Balkany Knights. Hermann Christen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Hermann Christen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783752915648
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doch, dass die Italiener..."

      "Die haben gewonnen", unterbrach Gugger unwirsch, "aber da war was anderes, was mich rasend machte."

      Knack kam neugierig kauend nach vorne. "Waf war da nog?"

      Das Ding in seinem Maul war wie Gummi. Er spuckte es aus. Ein widerlich vollgesabbertes Holzwollknäuel rollte über die dreckigen Fliesen.

      "Abstoßend", kommentierte Gugger mit verächtlicher Miene, machte aber keine Anstalten, die Sauerei wegzuräumen, "aber nicht so abstoßend wie das gestern Abend."

      "Was jetzt?"

      "Das Scheusal!"

      Geifer und Knack schauten sich ratlos an. Für Gugger waren alle Scheusale. 'Scheusale' war die einzige Schublade in der Kommode, wo er seine Bekanntschaften einsortierte. Sie war riesig.

      Vermutlich meinte er den Schiedsrichter. Geifer legte den Kopf zurück auf die Pfoten.

      "Die Bestie feiert. Feiert im Ausland dekadente Partys."

      Gespannt blickte er auf seine Genossen und wartete die missfällige Reaktion, die seiner Entdeckung angemessen war. Bei Knack zuckte das rechte Ohr. Aber das bedeutete nur, dass das rechte Ohr zuckte.

      "Der Bär", schrie er irre, "der Bär, der euch verarscht hat, feiert im Ausland einen ab."

      "DIE Bestie?"

      "Genau die – die mit Übergewicht. Mit seiner Tanzaufführung…"

      "Er hat getanzt?"

      "… unterbrich nicht", schnaubte Gugger feurig, "tanzt also während der Pause und verhöhnt euch. Hat seine Pfoten am Kopf angelegt und Hunde- oder Fuchsohren imitiert. Und mit der rechten Pfote hat er gezuckt…" Gugger fixierte Knack: "Gezuckt – mit dem rechten Ohr… Verstehst du?"

      "Ähhh..."

      "Er verarscht euch – und dann hinkte er theatralisch und jaulte. Der macht sich auf EURE Kosten lustig. Feiert seinen verlogenen, hinterhältigen Sieg."

      "Lass ihn doch", erklärte Geifer müde. Was kümmerte ihn das Monster. Ob es tanzte oder nicht, es verbesserte seine eigene Lage in keiner Weise.

      Gugger war perplex, als Geifer den Kopf auf die Pfoten zurücklegte. Wenigstens Knack sprach an, denn jetzt zuckte auch das linke Ohr. Sorge um den Rottweiler ergriff Gugger. Das Lebenslicht des armen, vierbeinigen Freundes erlosch. Unbestreitbar! Ein Burn- oder Bärnout oder sonst was in der Art.

      Wo war der ideenreiche Kerl abgeblieben? Wohin war das Alphatier verschwunden, das sonst die Marionetten tanzen ließ? Geifer war nur noch ein Schatten seiner selbst, ein Schoßhündchen, das sich nur noch an der rosaroten Leine nach draußen wagte und sein Geschäft verschämt selber in die Tüte packte.

      "Du brauchst Hilfe", entschied Gugger mit ernstem Gesicht.

      Sie blickten den kleiner werdenden Rücklichtern nach: "Wer hätte gedacht, dass wir so schnell in Istrien sind."

      "Wer hätte gedacht, dass wir schon nach einem Tag nur knapp zwei Verhaftungen entgangen sind und nebenbei die internationale Zöllnergilde am Hals haben."

      "Du bist ein Schwarzmaler." Buddlibär marschierte los. Erst durch feuchte Wiesen, dann einen steinigen Feldweg, der sich einen Hügel emporschlängelte, entlang. Im Halbdunkel der Nacht tauchte ein Baum auf, der seine Äste schützend ausbreitete.

      "Hier penn ich", erklärte er knapp und legte sich hin.

      Eichhörnchen nickte. Warum nicht hier – sie kannten sich in der Gegend nicht aus und dieser Platz war so gut oder so schlecht wie jeder andere. "Ok."

      Das Wartezimmer war fast leer. Nur die alte Frau Winter und ihr Papagei hockten da. Die alte Winter sah kranker aus als der Vogel. Gugger rätselte, wer nun wen zum Arzt begleitete. Der Tierarzt rief die beiden ins Behandlungszimmer.

      "Braves Hundi", brummte Gugger und kraulte Geifer.

      "Lass das", mokierte Geifer, "was soll das hier? Ich bin nicht krank."

      "Wir werden sehen…"

      Nach einer Weile schlurfte Frau Winter in den Flur hinaus. Der Papagei flatterte besorgt um ihren Kopf und laberte dauernd 'wird schon gut werden'. Also war die Winter der Patient, dachte Gugger. Papageien sind doof…

      "Der nächste bi..." Der Tierarzt stockte. Gugger und Hinke-Fuchs hätte er verstanden, aber nicht Gugger und den Rottweiler. Der Hund sah Klasse aus – von den gelben Zähnen, die nach Dentalhygieniker schrien, mal abgesehen. Vielleicht hatte sich Gugger doch noch für das Komplett-Rundum-Impfpaket entschieden. Das hätte ihm die Arbeit erspart, die Verfallsdatumetiketten auf den Packungen durch neue zu ersetzen. Obwohl er das gerne machte. War wie Meditation und befriedigte ihn. Zwei Fliegen mit einer Klappe: man tat etwas gegen die Abfallgesellschaft und es rechnete sich.

      Gugger erhob sich und führte Geifer am Tierarzt vorbei schweigend ins Behandlungszimmer.

      Der Tierarzt schloss die Tür und ging hinter seinen Schreibtisch. "Guten Morgen. Haben sie sich mein Angebot überlegt. Es ist wirklich fast schon ein Schnäppchen! Kein Wunder, wenn sie…"

      "Der Hund ist krank", unterbrach Gugger.

      "Blödsinn, ich bin nicht kr…"

      "Du BIST krank!"

      "Was hat er denn?"

      "Bin ich der Tierarzt oder du?"

      Der Tierarzt stand auf und umkreiste Geifer, dessen Augen ihm misstrauisch folgten.

      "Dank meiner Erfahrung", flüsterte er wie zu sich selber, "werden wir sicher eine Krankheit finden…" Er entdeckte die gut verheilten Narben, die von der Keilerei mit den Wildschweinen stammten. Dieser Beo oder Bea oder wie sonst der Samariter-Hase im Koblerwald hieß, verstand sein Handwerk. Vielleicht sollte er ihn oder sie als Assistenten einstellen.

      Er schob den Gedanken beiseite. Gesundung zu forcieren war ökonomischer Selbstmord. Gut Ding will Weile haben, wie er den Herrchen seiner Patienten stets zu sagen pflegte.

      "Vielleicht etwas Inneres", vermutete er und zog eine Schublade auf. Er hob eine Spritze und einen Thermometer heraus.

      "Das wird uns helfen, mehr über deinen Gesundheitszustand zu erfahren", erklärte er freudestrahlend und pumpte den Kolben der Spritze auf und ab.

      "Wenn du meinst", knurrte Geifer mit scharfem Blick auf das Thermometer, "du kannst mir das Ding wo reinstecken, bist du tot! Wer weiß, in wie vielen Ärschen das Teil schon steckte. Und Blut kriegst du von mir auch keines."

      "Muss ich aber, wenn du gesund werden willst."

      "Ich bin nicht krank!"

      Gugger mischte sich ein: "Körperlich fehlt ihm nichts außer Bewegung…", er schob die Hand des Tierarztes mit den Utensilien aus dem Blickfeld von Geifer, "es ist eher so, dass er antriebslos ist. Benimmt sich seit Tagen unnatürlich sozial. Eine Art emotionaler Leere. Die Bestie hat seine Abenteuerlust gekillt, vermute ich. Dagegen brauchen wir eine Pille."

      "Wir? Hat sie der Hund angesteckt."

      "Hör auf Schrott zu reden."

      Der Tierarzt legte die Utensilien bedauernd in die Schublade zurück - am Thermometer klebten tatsächlich Kotreste, allerdings kaum der Rede Wert - und ließ sich in den Sessel fallen.

      "Wenn das so ist", begann er langsam, "dann dürfte es sich um dasselbe handeln wie bei unserem überaus geschätzten Gemeindepräsidenten Koller…"

      "Lass diesen Intriganten aus dem Spiel", warf Gugger verärgert ein, "der ist schuld, dass der Plan fehlschlug. Seine Geheimniskrämerei und sein Misstrauen!"

      Der Tierarzt sprach unbeeindruckt weiter. "Koller kann nicht gut mit Niederlagen. Und die Sache mit dem Bären war eine echte Niederlage. Aber im Gegensatz zu deinem Hund hält er sich mit Racheplänen fit. Den Hund quält wohl dasselbe – nur reagiert er völlig anders. Er lässt sich von der Niederlage erdrücken, statt die Ungerechtigkeit zu kompensieren", er unterbrach sich und spielte