Vampire Blues 1. Thomas Barkhausen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Barkhausen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738075410
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auf einem khakigrünen Dschungel-Hintergrund, in der Nacht. Sie schwang aus wie ein Gepard, sandgelb. Und sie war groß, größer als er. Ragte in den Himmel auf wie eine verdammte Athletin, die einem Wolkenkratzer auf den Kopf spucken wollte. Sexy. Lippen voll und gewölbt. Ein klarer Strich die Nase, Augen rund, leicht elliptisch, das Grün wie von der Palette des Malers, weiß darin und Wasser.

      Dazu Erinnerung. Erinnerung. Er hatte sie, verdammt noch mal. Keiner sonst hatte sie, nur er, und jetzt sie… Die Wesenheit des menschlichen Lebens leitet sich aus der Geschichte her, aus der Erinnerung. Erinnerung ist Geschichte. Geschichte ist Erinnerung. Das Ich ist Erinnerung.

      Das Ich ist Schokolade. Keine Schokolade. Also: Habe ich ein Ich? Hat sie ein Ich?

      Er wusste es nicht. Wie so vieles, das er nicht wusste.

      Nestor grunzte wie ein Schwein auf Trüffelsuche, die Schnauze, gebläht, im Dreck einer Wahrheit, die er nicht finden sollte in all dem blasentreibenden Schlamm. Hegel. Kant. Marx. Nietzsche. Nestor röchelte, sein Denken schlug Blasen im Schlamm. Er zog seine Schecks auf die Wissensbank. Er war ein fleißiger und unermüdlicher Nutzer der virtuellen Bibliotheken.

      Ein Zodiak mit philosophischer Ader, der zu oft ‚Fuck!’ dachte. Und ein verdammt mürrischer dazu.

      Er senkte den Kopf und stieß die Schnauze tiefer hinein in den Schlamm. Der Schlamm schlug Blasen.

       Neue Gedanken: Keine.

      Nestor dachte Fu…

      FETZEN

      Hätte nie gedacht, dass Nestor Fuck denkt, nun, es ist Nestor und man weiß nie, woran man bei ihm ist.

      Wer ich bin? Nun, ich bin die, die euch die Geschichte erzählt. Weil es sonst keiner tun wird…

      Bei manchen der folgenden Ereignisse bin ich selber zugegen gewesen. Und es war - sorry im Voraus - ein wirklich übler, der übelste Kotzen-Kack-Scheißdreck-Fuck, den du dir vorstellen kannst. Aber, ich denke, ich sollte etwas mehr auf meine Ausdrucksweise achten. Er hätte es so gewollt.

      Manches haben mir die Beteiligten berichtet. Manches konnte ich beeinflussen. Bei vielem bin ich nur ein Spielball gewesen, hin- und her geworfen - blindes Pingpong-Baby - zwischen den Ereignissen, ohne zu wissen, was geschieht.

      Ich werde versuchen die komplette Geschichte zu erzählen, und ich verzichte auf üble Ausdrücke - so schwer es mir fällt -, falls die Zeit reicht, die mir noch bleibt. (Also die Zeit, die mir bleibt die Geschichte zu erzählen - nicht für üble Ausdrücke.) Ich versuche, all das aufzunehmen, was mir die Beteiligten gesagt haben. Ich versuche, es etwas so wie von außen zu erzählen. Er sagte, das wäre eine gute Methode, um seine Gedanken zu ordnen. Manchmal werde ich auch mich selber wie von außen betrachten. Ich weiß nicht, warum…

      Ich werde versuchen es euch zu erzählen. Verzeiht, wenn es nicht gelingt.

      Wo ich bin? Im Sand, nur Sand ringsum, Sand, der Durst gebiert. Sand. Gelb.

      Wozu das jetzt noch gut sein soll unter dieser beknackt heißen Wüstensonne, die draußen glüht, das weiß ich auch nicht, aber ich vertraue ihm.

      Er hat gesagt, ich soll nicht immer ‚weißt du?‘ sagen. Ich sei zu intelligent dafür. Nebenher das ist untertrieben: Ich bin - nun ja: speziell. Ich soll auch nicht immer Kacke, Kotze und Ficken und so was sagen. Ich werde mich bemühen. Und ich solle auch langsamer sprechen, selbst wenn ich aufgeregt bin.

      Ich widme dies also, wer immer es auch sehen möge, ihm. Obwohl es gleich ist, wem ich es widme. Aber ich möchte es so.

      Ich erzähle das Geschehene so wie den Film, der daraus in meinem Kopf geworden ist, wenn ich das Vergangene passieren lasse vor meinem - pardon im Voraus! - beknackten, verfuckten, beschissenen inneren Auge.

      Also, hör gut zu…

      Die Geschichte beginnt eigentlich ganz anders. Sie beginnt hier, jetzt, in jener Nacht…

      Wie alles wirklich begann, als es fast schon zu spät war.

       Romeo. Dein Schicksal harrt deiner, beautiful friend…

      Aber zuvor: Das Personal unserer Geschichte.

      DRAMATIS PERSONAE

      RAHIL, das Mädchen in Gelb, ein Zodiak, Spezial-Agentin, die etwas findet, das sie nicht finden sollte.

      ARCHILL, Sohn von Arras, der eine Liebe findet, die er nicht finden durfte.

      ARANA, Tochter von Dymast, die nicht weiß, wer sie ist und noch nicht weiß, dass sie es nicht weiß.

      ARAMIS, Sohn von Dymast, der nur einmal in seinem Leben geweint hat und es nur noch einmal tun wird.

      DYMAST, Führer der Vampire.

      ARRAS, schärfster Konkurrent von Dymast.

      NESTOR, ein Zodiak, Rahils Vorgesetzter.

      CASSIDY, politischer Führer der menschlichen Widerstandsbewegung.

      QUENTIN, militärischer Führer der menschlichen Widerstandsbewegung.

      QUANDT, ein Philosoph.

      SNYDER, das Mädchen in Rot.

      SONNENKRIEGER

      Dann sacken sie zu Boden.

      Die Gestalten in den Tarnanzügen lassen die Waffen sinken.

      Der Anführer geht die acht Schritte zu den Toten, reißt sich das Medaillon mit dem gelben Emblem vom Hals und lässt es einem der Toten auf die Brust gleiten. Die Hand des Anführers, tiefschwarz in dem Handschuh, schreibt die Antwort wortlos in den Äther….

      Life goin nowhere. somebody help me, yeah.

      Im stayin alive…

      Vom Erscheinen der Partygäste an der Hintertür, dem Aufblitzen der Schüsse bis zu ihrem Fall vergingen 49 Sekunden, der Weg des Anführers zu den Getroffenen und das Ablegen des Medaillons nahm 4 Sekunden in Anspruch. Er hob die Hand zum Zeichen des Rückzuges. Sie lagen 7 Sekunden unter ihrem Limit. Die Aktion hatte nicht länger als 53 Sekunden gedauert.

      ALBINO

      Archill schüttelte das lange, pechschwarze Haar.

      Dorian, dachte er, altes Haus. In den Armen deiner ebenholznen Schönheit, vollgesogen mit Schmerz. Leih mir ein wenig Balsam! Hilf mir aus mit ein paar von deinen Versen!

      Und er deklamierte, halblaut, murmelnd hinaus in die kobaltblaue Schwärze der Nacht die Verse des Bruders, den er verloren hatte. Verse für die dunkle Schöne, die der Bruder mehr geliebt hatte als sein Leben und deren Brüste klein und fest und warm waren und die Geschichten erzählen konnte, die kein Mann verstand:

      Am Mond schliefst du,

      An seiner dunklen Seite,

      Geschmiegt in deine Spur,

      So fand ich dich.

      Er war sehr ruhig und sah den Worten nach, wie sie in den Nebelschwaden verschwanden.

      „Nun, Vogel, was sagst du dazu?“

      Das Käuzchen schwieg, eingeschüchtert vom großen Vogelbruder, seiner Stimme voll Inbrunst und Trauer und Einsamkeit.

      Archill nahm die Sonnenbrille ab, rief die Kiefern des verwilderten Parks an mit ausladender Armbewegung.

      „Meine Augen, sehet sie euch an! Sie sind von strahlendstem Blau. Es braucht einen Dichter ihre Bläue zu beschreiben.“

      Er lachte, denn das wusste er, dass sein Blick voll Bläue all die Mädchen in seinen Bann zog - und manche der Jungen auch. Und er war ihrer