Balkany Knights. Hermann Christen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Christen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752915648
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noch keine Zeit gehabt, mich vor zu stellen: ich bin Georg."

      "Hallo Georg", sagte Buddlibär und streckte seinen Rücken durch.

      "Vladimir hat nicht gelogen: du bist Mischka wie aus dem Gesicht geschnitten! Meine Freunde sind alle da und werden sich freuen, dass du Spartak unterstützt. Ich bin überzeugt, die Italiener spielen mit gezinkten Karten und werden ihr Teufelchen medikamentös und psychologisch aufpäppeln, damit er fit ist. Mit den Spielern machen sie es genauso."

      Er beugte sich vor, schaute sich verstohlen um und flüsterte: "Spartak braucht deine Unterstützung. Weißt du, die haben zur Zeit eine kreative Blockade im Offensivbereich…"

      "Kreative Blockade im Offensivbereich?"

      Georg und Vladimir winkten verzweifelt: "Nicht so laut, der Gegner hört mit…"

      "Das interessiert doch keinen. Ich bleibe dabei: Fußball ist doof und einen sinnbildenden Hintergrund wird niemals ein Philosoph je ergründen, weil es schlicht und einfach keinen gibt."

      "Das sind Vorurteile", verteidigte Georg den Fußball, "das Spiel bringt Völker einander näher und…"

      "Sag das mal den Hooligans. Wobei: auch die kommen einander näher, wenn ich mir das richtig überlege."

      "Was ist das?", Buddlibär deutete nach Süden, wo sich ein riesiges Gebäude im wahrsten Sinn aus dem Boden schraubte, "sieht aus wie ein überdimensionaler, kopfloser Käfer mit Spiralfederbeinen…"

      "San Siro!", erklärte Vladimir freudig, "wo du Mischka machst und Spartak wird siegen!"

      Allmählich trudelten weitere Spartak-Fans ein. Vladimir erklärte stolz, dass Buddlibär den Mischka mache. Sie ließen ihn hochleben, betrauerten den armen Original-Mischka und erzählten aus seinem Leben.

      Buddlibär staunte, was der Ur-Mischka neben der Sauferei sonst so alles drauf hatte: mit verbundenen Augen Teller jonglieren, Autos nachjagen und im vollen Lauf Reifen zerbeißen, drei Stunden am Stück Seilhüpfen und dabei Wolgalieder singen, 30 Sekunden am Stück rülpsen und, und, und.

      "Ich kann Fußbälle zertreten", verriet er stolz, worauf die fröhlichen Russen mit ihm auf Mischka trinken wollten. Hätte er jede Einladung angenommen, hätte er spätestens um zwei Uhr den Kasatschok einbeinig getanzt und wäre um vier Uhr ins Alkoholdelirium gefallen.

      Gegen Abend machten sich zwanzig bis dreißig Männer auf den Weg zum Spiralbeinkäfer. Jemand hängte Buddlibär einen Spartak-Schal um. Von überall her strömten Leute, die meisten mit schwarz-roten Schals, und stauten sich vor den Eingängen auf. Alle schubsten und drängten.

      Eichhörnchen staunte – hier ging es ab wie in einem harten Winter vor der Heukrippe. Vladimir und die Kumpels sangen lauthals Lieder in einer fremden Sprache.

      "Kein Wunder", beschwerte sich Buddlibär, "geht es nicht vorwärts. Da vorne stehen Leute und versperren den Durchgang." Eichhörnchen reckte sich und sah Uniformierte, die jeden in eine Schleuse drängten und rummachten.

      "Hinstellen", befahl einer der Wächter kantig und dirigierte Buddlibär in eine Schleuse, "Arme hoch - stillhalten."

      Verdutzt stelle er sich hin und der Kantige fuhr im mit den Händen durch den Pelz.

      "Wohl zu wenig Liebe zu Hause", motzte Buddlibär und schob die Hand weg.

      Sofort stellte sich ein Zweiter mit stechendem Blick und einem schwarzen Stock, den er ungeduldig in die offene Handfläche schlug, dazu.

      "Mach keinen Stress, sonst kommst du nicht rein", schnarrte er, "hier wird jeder abgetastet. Vorschrift!"

      "Lass ihn machen", raunte Eichhörnchen. Das Wort 'Vorschrift' provozierte bei Menschen Gehirnleere und startete sinnlose Routineprozesse auf. Buddlibär nickte und ließ sie gewähren.

      "Jetzt noch das Kostüm runter", bellte der Grabscher, "ich will sicher sein, dass du drunter nichts rein schmuggelst…"

      "Er ist ein Bär", maulte Eichhörnchen.

      "Seh ich. Trotzdem: Kostüm runter."

      Vladimir klopfte dem Grabscher auf die Schultern: "Echt Bär, nicht Imitat wie Teufel. Spartak gewinnen."

      Der mit dem Schlagstock nickte seinem Kollegen zu und der winkte Buddlibär verdutzt durch.

      "Musst mir nach laufen", sagte Vladimir und marschierte durch einen Tunnel. Dieser öffnete sich zum Stadion hin. Eichhörnchen staunte. Es sah aus wie damals, als der Stausee in der Gegend abgelassen wurde. Ein riesiges Oval mit nichts drin. Nur standen damals nicht tausende von Menschen an den Seitenwänden, schwenkten Fahnen und sangen. Die schwarz-rot gestreiften Fahnen waren in der Überzahl. Ihre kleine Gruppe drängte sich durch die Reihen und gesellte sich zu Leuten, welche rot-weiße Spartak-Fahnen schwangen. Einer hielt den Ankömmlingen einen Becher Bier hin.

      Vladimir winkte ab. "Nur gut fur Zahnputzen", meinte er verbittert, weil man ihm am Eingang die Wodkaflaschen weggenommen hatte. Das verpasste seiner Euphorie einen rüden Dämpfer.

      'Wie im Bienenstock,' dachte Eichhörnchen, 'nur, dass die da wissen, was sie tun…'

      Der Lärm wurde lauter, als die beiden Mannschaften auf den Platz trabten. Nach einer Weile blickte Buddlibär Eichhörnchen auf seiner Schulter an. "Warum lassen sie den Gelben nicht mitspielen. Der rennt und rennt und die spielen den Ball immer an ihm vorbei. Dabei hat er eine Pfeife mit, damit er sich bemerkbar machen kann."

      Eichhörnchen zuckte mit den Schultern: "Du weißt das nicht? Selbst ein semi-professionelles Maskottchen müsste über Schiedsrichter Bescheid wissen. Niemand mag sie. Alle behaupten, er sei parteiisch und bevorzuge die jeweils andere Mannschaft. Er steckt in der Zwickmühle wie Eltern von verwöhnten Kindern, die beim Abwasch helfen sollten."

      Die Schwarz-Roten spielten besser und als das erste Tor fiel, flippte das Stadion aus. Buddlibär riss die Arme hoch und jubelte. Die Rot-Weißen blickten verärgert.

      "Ich dachte, er macht den Mischka für Spartak", empörte sich ein blonder Hüne.

      Vladimir hob entschuldigend die Hände: "Ist noch in Ausbildung…", verteidigte er Buddlibär und stupste ihn mit düsterem Blick in die Seite: "Das die Falschen. Hör auf so, wenn du Mischka machen. Der nie Falsche nie hat gejubelt."

      Die Spartak-Fans bemühten sich lauthals, doch ihre Lieblinge auf dem Platz ignorierten sie. Nach einer halben Stunde fiel das zweite Tor für Milano und Eichhörnchen verhinderte mit vehementem Zupfen an Buddlibärs Ohr, dass er wieder jubelte. Der Gelbe pfiff und die Mannschaften verschwanden vom Platz.

      "Fertig?", fragte Buddlibär verblüfft.

      "Halbzeit", belehrte ihn Vladimir, "Spartak hören jetzt große Predigt."

      Buddlibär verstand: so wie die Rot-Weißen spielten, brauchten sie priesterlichen Beistand. Und es passte auch zu seiner Beobachtung, dass die Spieler sich vor Freistößen bekreuzigten und bittend in den Himmel starrten, bevor sie den Ball traten. Er erinnerte sich, dass irgendwer mal gesagt hatte, dass Fußball mehr als nur ein Spiel ist. Und vielleicht war Wodka gar kein Alkoholika, wie Eichhörnchen behauptete, sondern Weihwasser.

      Eine Musikformation marschierte auf und schmetterte los.

      "Klingt gut", meinte Buddlibär anerkennend, "eine Tarantella. Dazu kann ich tanzen. Hat mir wer im Zirkus beigebracht. Ich zeig mal, wie's geht."

      Er wischte ein paar Spartak-Fans zur Seite. Eichhörnchen staunte, wie flink sich Buddlibär bewegte, mit den Hüften schwang, um die eigene Achse rotierte und mit den Armen schlenkerte. Es gelang ihm, die missgestimmten Spartiaken aus ihrer Agonie zu reißen.

      "Keine Ahnung von Kasatschok", meinte einer anerkennend, "aber da ist Potential."

      Buddlibärs Aufführung blieb nicht unbemerkt und bald schwenkte eine Kamera auf ihn. Ein gefundenes Fressen für den Regisseur der Fernsehübertragung, denn was sonst in den Pausen dargeboten wurde überbot punkto Unterhaltungswert eine Kita-Aufführung nicht – keine Stimmung, weil hier keine Helikoptereltern Begeisterung heuchelten.