen. Sie wusste, dass er sie dann nicht weiter bedrängen würde. Trotzdem sprach sie es nicht aus, sondern klappte den Mund einfach wieder zu. Denn seit Ralph ihr von seinem wahnwitzigen Plan erzählt hatte, war da dieses Gefühl. Es war ein leichtes, ein gutes Gefühl. Als würde ein Luftzug ein Windspiel zum Klingen bringen. Sobald sie sich aber umwandte, um das Windspiel zwischen den grünen Zweigen zu entdecken, war der Wind verebbt und das Klingen war nur noch eine Erinnerung.

      Sie sah aus dem großen Dachfenster. Das Dünengras wiegte sich sanft im leichten Wind, dahinter lag das Meer und funkelte im Licht der grellen Mittagssonne wie ein riesiger Saphir. Von der Terrasse drang das dröhnende Lachen von Nils, ihrem Koch, sowie das Kichern einiger Mädchen nach oben. Bestimmt hatte er ihnen gerade einen seiner Witze erzählt, die nur er lustig fand. Wenn er aber anfing zu lachen, musste trotzdem jeder mitlachen... Ralph hatte Recht, sie hatten sich hier ein kleines Paradies geschaffen. Vielleicht waren sie es diesem Mädchen wirklich schuldig, etwas von ihrem Glück zurückzugeben. Vielleicht war gerade sie, Klara Klassen, es diesem Kind schuldig.

      Mitte Juni bis Mitte Oktober, hatte Ralph gesagt, also vier Monate. Das war keine Ewigkeit. Stina würde da sein und könnte die junge Kollegin an die Hand nehmen. Im besten Fall hätten sie bis dahin eine weitere neue Aushilfe gefunden. Klara atmete noch einmal tief durch, dann öffnete sie den Mund erneut: „Ok.“ Während Ralph sie stürmisch küsste, wurde ihr klar, dass sie nichts über dieses Mädchen wusste. Noch nicht einmal ihren Namen. Vielleicht wollte sie das im Moment auch noch gar nicht.

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