„Glaubt ihr, dass die Blackfeet wieder angreifen werden?“, erkundigte sich Lisa. Er war ein Diplomat und Forscher, der stets versuchte, gute Beziehungen zu den Stämmen zu unterhalten. Er war an die vierzig Jahre alt und wirkte auch hier in der Wildnis sehr gepflegt. Er trug einen warmen Gehrock mit elegantem Schal, knappe Hosen und elegante hohe Stiefel. Seine braunen Augen waren warm und strahlten Intelligenz aus. Er war spanischer Herkunft und hatte damit eine dunklere Gesichtsfärbung.
„Nur eine Frage der Zeit!“, bestätigte Colter. „Und die sind nicht zimperlich!“
Lisa kniff besorgt die Lippen zusammen. Seine hohe Stirn legte sich in Falten, und er musterte Colter mit einem tiefen Blick. „Du sprichst ja aus reiflicher Erfahrung!“
Colter zuckte mit den Schultern. „Ich hatte mehrere Zwischenfälle mit diesen Teufeln. Potts wurde von denen zerstückelt! … Habe es mit eigenen Augen gesehen!“
„Ja, weil er geschossen hat!“ Ein leichter Vorwurf war in der Stimme von Lisa zu hören. Wie sollte man friedlichen Handel etablieren, wenn es zu solch dummen Zwischenfällen kam?
Colter hatte das Bedürfnis, seinen Freund zu verteidigen. „Potts wollte sich halt nicht ergeben. Er hat denen einfach nicht vertraut. Sir, die wollen einfach nicht, dass wir in ihrem Gebiet jagen. So ist das!“
„Hmh!“ Lisa runzelte immer noch die Stirn. „Wie dem auch sei. Damit ist die ganze Operation hier gefährdet.“
Colter stemmte die Hände in die Hüften, und seine Stimme wurde bissig. „Das war sie schon, als die Apsalooke sich mit den Blackfeet geprügelt hatten. Da konnten wir auch nichts dafür. Wir wurden hier einfach in die Kriegshandlungen zwischen zwei Stämmen hineingezogen.“
Manuel Lisa wechselte einen Blick mit Vasquez und sah dann auf die umstehenden Trapper. „Und was meint ihr?“
Es war Pierre, der sich zu Wort meldete. „Ich hatte auch eine reichlich gefährliche Begegnung mit diesen Injuns. Mein Skalp juckt immer noch! Ich habe keine Lust, mich hier abmurksen zu lassen. Dieses Fort ist im nächsten Winter nicht zu halten, wenn wir nicht wenigstens hundert Männer haben. Colter sagt ja, dass über 100 Blackfeet gegen die Apsalooke gezogen sind. Stellt euch mal vor, die tauchen hier auf! Dann sind wir Fischfutter.“
Colonel Menard brachte es auf den Punkt: „Warum handeln wir nicht mit Stämmen, die uns gewogen sind? Die Hidatsa und Mandan sind doch sehr freundlich.“
„Auf der Herfahrt haben wir dort mehrere Tage Rast gemacht“, erzählte Vazquez in seinem lustigen Gemisch aus Englisch und Spanisch. Er war bestimmt dreißig Jahre älter als Lisa, trotzdem hatte ihn das Leben als Abenteurer und Trapper gestählt. „Der ganze Handel wird mal über den Oberen Missouri laufen. Da macht es Sinn, dort eine feste Handelsstation aufzubauen.“
Auch Manuel Lisa stimmte dem zu. „Für das Territorium ist es von Vorteil, wenn wir an den Hauptströmen unsere Forts haben. Was nützt uns der Yellowstone, wenn noch nicht einmal der Missouri gesichert ist. Ein Schritt nach dem anderen. Ich meine … wir sollten den Posten mit entsprechender Besatzung ausstatten und uns gleichzeitig nach anderen Möglichkeiten umsehen. Zudem dürfen wir nicht vergessen, dass der Gewinn erst in St. Louis erzielt wird.“
„Und Gewinn nützt niemandem etwas, wenn der Skalp am Gürtel eines Indianers hängt“, fügte Menard grimmig hinzu.
Pierre konnte dem nur beipflichten. „Ich habe nach der Auseinandersetzung mit den Pekuni die Nase voll. Ich suche mir ein hübsches Indianermädchen, befreunde mich mit einem friedlichen Stamm und stelle dort meine Fallen auf!“
Colter rümpfte etwas die Nase. „Warum kommst du nicht mit mir den Yellowstone aufwärts? Nach zwei Wintern hast du genug, um dich zur Ruhe zu setzen!“
Pierre legte den Kopf schief. „Vielleicht tue ich das. Aber zuerst will ich hören, was die Bosse entscheiden. Schließlich habe ich mit denen einen Vertrag.“
Ein Murmeln antwortete ihm auf diese Feststellung. So ein Unterfangen war immer besser zu realisieren, wenn man aus einer Position der Stärke heraus handelte. Im Winter waren sie geschwächt gewesen. Niemand hatte Lust, noch einmal so einen Winter zu erleben.
Die nächsten Tage blieben friedlich. Eine große Abordnung Apsalooke kam zum Fort, und der Handelsraum war gut besucht. Immer einer der Teilhaber sowie ein Dolmetscher und zwei Wachleute saßen Häuptlingen und Kriegern gegenüber, rauchten die Pfeife und ließen sich die Pelze zeigen, die von den Indianern gebracht wurden. Wolldecken, eiserne Pfannen und Töpfe, Messer, Pfeilspitzen, Stoffe, Spiegel und Perlen wurden im Tausch über den Tresen gereicht. Am interessiertesten waren die Indianer an Waffen, doch Lisa hielt nicht viel davon, die Indianer mit Waffen auszurüsten. Auch den Handel mit Alkohol lehnte er strikt ab. Seine Partner sahen das nicht so streng, hielten sich aber an diese Anweisung. Einmal ließ Lisa einen Mann mit zwanzig Peitschenhieben bestrafen, der eine Flasche Rum gegen ein paar Pelze getauscht hatte. Die Männer standen in seinem Sold, und ein Missachten seiner Anweisungen wurde hart geahndet.
Lisa und Vazquez machten sich die Entscheidung nicht leicht, aber als sie es dann taten, dann mit aller Konsequenz: Ein Großteil der Ausrüstung des Forts, samt Öfen und Inventar, sofern man es zerlegen konnte, wurden auf die Boote verladen. Vor allen Dingen die Felle und Pelze, aber auch persönliches Eigentum wurden in Bündel gepackt und über die Planken auf die Boote transportiert. Zum Schluss blieben nur ein paar Hütten und die Palisaden des Forts stehen. Menard blieb als Kommandant, als „Clerk“, mit gut vierzig Mann zurück, die das Fort über den Winter halten wollten, um weiter mit den Apsalooke zu tauschen. Eine Saison wollten sie es noch versuchen. Sie erhielten Tauschgüter und jede Menge Munition, außerdem einen großen Vorrat an Mehl, Kaffee und Rum. Colter dagegen stieg auf eines der Boote, um dann im Winter mit neuen Trappern zurückzukehren. Er hatte vor, in der Gegend der Three Forks einen Posten zu bauen. Er hoffte, dass ihnen dort die Blackfeet nicht so zusetzen würden.
Als die Boote schließlich ablegten, klangen Abschiedsrufe und gute Wünsche über das Wasser. „Macht es gut, ihr Halunken!“, schrie Colter mit überschnappender Stimme zum Ufer zurück.
„Pass auf dich auf, du Tausendsassa! Und grüße irgendwann mal deine heißen Quellen von uns!“
„Bla, bla!“, kam es zurück. „Irgendwann zeige ich sie dir! Und dann baden wir gemeinsam – damit du nicht mehr so stinkst, mon ami! Im Winter nehme ich dich dorthin mit!“
Menard stand am Ufer und lachte nur. Herausfordernd schwenkte er seine Mütze. „Kein Wunder, dass dich die Blackfeet nicht gefunden haben. Wahrscheinlich hast du genauso gestunken wie diese Biber, in deren Bau du dich verkrochen hast!“
„Genau!“
Die Stimmen am Ufer wurden leiser, als die Boote an Fahrt zulegten. Pierre wandte den Blick nach vorne und atmete tief ein. Hier auf dem Boot fühlte er sich halbwegs sicher. Die zwanzig Mann Besatzung waren eine gute Lebensversicherung. Er wusste noch nicht, ob er je hierher zurückkehrte. Der Angriff der Blackfeet steckte ihm noch in den Knochen. Irgendwie bewunderte er Colter, der nach all diesen überstandenen Gefahren immer noch den Mut hatte, im Winter wieder in die Wildnis zu gehen und dort seine Fallen aufzustellen. Ob er wohl vorhatte, an den Fluss zurückzukehren, in dem seine Biberfallen lagen? Colter hatte zwar neue Fallen erhalten, aber Pierre wusste, dass es den Trapper in der Ehre kränkte, sie den Blackfeet überlassen zu haben. „Wenn du im Winter wieder nach Westen ziehst, holst du dann vorher deine Fallen?“, fragte er.
Colter zuckte mit den Schultern. „Ich habe es schon vor … weiß aber nicht, ob es durchführbar ist. Ich heuere erst einmal im Auftrag der Company neue Männer an, und dann ziehe ich den Yellowstone wieder hinauf. Ich will reich werden, aber nicht unbedingt mein Leben verlieren. Kalkuliertes Risiko!“
Pierre schmunzelte. „Kalkuliertes Risiko?“
„Ja … die Blackfeet sind im Winter eher faul. Wenn wir es bis zu den Three Forks schaffen, können wir dort erst einmal in Ruhe jagen. Wenn sich eine Gelegenheit ergibt, hole ich mir meine