Elfenkind. Daniela Baumann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Daniela Baumann
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783753166094
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uns ist das egal. Den Leithengst“, er deutete auf einen Fuchs, der unentwegt um die Herde trabte, alle beisammen hielt, „würde ich auch nicht nehmen, den kriegst du wahrscheinlich nicht in den Griff. Sieh genau hin, dann erkennst du die Rangordnung. Ein Tier, das zu weit unten ist, hat nicht den Biss, den du haben willst, ist aber deutlich leichter zu zähmen. Was du brauchst, ist ein Tier, das weiß, was es will, aber auch dir folgt. Ich würde also vorschlagen, eines aus der oberen Mitte von der Rangordnung. Ob Hengst oder Stute ist für die Arbeit egal, aber meistens sind die Stuten etwas leichter zugänglich, sobald du sie gefangen hast. Treu sind beide, wenn du einmal ihre Gefolgschaft hast.“

      Er ließ Steven Zeit, das alles zu beachten. Ihm selbst war bereits ein Tier aufgefallen, eine gefleckte Stute, vorne und hinten braun, der Leib allerdings weiß. Dazu eine wunderschöne weiße Zeichnung auf der Stirn, eine schwarze Mähne und einen ebenso schwarzen Schweif. Sie hatte offensichtlich kein Jungtier, war sicher im Tritt und kraftvoll im Lauf, stand etwa in fünfter Position hinter dem Leithengst.

      Auch Steven schien genau diese Stute im Blick zu haben, wie Charlie irgendwann bemerkte. „Gute Wahl.“, gratulierte er dem Jüngeren. „Jetzt machen wir es so: Du postierst dich hinter dem Hügel dort“, Charlie deutete voraus, hinter den Fluss, an dem die Herde noch immer trank und graste, „und wartest, den Lasso griffbereit. Jetzt kommt es darauf an. Ich reite ein Stück zurück und dann auf die Herde zu. Sie werden fliehen und in deine Richtung kommen. Sobald sie über den Hügel kommen und dich sehen, machen sie kehrt. Jetzt musst du handeln, du reitest genau auf die Stute zu und wirfst den Lasso. Sieh zu, dass sie weiter laufen kann, aber trenne sie nach und nach von der Herde. Nicht gleich bezwingen wollen, das kostet dich zu viel Kraft. Erst einmal lässt du sie toben, achte aber darauf, dass dein Lasso immer eng anliegt, ansonsten kann sie entkommen. Dränge sie ab von der Herde, aber lass sie laufen. Je mehr sie läuft, umso müder ist sie später, und genau das brauchst du. Ich werde dazu kommen, und dich dann weiter unterstützen.“

      „Okay.“, nickte Steven, nicht vollkommen überzeugt. Und doch, er wollte das jetzt schaffen. Ohne eigenes Pferd würde er weiterhin Schafhüter bleiben, und das wollte er nicht. Auch, wenn er die Schafe mochte, aber es war die Herausforderung, die ihn reizte. Also ritt er in einem Bogen dorthin, wo Charlie hingedeutet hatte. Er erkannte, wie gut der Platz gewählt war, denn die Mustangs konnten nicht einfach rechts oder links ausbrechen, da auf der einen Seite eine steile Felswand und auf der anderen Seite der Fluss war. Der Fluss war ziemlich unruhig an dieser Stelle, beschrieb einen Bogen, in dem viele Wirbel waren. Hier würden die Pferde wohl eher nicht freiwillig ins Wasser gehen, und wenn doch, so hatte er die Stute leicht. Sie konnten also entweder auf ihn zu kommen, oder aber sie drehten um. Genau wie Charlie es erklärt hatte.

      Steven kontrollierte das Seil, dann legte er die Schlinge vor sich auf den Hals seines Pferdes und befestigte das Ende am Sattelknauf vor sich. Jetzt kam es darauf an. Nun wartete er. Es dauerte nicht besonders lange, da hörte er die fliehenden Pferde. Gleich mussten sie auf dem Hügel erscheinen. Er hatte sich ein wenig hinter einem Gebüsch verborgen, sodass sie ihn nicht gleich sahen, er selbst aber gut sehen konnte. Und richtig, der Leithengst galoppierte gerade über die Kuppe, gefolgt von einigen weiteren Pferden. Dann kam die Stute, auf die Steven es abgesehen hatte. Er ließ sie noch ein wenig näher heran kommen, bevor er seinem Pferd die Fersen in die Flanken stieß. Seine Augen fixierten die gescheckte Stute, als sein Pferd vorwärts schoss. Die Mustangs stiegen vorne in die Höhe, als sie ihn erblickten, dann wandten sie sich fast in militärischer Präzision um, galoppierten zurück.

      In dem Moment wirbelte die Schlinge des Lassos über Stevens Kopf, dann flog sie auf die Stute zu, die nur wenige Fuß von seinem Pferd entfernt war. Die Schlinge legte sich um den braunen Hals der Stute, und Stevens Pferd tat, wie gelernt. Es stoppte seinen Lauf und stemmte die Beine in den Boden, sodass sich das Seil spannte und die Schlinge zusammen zog.

      Wiehernd hielt die Stute inne, trat einige Schritte zurück, dann legte sie alle Kraft in die Vorwärts-Bewegung. Bis sich das Seit erneut zusammen zog und sie kaum noch Luft bekam. Steven ließ sein Pferd immer dann, wenn die Stute locker ließ, einige Schritte beiseite gehen. Die Herde war inzwischen aus der Sichtweite geflohen, doch Steven konzentrierte sich ohnehin nur auf seine Aufgabe. Immer weiter brachte er die Stute weg, zog sie langsam aber sicher zu dem Weg, den die Herde auf ihrer Flucht hatte nehmen wollen. Er ließ sie ein wenig laufen, dann zog sich die Schlinge erneut zu.

      Als Charlie dazu kam, glänzte das Fell der Stute bereits von Schweiß, doch sie gab nicht auf. Steven tat es bereits leid, dass er der Stute Schmerzen zufügen musste, doch er hatte keine Wahl. Charlie lobte ihn, er machte es genau richtig, doch Steven wurde immer mehr klar, dass es eben nicht richtig war, was er hier tat. Ja, er brauchte die Stute, doch sie sollte ihm nicht aus Angst folgen. Er wollte, dass sie ihm vertraute. So, wie Kristina es immer mit den Tieren gemacht hatte. Sie hatte die Tiere nie gezwungen, etwas zu tun. Im Gegenteil, sie war den Tieren immer entgegen gekommen, hatte versucht, ihre natürlichen Verhaltensweisen zu unterstützen. Nur, wenn sie verletzt waren, hatte sie sie eingeschränkt, aber nie mehr, als es notwendig war. Sobald die Tiere gesund waren, hatte sie alle gehen lassen, doch die meisten waren ihr weiterhin treu geblieben. Vertrauen. Das war es, was er wollte.

      „Nein!“, entfuhr es ihm daher mit einem Mal. Er sprang vom Pferd und hielt das Ende des Lassos in der Hand.

      „Bist du verrückt?“, schrie Charlie. „Sie wird dir die Hände zerfetzen! Sie ist noch nicht müde genug, um sie zuzureiten!“

      „Nein, Charlie.“, schüttelte Steven den Kopf, ließ dabei aber die Stute nicht aus den Augen. „Ich will ihr Vertrauen. Sie soll nicht gehorchen, weil sie gebrochen wurde oder weil sie Angst hat, sondern weil sie es will, weil sie mir vertraut.“

      „Du bist verrückt.“, murmelte Charlie.

      „Bitte, Charlie, ich muss es versuchen.“, bat Steven. Er ließ das Seil etwas lockerer, sofort versuchte die Stute zu fliehen. Doch Steven hielt dagegen. Schritt für Schritt ging er zu der Stute, sprach mit einer leisen, beruhigenden Stimme auf sie ein. Er ignorierte Charlie vollkommen.

      Der Ältere schüttelte erneut den Kopf. „Wenn du meinst, dann versuche es.“, gab er nach.

      „Reite zurück auf die Ranch, ich komme, sobald ich die Stute an mich gewöhnt habe.“, versprach Steven, noch immer ohne einen Blick von der Stute zu nehmen.

      Charlie beobachtete ihn noch eine Weile, dann schüttelte er den Kopf und entschied, zur Ranch zurück zu kehren. Steven würde den Weg sicher finden, sie waren nicht allzu weit weg. Und so, wie er den Jugendlichen kannte, würde der es sogar schaffen, dass ihm die Stute irgendwann vertraute. Er hatte ziemliches Geschick mit den Tieren. So etwas hatte Charlie noch nie gesehen.

      3. Angriff der Riesenspinnen

      Lachend schüttelte Yas den Kopf. „Nein, Elif. Du musst jetzt schlafen!“ Sie drückte ihre kleine Schwester zurück in ihr Bett, und deckte sie mit einer Decke zu, die ihre Tante für sie gemacht hatte. Wie jeden Abend pustete sie in das Netz des Traumfängers, den Shadi ihrer kleinen Schwester ebenfalls gemacht hatte. Elif war drei Jahre alt. Ihr Name bedeutete Hoffnung in der Sprache der Elfen. Nach der Hochzeit von Alemie und Gaagi hatte es nicht lange gedauert, bis sie ihr gesagt hatten, dass sie ein weiteres Kind erwarteten. Elfen, so lernte Yas bald danach, waren nicht so lange schwanger wie Menschen, sondern nur etwa sechseinhalb Monate. Sháńdíín, die Tochter von Mósí und Tsiishch'ili, wurde nur wenig vorher geboren.

      Jayla und T'iis waren noch immer zusammen, er war der Gefährte der Elf e , die inzwischen alt genug war, um den Menschen als solchen sicher zu erkennen. Doba und Ella waren ebenfalls verheiratet und stolze Eltern eines kleinen Jungen, der nun bald zwei Jahre wurde. Doli, K'ai, Bidziil und Gad hatten ebenfalls Frauen an ihrer Seite, wobei Doli von einer Elfe fasziniert war. Sie waren keine Gefährten, so wie Jayla und T'iis oder Alemie und Gaagi, aber Siba liebte Doli dennoch sehr. Bidziil und Gad hatten bereits Kinder: Ooljéé‘, die Tochter von Bidziil und seiner Frau Lika aus einem der Dörfer, war nun vier Wochen alt, sie war beim letzten Vollmond geboren worden. Gads Sohn, Shash yáázh, war etwas über eineinhalb Jahre, und der ganze Stolz seines Vaters, der mit Salin, einer Frau aus einem anderen Dorf verheiratet war.

      Manaba