Parallels. Sven Hauth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Sven Hauth
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750237810
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lief nicht nur gut, vor allem fühlte er sich gut an. Er fühlte sich richtig an. Den Blick über der kleinen Pfeilspitze auf der Motorhaube schweifend, das gepolsterte Lenkrad in den Händen und das beruhigende Geräusch des Achtzylinders in den Ohren glitten sie dahin. Aus den Polstern strömte der süße Duft der Vergangenheit. Das Oldsmobile belegte sämtliche Sinne, ließ vergessen und versprach Geborgenheit. Für den Hauch einer Sekunde blitzte ein tiefes Gefühl verlorenen Glücks auf. Von einem weit entfernten Ort konnte Shane beobachten, wie er den Wagen durch den Verkehr dirigierte. Er beschleunigte, überholte, bremste, lenkte, ohne sich darüber bewusst zu sein, kontrollierte das Fahrzeug rein intuitiv wie ein Rockstar seine langjährig gespielte Gitarre, verwachsen zu einer harmonischen Symbiose aus Mensch und Maschine. Alles im Fluss, alles Intuition, ein weißer Rausch.

      Die Stimme von Mr. Carpenter fügte ihn wieder zusammen.

      „Fahr da vorn raus. Wir müssen tanken.“

      Das Oldsmobile kam gemächlich neben einer Zapfsäule zu stehen. Während sich Carpenter am Tankdeckel zu schaffen machte, strich Shane ehrfürchtig über das narbige Kunstleder und traf eine Entscheidung. Er hatte das passende Transportmittel gefunden. Oder es ihn. Es war mehr Wissen als bewusste Entscheidung – der große Weiße sollte seiner sein.

      „Hat ein Weilchen gedauert“, entschuldigte sich der Alte, als er sich wieder in den Wagen schwang. „Großer Tank. Ideal für lange Fahrten“, fügte er zwinkernd hinzu.

      Nach zehn Minuten, in denen Carpenter unablässig die Vorzügen des Olds angepriesen und gleichzeitig bedauert hatte, dass er es verkaufen musste, waren sie wieder bei ihm zu Hause angekommen.

      Shane stellte den Motor ab. Als wäre dies ein Signal, verwandelte sich Matthew Carpenter in einen abgebrühten Geschäftsmann. Sein Gesicht nahm den verschmitzten Ausdruck eines Fuchses an. Nichts war mehr übrig von der kumpelhaften Großvaterfigur.

      „Kommen wir zum Geschäftlichen. 1000 $, wie es in der Anzeige stand.“

      Anscheinend war es keine Option, dass Shane den Wagen gar nicht kaufen wollte. Trotzdem schien es in solchen Fällen angebracht, noch etwas zu handeln.

      „Wie wäre es mit 800?“

      „Nein. Der Wagen ist 1000 $ wert. Nicht weniger.“

      „900 $?“

      „1000 $“

      Handeln gehörte sicher nicht zu Shanes Stärken, und dass der Alte in dieser Beziehung so stur sein würde, hatte er nicht erwartet. Er wollte das Oldsmobile haben. Es war die richtige Entscheidung. Erwartungsvoll sah Mr. Carpenter ihn an.

      „Also gut. Einverstanden.“

      „Wunderbar“, rief Carpenter, klatschte erfreut in die Hände und zog gleich darauf einen vorbereiteten Kaufvertrag aus dem Handschuhfach. „Ist schon alles vorbereitet. Bitte hier unterschreiben.“

      Shane schrieb seinen Namen auf die gestrichelte Linie. Aus seiner Tasche kramte er die 1000 $, die er die ganze Zeit bei sich getragen hatte, und übergab sie an Mr. Carpenter, der das Geld gewissenhaft zählte. Das Oldsmobile gehörte ihm.

      „Das Oldsmobile gehört dir“, bemerkte Carpenter, als hätte er seine Gedanken gelesen. „Hier ist alles, was du brauchst“

      Mit diesen Worten überreichte er den Fahrzeugbrief und ein Schlüsselbund, an dem neben drei unterschiedlichen Schlüsseln auch noch ein kleines Oldsmobile–Emblem hing.

      „Einen für die Türen, einen für das Zündschloss und einen für den Tankdeckel. Und jetzt zeig ich dir mal was!“

      Carpenter stieg aus und kniete sich vor dem linken Vorderrad auf den Boden.

      „Fühl mal, hier hinter dem Kotflügel.“

      Shane führte seine Hand von unten in den Motorraum und ertastete den Draht einer seltsamen Schleife. Fragend blickte er Mr. Carpenter an.

      „Zieh dran.“

      Shane zog und die Motorhaube sprang aus ihrer Verriegelung. Carpenter öffnete sie komplett und deutete auf eine versteckte Nische hinter der Batterie. Dort fand sich in einem Plastikbeutel ein weiterer Schlüsselbund mit allen drei Schlüsselarten.

      „Das habe ich mir eingerichtet, nachdem ich mich einmal ausgesperrt hatte. Danach musste ich keine Angst mehr haben, dass mir das noch einmal passiert. Raffiniert, nicht wahr?“

      Der Alte mochte skurril sein, war aber offensichtlich nicht blöd. Shane streckte ihm die Hand entgegen und suchte nach passenden Abschiedsworten. „Tja, dann also vielen Dank.“

      Ein Handschlag besiegelte das Geschäft. Die Finger des alten Mannes übten einen unerwartet kräftigen Druck aus. Shane wollte loslassen, doch Carpenter hielt seine Hand über die für einen durchschnittlichen Händedruck übliche Zeit.

      „Eine Sache noch“, sagte er und sah Shane ernst in die Augen.

      Im Stillen hatte Shane es befürchtet – es gab noch etwas. Irgend etwas, das mit dem Wagen nicht stimmte, oder irgendwelche versteckten Zusatzkosten. Der sprichwörtliche Haken an der Sache.

      Doch Carpenter zerstreute seinen Anfangsverdacht.

      „Du musst gut zu dem Wagen sein. Dann wird er auch gut zu dir sein. Versprichst du mir das?“

      Meinte der Alte es ernst? Er suchte nach einem Anflug Ironie in dem starren Blick, doch nicht einmal ein Blinzeln verdeckte das durchdringende Augenpaar. Dafür schien der Händedruck mit jeder Sekunde stärker zu werden.

      „Sicher“, sagte Shane und war sich gar nicht sicher.

      Die Antwort schien Carpenter dennoch zu befriedigen. Er lockerte seinen Griff. Das warme Lächeln kehrte so schnell in sein Gesicht zurück wie das Blut in Shanes pochende Hand. Gemeinsam verfrachteten sie das Fahrrad in den großzügig bemessenen Kofferraum, wo es beinahe verloren wirkte. Als Shane das Oldsmobile aus der Einfahrt fuhr, ließ er einen zum Abschied winkenden Matthew Carpenter im Rückspiegel zurück. Erleichterung stellte sich ein. Ein wichtiger Schritt zur Umsetzung seiner Reise war geschafft.

      Vom ehrlichen Hank hörte er nichts mehr. Wahrscheinlich war er den Caddy in der Zwischenzeit an jemanden losgeworden, der damit besser umgehen konnte.

      – 4 –

      5–215...Tür...Fenster...5–213...Tür...Fenster...5–211

      Eine Sequenz aus weinroten Plastikrechtecken, Bürotüren und Milchglasscheiben des Licht–reinlassen–aber–neugierige–Blicke–aussperren–Typs begleitete mich auf meinem Weg durch die Korridore des Colleges. Mit weißen Steckbuchstaben informierten die Türschilder über Zimmernummer, Abteilung und Namen der jeweiligen Person, die sich hinter den immer gleichen Türen verbarg. Die leeren Flure strahlten eine beruhigende Regelmäßigkeit aus; kein Vergleich zu dem aufwühlenden Zettelmosaik des Job Boards.

      5–207...

       5–205

       Textverarbeitung

       P. Norris

      Der Raum war nicht zu verfehlen. Obwohl etwas unscheinbar in die Ecke gedrängt, zwischen den öffentlichen Toiletten und einem weiteren unbeschrifteten Raum, aus dem ein mechanisches Rattern kam, nicht unähnlich den Geräuschen, die ich aus dem Fotolabor kannte, fiel 5–205 aus dem Rahmen. Es war der einzige Raum, dessen Tür horizontal geteilt war, sodass sich obere und untere Hälfte separat bedienen ließen.

      Die Eingangstür war nicht zu verfehlen, denn sie unterschied sich von allen anderen auf dem Gang dadurch, dass sie zweigeteilt war. Neben ihr versperrte dasselbe undurchsichtige Glas wie am Nebenraum den Blick, doch durch die geöffnete obere Türhälfte konnte man einen Teil des Raumes sehen. Das einzige Möbelstück darin war ein grauer Tisch, auf dem ein ebenso grauer Computer und Drucker standen. Auf der Fensterbank verrichtete eine verkalkt röchelnde Kaffeemaschine ihren Dienst und verströmte dabei einen eigentümlichen