Balkany Knights. Hermann Christen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Christen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752915648
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Atem, "die Tarantella-Kasatschok-Kombination. Auf einem Bein…"

      Wahrscheinlich hätte das geklappt, wenn nicht einer der Spartiaken seine Fahne quer über die Sitzreihen gelegt hätte. Die heimtückische Stange vereitelte das grandiose Finale. Als Buddlibär die Arme über der Brust verschränkte und das rechte Bein in die Höhe schwingen wollte, blockierte die Stange seinen Fuß. Mit rudernden Armen rang er um Gleichgewicht, aber sein eigener Schwung riss ihn um. Er knallte wuchtig auf die untere Sitzreihe und zerschmetterte ein halbes Dutzend Lehnen. Etwas benommen rappelte er sich auf.

      "Bist du verletzt?", schrie Eichhörnchen.

      "Nur im Stolz – hoffentlich hat das niemand gesehen."

      "Fast niemand", grinste Eichhörnchen erleichtert und zeigte auf die große Anzeigetafel, wo Buddlibär im Großformat flimmerte. Buddlibär winkte zerknirscht in die Kamera. Dann schwenkte das Bild um, weil die Mannschaften wieder auf dem Platz erschienen.

      Das Spiel verlief gleich, wie vor der Pause, nur in die andere Richtung. Im Block der Spartiaken verloren die Fans die Zuversicht, dass das Spiel noch drehen würde und konzentrierten auf die Flaschen mit der Zahnputzflüssigkeit. Beim 3:0 hielt Buddlibär-Mischka still, was ihm ein anerkennendes Nicken von Vladimir einbrachte. Kurz vor Ende des Spieles rollte der Ball in das Tor der Schwarz-Roten.

      "Jetzt – jubeln", dirigierte Vladimir düster.

      Mit hängenden Köpfen schlurften die Spartaner zum Ausgang. Vladimir diskutierte mit dem Hünen, was schief gelaufen war. Erstaunt hörte Buddlibär, dass der Trainer von Spartak Schuld war.

      "Trainer falsch Taktik", erklärte Vladimir maulend.

      "Stimmt, Trainer schuld", bestätigte der Hüne.

      "Wie denn", hakte Buddlibär verwirrt ein, "den haben sie nicht mitspielen lassen. Lief immer vor dem Velounterstand auf und ab und wurde ignoriert…"

      "Trainer schwach!"

      Buddlibär blickte hilfesuchend zu Eichhörnchen.

      "Ich hab dir schon im Zug gesagt, dass Fußball blöde ist", grinste es schulterzuckend.

      Wenigstens geben sie nicht mir die Schuld, dachte Buddlibär. Er ahnte, dass er in den Augen von Vladimir und seinen Freunden den Mischka vergeigt hatte. Er hatte sich als verrosteten Mittelklassewagen aus zweiter Hand mit gefälschter TüV-Zulassung herausgestellt und nicht als der feurig blinkende Sportwagen, den sie erhofft hatten.

      Einer der Polizisten, der die Menschenmasse gelangweilt beobachtete, deutete mit dem Zeigefinger auf Buddlibär und rief seine Kollegen. Auf beiden Seiten des Menschenstromes postierten sich mehr als zwölf Uniformierte. Als die Spartak-Fans auf ihrer Höhe waren, wuselten sie sich durch und umzingelten Buddlibär. Der mit dem Stern auf der Schulterklappe beobachtete die Arbeit seiner Kollegen mit strengem Blick.

      "Du", sagte Stern, "du kommst mit."

      Buddlibär blieb verdutzt stehen. Die Menschenschlange stockte.

      "Lass Mischka", mischte sich Vladimir ein und stellte sich schützend vor sein Maskottchen, "muss Trauerarbeit machen jetzt. Weiß auch wie!"

      "Das muss warten", sagte Stern bestimmt, "zuerst muss das Protokoll aufgenommen werden." Er zupfte seine Schirmmütze zurecht und zog sie bedeutungsvoll tiefer in die Stirn: "Sachbeschädigung – das wird geahndet!"

      "Sachbeschädigung?", äffte Vladimir den Stern nach, "was Sachbeschädigung? Unfall! Verhaften Planer, weil wenig Platz geplant. Wegen doofen Stühlen kann nicht tanzen. Eigentlich klagen sollten wir. EUHG wird Recht mir geben."

      Georg, der Hüne und drei weitere Spartak-Fans stellten sich neben Vladimir: "Das ist doch kleinlich wegen ein paar altersschwachen, billigen Stühlen einen Aufstand zu machen! Ist das die oft besungene Gastfreundschaft Italiens?"

      Stern schüttelte den Kopf: "Mitkommen – Protokoll aufnehmen", leierte er und blickte unsicher zum Kollegen mit den verschränkten Armen, einem Doppelstern, der leicht erhöht in einiger Entfernung stand und beobachtete.

      "Was ist los?" – "Geht’s weiter?" – "Vorwärts machen!"

      Die Schwarz-Roten hinter den Spartiaken wurden ungeduldig – die Siegesfeier in der Stadt wartete. Die ersten mischten sich ein. Ein kleiner, schwarzhaariger Mann mit schwarz-rot bemalten Gesicht, was aussah wie ein Zebra mit Sonnenbrand, und einem riesigen Megaphon schob Georg zur Seite und stellte sich breitbeinig vor Stern.

      "Lass sie durch – der Gästesektor wird ohnehin neu bestuhlt. So wie ihre Mannschaft gespielt hat, haben die schon Ärger genug."

      "So isses", bestätigte Vladimir, "Bär jetzt weltberuhmt – du machen Promibashing."

      Stern schüttelte trotzig den Kopf.

      Zebra drehte sich um, stellte sich auf die Zehenspitzen und brüllte in sein Megaphon: "Die kassieren den Bären."

      Jetzt reklamierten die Italiener und unterstützen die Russen. An Sterns Schläfen rannen Schweißtropfen über die Backe. Wieder sah er sich verzweifelt nach dem Chef um.

      Eichhörnchen sondierte die Lage. Buddlibär war in Schwierigkeiten. Es war wie ein Fluch, dass sein Freund am Ende immer hinter Gittern zu landen drohte. Es begriff, dass Stern und seine Kumpels, die sich von gestikulierenden Italienern und schimpfenden Russen umringt sahen, nur Handlanger waren. Der Boss war der mit den verschränkten Armen. Ein Boss mit Leib und Seele der sich dadurch verriet, dass er im Hintergrund agierte und seine Untergebenen die Fehler machen ließ. Ein Boss der wusste, wie man Boss bleibt. 'Mit dem muss ich sprechen'.

      Leutnant Dalla Rossi verstand nicht, warum die Schwarz-Roten für den Bären Partei ergriffen. Der Bär war die Lunte, woran sich vom Fußball erhitzte Gemüter entzündeten. Er überlegte eben, ob er noch drei, vier Hundertschaften Polizei und ein paar Wasserwerfer anfordern sollte, als etwas an der Hose zupfte. Er blickte hinab.

      "Ich weiß, wie du aus der Sache raus kommst." Eichhörnchen kletterte auf die Schulter des Leutnants. "Du bist hier der Boss – nicht?"

      Der Mann nickte. "Leutnant della Rossi", schnarrte er.

      "Eichhörnchen", stellte sich Eichhörnchen vor und salutierte, "wenn du clever bist, lässt du den Bären durch."

      "Warum sollte ich das?"

      "Bis jetzt sind nur ein paar marode, altersschwache Stühle zu Bruch gegangen. Das da vorne hat Potential für mehr."

      Della Rossi dachte nach. "Ich will verhindern, dass ein ausgewachsener Bär meine Stadt unsicher macht, aus Brunnen trinkt, den Verkehr aufhält..."

      "Was gibt's da noch auf zu halten: die ganze Stadt ist ein einziger Stau", unterbrach Eichhörnchen unhöflich.

      Leutnant della Rossi ließ sich nicht aus dem Konzept bringen: was der Fremdling als Stau einstufte wurde von den Einheimischen als gute Gelegenheit gesehen, mit Leuten ins Gespräch zu kommen.

      Er sprach ungerührt weiter: "Ich ziehe ihn aus dem Verkehr, bis sich die Lage beruhigt hat. Sicherheitsmaßnahme. Morgen kann er raus, vielleicht übermorgen, wenn wir ihn versehentlich vergessen..."

      "Wenn du den Bären kassierst, geht die Post erst recht ab, befürchte ich. Ich habe einen besseren Vorschlag", Eichhörnchen musste schreien, um den Lärm von drüben, wo einer der Italiener, der den Sieg seiner Mannschaft in der Stadt feiern wollte, Stern mit der Fahne wegschob und dafür die anderen Polizisten auf sich stürzen sah, zu übertönen, "Wenn du ihn aus dem Verkehr räumen willst, so schieb ihn ab. An die Grenze – ihr wisst ja, wie das geht."

      Della Rossi rieb sich das Kinn und überdachte die Lage. Mittlerweile standen alle auf der Seite des Bären, egal ob rot-weiß oder schwarz-rot und es konnte durchaus sein, dass sie das Gefängnis stürmten, wenn er den Bären einlochte. Er ahnte eine Raserei, gegen welche der Sturm der Bastille ein laues Lüftchen war, voraus.

      "Wird er freiwillig mitkommen, wenn wir ihn abschieben?"

      Eichhörnchen nickte: "Wenn ich dabei bin, ja! Abschieben ist er sich gewohnt."

      "Ok!"