Vampire Blues 1. Thomas Barkhausen. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Barkhausen
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738075410
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Schokolade. Und schon wieder ein Fluch, etwas, das nicht zu ihm passte.

      Er sollte sie ausbilden, anleiten und - überwachen. Er war an Einzelarbeit gewöhnt. Bisher war er der Einzige mit höchster Unabhängigkeit und Autonomie gewesen, der überdauert hatte. Nun bekam er Gesellschaft. Ungefragt. Und was für eine! Effizient, tödlich, weiblich.

      Diese neue Generation könnte ihn bald überflüssig machen. Er arbeitete sich durch die Dossier-Datei. Rahil war insuffizient. Schöne Formulierung!

      Das Erwerben von Erfahrungen sollte unter seiner Anleitung geschehen. Okay. Erfahrungen zu machen und zu speichern, war unabdingbar, um komplexe Denkoperationen mit emotionaler Intuition zu verbinden. Da aber Erfahrungen zu machen, das gefährliche Potential in sich barg emotional instabil zu werden, musste sie von einem angeleitet werden, der in der Verarbeitung dieser Zustände erfahren war.

      Und das war er, armer, alter Zodiak, ohne Schokolade. Ja, er, Nestor, konnte bisher als einziger Zodiak der Sonderreihen diese instabilen Zustände verarbeiten. Er sollte Rahils Emotions-Coach sein und gleichzeitig sollte er sie bespitzeln und überwachen, um Fehlentwicklungen frühzeitig abstellen oder konditionieren zu können - oder sie „zurückzustellen“. Dies war der offizielle Sprachgebrauch dafür einen Zodiak zu eliminieren.

      Er grunzte, dann schmatzte er, ohne Anlass. Am Handgelenk piepste sein M-Meter. Er warf einen letzten Kontrollblick auf die Monitore, nichts Verdächtiges. Alles war ruhig, auch am Zentrallabor. Es war so weit.

      Er verließ die Zentrale der Zodiaks, passierte die beiden Wachen mit den maschinenpistolenartigen Waffen im Anschlag, grinste über ihre versteinerten Gesichter, ließ die zwei gezackten roten Zs oben am schwarzen Gebäude hinter sich und schlug den Weg zu den Unterkünften ein, durch den Park, der nass von Tau war und nach nichts roch, obwohl er doch nach etwas hätte riechen sollen.

      SPECIAL AGENT

      Sonderstatus für eine Maschine. Nestor hatte Sonderstatus. Natürlich, wer sonst? Lange rätselte Vlad, welchen Rang er ihm zuordnen sollte, es fiel ihm nichts Passendes ein. Dann entsann er sich der Bezeichnung des FBIs. Er kannte sie aus den alten Filmen. Er mochte diese alten Filme der Sterblichen nicht. Sie waren ihm zu unrealistisch, schwarz-weiß, immer die unvermeidliche Blondine, eine Strähne des aschblonden Haars über dem linken Auge, Geheimnis simulierend. Halbblinde Bastarde ohne Phantasie. Immer dieselben Stereotypen. Special Agent. Ok, dann sollte es das sein. Die Bezeichnung erschien ihm nach und nach, so formulierte er es später, „adäquat“. Und so wurde Nestor - sein Lieblingskind, wie er es nur sich und einem anderen noch zugestand - zum „Spezialagenten“, zum Special Agent. Und genau dazu würde auch sie werden, seine neue Assistentin, obwohl Nestor sich selbst lieber als Detektiv bezeichnete.

      Im Gegensatz zum General mochte er diese alten, verwitterten Schwarz-Weiß-Filme mit den wortkargen, mürrischen Männern aus der Vorzeit, deren Gesichtszüge so verknittert waren wie ihre Hemden und deren Sekretärinnen so sexy-unterkühlt und verheißungsvoll-fellativ waren wie es die des Generals nie sein würde.

      Die Unterredung mit Vlad war kurz gewesen. Er hatte ihm die Sondermarke mit den drei rot gezackten Blitzen für seine „neue“ Assistentin per Büroboten geschickt, über das MM ein weiteres Mal und überflüssigerweise zur besonderen Aufmerksamkeit gemahnt, was über das übliche Maß hinausgehende emotionale Veränderungen und Äußerungen bei ihr betraf, ihm viel Erfolg gewünscht und ihn in die Nacht entlassen.

      Wow, sie musste wirklich etwas ganz Besonderes sein, wenn der General so ein Aufheben von ihr machte…

      Vlad war in Eile. Er war auf dem Weg zu einer exklusiven Festivität, auf der auch eine allseits bekannte und beliebte Journalistin ihre gesanglichen Talente zum Vortrage zu bringen gedachte und der General hoffte heute nicht nur einen ausgedehnten Blick auf ihre Beine werfen zu können, die sie ansonsten immer in Hosenanzügen zu verbergen pflegte, er wollte auch die Gelegenheit ergreifen in näheren Kontakt mit der Dame zu treten. Obwohl ein hart gesottener Militär, war er doch ein wenig nervös ob dieses Manövers, das einige Unwägbarkeiten in sich barg, die er nur schwer kalkulieren konnte und so etwas beunruhigte ihn immer. Er nestelte mit zu dicken Fingern vergebens an dem zierlichen Weißhemdkragen, der an seinem Hals scheuerte. Der General begann zu schwitzen. Er steckte die Finger in die Hosentaschen, dort waren sie auch nicht besser aufgehoben.

      Die Sondereinheit Z4 bestand neben Vlad, dem Leiter, aus Nestor und aus zwei menschlichen Mitarbeitern, logischen Prognostikern und Rechercheuren sowie drei Zodiaks, die keine Namen trugen, lediglich mit Nummern ausgestattet waren, und die niedrige, nicht-komplexe Detektiv- und Ermittlungsarbeit für Nestor erledigten. Routinearbeit.

      Komplettiert wurde das Team durch eine Sekretärin, stylish, hager, mit einer Nase, die Raum forderte vor dem Gesicht - und dem Kinn - einer gähnenden und fast immer gelangweilt wirkenden Vampirin, die ihre altrosa geschminkten Lippen gekonnt zu einem blasierten Schmollmund aufwarf, immer dann, wenn Nestor ihr eine Aufgabe zuteilte, die selbstredend unter ihrer Würde lag. Sie hatte neben ihren Bürotätigkeiten auch den Auftrag Nestor zu beobachten, was bis zu einem gewissen Maße ihre Blasiertheit erklärte: Ihre Aufgabe war eine höhere.

      Die Räumlichkeiten waren großzügig bemessen, wenn auch nicht so luxuriös wie im darüber liegenden Stockwerk. Nestor verfügte über ein Büro, ein Vorzimmer, einen Konferenzraum, der viel zu groß für die Abteilung geraten war und zwei Räume für die logischen Prognostiker. Zusätzliche Observations-Zodiaks konnte er bei General Vlad anfordern und bekam sie auch jedes Mal anstandslos genehmigt.

      Eins der menschlichen Wunderkinder, die von den Vampiren frühzeitig ausgesondert und gefördert wurden, wuselte ebenfalls in Nestors Team herum. Eine menschliche Geheimwaffe von knapp 21 Jahren für die Bereiche Informationstechnik, Mathematik und sogenannte Sonderaufgaben. Ein rotes Wunderkind mit astronomisch hohem IQ, einem Faible für schmutzige Witze und einer ordinären Ausdrucksweise.

      Das gelbe Mädchen würde nun die „Sondereinheit“ komplettieren, sich unter Umständen mit dem roten Mädchen verbünden und Nestors Leben noch beschwerlicher machen, als es jetzt schon war. Nestor war vollständig unabhängig und nur dem General unterstellt. Er hatte diesen Status der Auflösung seines „legendären Falles“ zu verdanken.

      Nestor dachte an die MD-Sicherung. Er dachte an die Schlangen auf dem Haupt, die sich ins Herz bissen, grün und giftig, steinern. Es behagte ihm nicht, dass sie es vor ihr geheim hielten, ihr, die eigentlich keine „neue“ Assistentin war sondern seine erste und einzige.

      Alle anderen in seinem Team waren keine Kriminalisten oder Detektive oder Polizisten oder wie auch immer er Leute bezeichnen mochte, die seine Aufgabe erfüllten. Nur sie hatte die entsprechenden Kurse absolviert - und das mit Bravour.

      Das ihm angeheftete Etikett „Spezialagent“ mochte er nicht. Er war so daran gewöhnt allein zu arbeiten, ein Unikat zu sein, der „Einzige“ zu sein - zumindest das Exemplar, das bisher die längste Verweildauer ohne „Rückstellung“ aufwies -, dass ihn die neue Situation zu seiner eigenen Überraschung irritierte.

      Er sog die Nachtluft ein und pappte sich einen mürrischen Ausdruck ins Gesicht, wie um sich vorzubereiten.

      Nach kurzem Weg durch die Grünanlagen stand er vor dem Gebäudekomplex, der sich als Unterkunft an die Zentrale anschloss und in dem sich auch sein Appartement befand. Im vorderen sechsgeschossigen Teil lagen die Wohneinheiten von Mitarbeitern der Z4 und des Labors sowie Gäste-Appartements für Besucher. Weiter hinten flachte das Gebäude auf drei Etagen ab, in kasernenartige Hallen mit Mannschaftsunterkünften und Sozialräumen für die gewöhnlichen Zodiaks.

      Nestor sah an der dunklen Glasfassade hinauf. Sie hatten sie wirklich verwöhnt, ihren neuen Prototypen. Nestor zuckte unwillkürlich die Achseln. Er drückte auf den Summer für das Penthouse. Die Kamera über dem Eingang summte, scannte sein Gesicht ab, die Netzhaut. Er legte die Finger seiner linken Hand auf den Abdruckscanner. Die Tür ploppte auf. Er trat ein und ging den Korridor entlang zu den Aufzügen...

      GELB

      Das