Wambli-luta erhob sich und verließ das Tipi. Seine Eltern, die Großmutter und die Schwester folgten ihm. Sie hatten schöne Kleidung angelegt, um die siegreiche Rückkehr gebührend zu feiern. Eine gewisse Aufregung machte sich bei allen bemerkbar. In der Mitte des Dorfes hatten sich schon viele Menschen versammelt. Frauen standen in ihre Roben gehüllt in einem weiten Kreis, dazwischen huschten Kinder hin und her. Zwei Akicitas der Canté-tinza-Gesellschaft, die mit der Ordnungsfunktion über das Dorf betraut waren, hielten die Neugierigen zurück und ließen genügend Platz für die folgende Darbietung. Wambli-luta stellte sich zu den anderen Kriegern, die prächtig geschmückt darauf warteten, ihre Heldentaten zu erzählen. Sie hatten niemanden getötet, also verzichteten sie auf die schwarze Bemalung und den Waktegli, den Siegestanz. Stattdessen wurden die erbeuteten Pferde in den Kreis geführt. Thimahel-okile, Den-man-im-Zeltsucht, ein bewährter Krieger und Anführer des Kriegstrupps, machte eine große Geste mit der Hand. „Seht, was wir erbeutet haben! Die Miwatani haben sich in ihren Hütten verkrochen wie Feiglinge. Erst als wir ihre Pferde raubten, kamen sie aus ihren Löchern hervor. Sie schossen auf uns, doch unsere Medizin war stärker! Nun besitzen wir ihre Pferde!“ Stolz saß er auf seinem Pferd, ganz und gar der Anführer und Krieger. Er zählte dreimal zehn und fünf Winter, und sein Körper war sehnig und kraftvoll. Er hatte eine hohe Stirn mit tiefliegenden Augen, und sein Gesicht wurde dominiert von einer Nase, die wie der Schnabel des Adlers gebogen war. Er flößte schon durch sein Aussehen Respekt ein, doch jetzt – im vollem Kriegsschmuck und mit den Federn, die hinten im Haar hingen, wirkte er geradezu respekteinflößend.
Die Frauen antworteten mit einem hohen Trällern auf die kleine Schmährede, während die Männer und Jungen laut jubelten. „Ich habe entschieden, wer diese Pferde erhält!“, fuhr Thimahel-okile mit der natürlichen Autorität des Anführers fort. Er nahm zwei Pferde an ihren Stricken und führte sie zu einem einfach gekleideten Mann. „Diese sind für die Ohunkeshni – für unsere Alten und Schwachen, die nicht mehr für sich selbst sorgen können. Bestimme du, wer sie am nötigsten braucht.“ Zum ersten Mal lächelte er kurz, und sein Antlitz zeigte nun ein ausgeglichenes Gemüt und wahre Zuneigung zu den Menschen, die er beschützte.
Ein wohlwollendes Gemurmel folgte dieser Großzügigkeit. Der angesprochene Mann nickte bescheiden und nahm die beiden Pferde in seine Obhut. Er sah sich kurz um und trat dann zu einer Frau mittleren Alters, deren kurz geschnittene Haare darauf hindeuteten, dass sie erst vor kurzem ihren Mann verloren hatte. An ihrer Seite standen ein Junge von vielleicht zwölf Wintern und ein kleineres Mädchen. Ohne Worte drückte er der Frau den Strick in die Hand, die sich mit einem Nicken bedankte und dann mit dem Pferd verschwand. Das andere Pferd gab er einem älteren Krieger, der ein lahmes Bein hatte und mit einem Stock gehen musste. Wieder antwortete ein beifälliges Murmeln, dann wandte sich die Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen zu. Thimahel-okile zerrte ein weiteres Pferd herbei, das nervös tänzelte. Es war eine hübsche, junge Stute.
„Dieses Pferd ähnelt einem mutigen Mädchen, auf das einer unserer Krieger stieß. Sie hätte ihn fast überrumpelt.“
Wambli-luta ahnte, was ihm blühte, und senkte machtlos den Blick. Wahrscheinlich würde das ganze Volk in Zukunft über ihn spotten. Er trug es mit Fassung und zuckte mit einem schiefen Grinsen mit den Schultern.
Thimahel-okile aber empfand Wohlwollen mit dem jungen Mann, denn er wandte sich mit erhobener Stimme an ihn. „Wambli-luta hat Mitleid gezeigt und das Mädchen laufen lassen. Vielleicht wäre es besser gewesen, sie mitzunehmen, denn er würde sie ganz sicher besser beschützen als diese Erdlochbewohner! Also gebe ich ihm diese Stute, damit er in Zukunft ein hübsches Mädchen mitbringen kann!“
Wambli-luta warf dem Redner einen Blick tiefster Dankbarkeit zu. Erhobenen Hauptes, sodass niemand seine Erleichterung bemerkte, schritt er in den Kreis und nahm das Pferd in Empfang. Seine Ohren rauschten immer noch, als er sich an den Rand stellte, dem Pferd beruhigend den Hals klopfte und dann die Zeremonie verfolgte. Alle Krieger wurden erwähnt und ihre Taten mit blumigen Worten gepriesen. Auch Krummes-Bein, ein guter Freund von Wambli-luta und entfernter Cousin, wurde für seine Tapferkeit geehrt. Er zählte etwa so viele Winter wie Wambli-luta, war aber von gedrungenem Körperbau. Er hatte einen leichten Bauchansatz, was für junge Männer eher ungewöhnlich war. Sein Gesicht war rund wie der Vollmond, und er hatte geschwungene fleischige Lippen. Er hatte meist ein ausgeglichenes Wesen und liebte es, seine Freunde zu necken und darüber zu lachen. Seine Augen blitzten meist lustig. Diese Anerkennung freute Wambliluta besonders, denn eine Verletzung hatte dem jungen Mann schwer zu schaffen gemacht. Es war gut, dass Krummes-Bein seine Kraft wiedergefunden hatte! Ein Pferd nach dem anderen wurde verteilt, bis zum Schluss nur noch zwei Pferde übrig blieben, die Thimahel-okile für sich behielt. Das war ausgesprochen großzügig, und die Beliebtheit dieses Kriegers stieg. Als Sohn eines der Häuptlinge würde er wohl in dessen Fußstapfen treten, und alle vermuteten, dass er ebenfalls zum Häuptling ernannt werden würde.
Als es dunkel wurde, verschwanden die Menschen in ihren Zelten, wo bereits ein gutes Essen auf sie wartete. Geschichten wurden erzählt, und Wambli-luta musste mehrmals von seinem Abenteuer berichten. Er schmückte es etwas aus und verschwieg, dass dieses Mädchen ihn vom Pferd gezogen hatte. Aber irgendwo kam die Geschichte auf, dass er vom Pferd gesprungen war und sie mit seinem Beil fast getötet hätte. Anscheinend hatte man ihn doch beobachtet, aber nicht gesehen, dass er nicht ganz freiwillig vom Pferderücken abgestiegen war. Auch gut! Er hütete sich, etwas zu sagen, denn dass er nun als großzügig dastand, war ihm nur recht.
Die Zeit des Winters war hart, und so brach niemand mehr zu einem Raubzug auf. In den Zelten wurden Geschichten erzählt, die Waffen erneuert und neue Kleidung hergestellt. Die Männer, Frauen und Kinder erfreuten sich an Wettspielen, und so mancher Wetteinsatz wechselte den Besitzer. Auch Wambli-luta blieb im Zelt, obwohl er darauf brannte, seinen Mut zu beweisen. Manchmal zog er seine Schneeschuhe über und brach auf, um seinen Eltern ein wenig frisches Fleisch zu bringen. Die Tiere hatten ihr dichtes Winterfell, das gerne für Umhänge, Mützen und einfache Handschuhe verwendet wurde. Kinder bauten sich Schlitten aus Knochen und rutschten die vereisten Hänge am Flussufer hinunter oder balgten sich in Schneeballschlachten.
Wambli-luta war froh, als die ersten warmen Winde den Schnee schmelzen ließen und die Zugvögel in ihrer Formation nach Norden flogen. Gänse, Enten, selbst Kraniche und Kormorane kehrten zurück und bauten ihre Nester. Längst waren die gepunkteten Prärieläufer zu sehen, die in dem weiten Grasland ihre Nester im Gras versteckten, oder Blauhäher, die mit frechem Kreischen auf andere Vögel losgingen. Die Hunkpapa wollten südwärts bis zum Inyan-wakachapi-Wakpa, dem Cannonball-Fluss, ziehen. Ihre Abreise hatte sich verzögert, denn ein später Eissturm hatte sie überrascht. Anschließend mussten erst einige Tipis geflickt und neue Stangen geschlagen werden, weil einige durch den Sturm zu Bruch gegangen waren. Die Jahreszeiten konnten in diesem Land tückisch sein. Bald darauf brachen die Familien auf und zogen nach Süden, um sich mit den anderen Gruppen zu treffen. Das Dorf wurde größer, als immer mehr Gruppen eintrafen und sich die Familien gegenseitig begrüßten. In der Mitte des Dorfes wurde ein Ratstipi aufgeschlagen, und im Umkreis standen die Tipis der Kriegergesellschaften. Überall wimmelte es von Menschen und dazwischen kläfften die Hunde, bis sie sich schließlich zu einer großen Meute vereinten. Interessiert beobachtete Wambli-luta, wie auch die Tokala-Gesellschaft in der Dorfmitte ihr Zelt aufschlug und eine Gruppe ihrer Mitglieder von Zelt zu Zelt ging und um Material für die Instandsetzung ihrer Regalia bat. Bei manchen Zelten, in denen ein kleines Kind lebte, das sie mochten, riefen sie ihr Sprüchlein: „Enkelkind, ich möchte etwas ausbessern, aber ich habe die Materialien nicht. Kannst du uns etwas geben?“ Es war selbstverständlich, dass die Eltern das Kind dann mit dem, was sie entbehren konnten, zum Zelt der Tokala schickten. Manchmal waren es gefärbte Stachelschweinborsten, Messingteile zum Verzieren, Sehnen zum Nähen, Felle oder anderes Zierrat. Manche Familien waren aber auch so großzügig, dass sie ein Pferd stifteten. Nur einem Kind war es gestattet, das Zelt der Tokala zu betreten. Für erwachsene Nicht-Angehörige war es tabu.
Die Gruppe der Männer kam auch am Zelt von Gebrochene-Lanze vorbei, und die Mutter suchte einige Dinge heraus, die für die Männer von Wert