Die Rote Gefahr. Haiko Herden. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Haiko Herden
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738017786
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da nicht so einfach ein- und wieder austreten.«

      »Wieso denn das nicht? Ist das nicht das mit diesem L. Ron Hubbard, der auf dem Meer umherreist?«

      »Auf dem Meer. Das ist Scientology. Fast, das ist ähnlich. Die Zeugen Jehovas, das ist eine Weltanschauung«, versuchte ich zu erklären, doch schon merkte ich deutliche Wissenslücken, mir fielen nur noch Stichworte ein, die ich schnell abspulte.

      »Die feiern kein Weihnachten. Die mögen das einfach nicht, das ist denen zu kommerziell, zu weit ab vom Grundgedanken. Außerdem müssen die Zeitschriften verkaufen und machen selbst eine. ›Der Wachturm‹ heißt die. Bei uns stehen die überall rum in der Stadt und halten die hoch und warten darauf, dass man mit denen redet und betet. Die armen Leute, das ist echt traurig. Und dann wollen die kein Blut spenden. Weiß aber nicht, wieso.«

      »Finde ich scheiße«, meinte mein Kumpel, »das ist doch asozial. Kein Blut spenden ist asozial.«

      »Hast du schon mal Blut gespendet?«

      »Nein«, meinte er und überlegte, »mein Blut ist doch total verseucht. Da ist ständig Alkohol drin und dann rauche ich doch auch. Das ist total krank, das kann ich niemandem zumuten. Das würde auch niemand freiwillig haben wollen.«

      Schnell trank er einen Schluck Bier, wie als wenn er seine These damit zusätzlich unterstreichen müsste. Der Typ mit dem Igelhaarschnitt nickte kaum merklich und guckte sich im Raum um.

      »Dann hört doch auf mit Rauchen«, sagte ich, »stell dir vor, du hast eine total seltene Blutgruppe und da ist einer, der stirbt, wenn der nicht sofort Blut kriegt. Und der hat genau diese seltene Blutgruppe. Eine, die sonst keiner hat, nur du und er. Was dann? Dann stirbt der, bloß weil du ein paar Zigaretten geraucht hast und nicht spenden kannst. Das ist doch auch asozial, oder etwa nicht?«

      Huch, wurde ich etwa moralisch? Hab doch selbst noch nie Blut gespendet. Und diese dämlichen »Wenn nur ein Mensch dadurch am Leben bliebe…«-Phrase finde ich ganz fürchterlich. Dann könnte man alles verbieten. Fußball zum Beispiel. Wie viele Menschen sind schon durch Fußball zu Schaden gekommen, aktiv oder passiv? Oder Autos? Man würde mehr als ein Menschenleben retten, wenn man Autos verbieten würde. Andererseits würde man auch viele verlieren, denn dann würde es auch keine Krankenwagen geben. Es sei denn, die würde man nicht verbieten. Und Polizeiautos sollte man auch nicht verbieten. Wie sollten diese sonst Verbrechern nachjagen? Andererseits hätten die Verbrecher dann ja auch keine Autos zum Flüchten. Aber vielleicht Pferde. Und auch durch Pferde kann man zu Schaden kommen. Hm, das Problem müsste man mal bis zu Ende durchdenken, doch dazu ist grad keine Zeit, denn mein Freund bewegte die Lippen, offenbar wollte er was sagen.

      »Du meinst«, fing er an, »ich sollte aufhören, bloß weil es sein könnte, dass ausgerechnet der Typ, der meine Blutgruppe hat, einen Unfall hat und dringend ausgerechnet mein Blut braucht? Das ist doch total unwahrscheinlich, überleg doch mal. Stell dir vor, der hat tatsächlich einen Unfall, nur mal angenommen, also so hypophysisch, meine ich, dieser eine Mensch könnte irgendwo auf der Welt wohnen, ein Afghane zum Beispiel. Stell dir vor, der stolpert in Afghanistan und verliert so viel Blut, dass der dringend anderes Blut braucht, wie bitte schön soll der Typ so schnell an mein Blut rankommen?«

      »Das gibt doch eine Blutkartei natürlich«, versuchte ich ihm zu erklären. Klar gibt es die. Aber weltweit? Egal, ich durfte jetzt nicht aufhören, wie stände ich denn sonst da? »Das geht so: Du spendest Blut, dann kommt das in eine Blutkartei, wo drin steht, was für ein Blut du hast. Dann gucken die in Afghanistan in diese Kartei und sehen, dass du das passende Blut hast und fliegen das schnell ein.«

      »Und wie soll das gehen?«, triumphierte er nun. »Glaubst du, die schicken die Karteikarten weltweit überall hin? Ha ha!«

      »Schon mal was von Computer gehört?«, sagte ich und zog herausfordernd die Augenbrauen in die Höhe. »Du lebst wohl ein bisschen hinter dem Mond, würde ich sagen. Das kann man alles per Computer abfragen.«

      Ich trank noch einen Schluck Bier. Vielleicht sollte ich wirklich mal Blut spenden. Aber dann müsste ich auch aufhören mit dem Trinken und dem Rauchen. Gut, das Rauchen wäre nicht so schlimm, das wollte ich eh aufgeben. Morgen, genau genommen.

      Ich musste irgendwie mal auf das Klo, das Bier hatte inzwischen den Weg bis fast ganz nach unten gefunden.

      »Wie soll das denn gehen?«, fing er wieder da. »Der eine Computer steht hier, der andere in Afghanistan.«

      »Echt, du hast keine Ahnung von Computern, wie ich sehe«, trumpfte ich erneut auf. »Das geht so: Du spendest hier in Hamburg Blut, dann tippen die deine Blutgruppe in den Computer ein in eine große Liste und speichern das auf eine Diskette. Also auf viele Disketten, natürlich. Und eine der Disketten schicken die dann zum Beispiel nach Afghanistan. Und wenn da einer Blut braucht, schieben die diese Diskette in ein Diskettenlaufwerk und gucken, ob irgendwo jemand das Blut hat, das die grade brauchen. So läuft das heute.«

      »Wie soll das denn gehen?«, fragte er nun und guckte mich fast böse an, kratze sich dann am Hinterkopf. »Die schicken doch nicht nur eine Diskette nach Afghanistan. Das Land ist groß. Wenn in Afghanistan links einer Blut braucht und die Diskette grade rechts im Land ist, telefonieren die dann, oder was? Und stell dir vor, in Afrika braucht einer mein Blut, dann müsste doch auch in Afrika eine Diskette sein, wo das draufsteht. Also in ganz Afrika Dutzende. Die müssten ja Disketten in die ganze Welt schicken. Nach Amerika auch. Das sind ja Aberdutzende von Disketten, Trillionen.«

      »Das sind Detailfragen, die dir nur ein Fachmann erklären kann«, meinte ich abwiegelnd. »Ich bin da leider auch kein Spezialist. Aber die machen das mit Computern, so viel ist sicher.«

      »Das ist alles total unlogisch. Und unpraktisch. Mal ein Beispiel; Ich nehme mal an, dass der einzige Mensch, der auch meine Blutgruppe hat, tatsächlich in Afghanistan lebt, der fällt blöderweise auf ein Schwert oder einen Speer oder so was und verliert so viel Blut, dass der dringend anderes Blut braucht. Dann gucken die in ihren Computer, wo eine Diskette von Hamburg drinsteckt und sehen, dass ich das Blut habe.«

      »Du hast natürlich schon gespendet«, fügte ich hinzu.

      »Ja, klar«, sagte er kopfschüttelnd. »Das ist also hier in Hamburg im Kühlschrank. Muss ja sicherlich gekühlt werden, denke ich mal. Dann rufen die hier an und sagen, dass sie mein Blut haben wollen. Auf Afghanisch, nehme ich mal an.«

      »Ich denke, die sprechen Englisch.«

      »Okay, dann sprechen die Englisch. Auch hier in Hamburg. Ist okay, lernt man ja schon in der Schule. Dann holen die also meine Blutflasche aus dem Kühlschrank und fahren zum Flughafen und warten, bis da ein Flugzeug nach Afghanistan fliegt? Und das fliegt doch total lange, in der Zwischenzeit ist das Blut doch geronnen, oder etwa nicht? Und der Typ tot.«

      »Das weiß ich auch nicht«, ich war langsam etwas gelangweilt. So detailliert wollte ich das Ganze gar nicht ausbreiten. »Das wird sicherlich auch während des Fluges gekühlt.«

      »Wenn es kalt ist, gerinnt das Blut nicht?«

      »Ich glaube nicht.«

      »Und wenn einer am Nordpol blutet, dann muss der doch auslaufen, weil das Blut nicht gerinnt«, ereiferte er sich weiter. »Das glaube ich nicht. Und wo packen die das dann da hin im Flugzeug? Steckt eine Stewardess das in den Kühlschrank dort an Bord? Das ist doch eklig. Stell dir vor, die Passagiere sehen das.«

      »Ich weiß das auch nicht. Die werden sich da schon was Sinnvolles ausgedacht haben«, meinte ich. Ich war nun wirklich etwas genervt, meine Geduld erschöpfte sich so langsam. So einen Quatsch so lange zu diskutieren, war selbst für mich zu viel.

      »Ja, das denke ich auch«, meinte er relativ befriedigt. »Sonst würden die das ja nicht machen, wenn das Blut ständig gerinnt, wenn man es zu den Leuten schickt. Das ist schon ganz klug gemacht alles.«

      »Gut, dass wir uns da keine Gedanken drum machen müssen, wie das alles funktioniert«, meinte der punkige Schlagzeuger und wollte das Thema offenbar endgültig abschließen. Danke.

      »Mir ist das eh egal«, meinte Betty dazu.

      »Also,