Belastet mit dem dinglichen Verwertungsrecht, das dem Gläubiger zugewiesen ist (oben Rn. 98), ist nicht nur das Grundstück selbst als rechtliche Einheit, vielmehr ist Gegenstand der Grundpfandhaftung das Grundstück als wirtschaftliche Einheit. Über das im Grundbuch eingetragene Grundstück (auch: Wohnungseigentum) und seine wesentlichen Bestandteile hinaus (§§ 93, 94 BGB) erstreckt sich das Verwertungsrecht auf
– | nicht wesentliche Bestandteile (§ 1120 BGB), |
– | Erzeugnisse (§§ 99 Abs. 1, 1120), |
– | Zubehör (§§ 97, 1120), |
– | Miet- und Pachtzinsforderungen als mittelbare Rechtsfrüchte (§§ 99 Abs. 3, 1123 ff.), |
– | wiederkehrende Leistungen (§ 1126), |
– | Versicherungsforderungen als Surrogate für Gegenstände, die der Haftung unterlegen hatten (§§ 1127 bis 1130), und schließlich |
– | zugeschriebene Grundstücke (§§ 890 Abs. 2, 1131). |
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In §§ 1121 Abs. 1, 2, 1122 Abs. 1, 2, 1123 Abs. 2, 1124 Abs. 1, 2 und 1126 werden Rechtsfolgen von der Beschlagnahme abhängig gemacht. Die Beschlagnahme bezeichnet den Rechtsakt, durch den der Gläubiger – nach Maßgabe von §§ 864 ff. ZPO und §§ 20, 148 ZVG, s. § 1147 BGB – in den Stand gesetzt wird, auf das Grundstück und die in §§ 1120 bis 1131 bezeichneten Vermögensgegenstände zuzugreifen. Die Beschlagnahme ist eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung am Beginn des Verwertungsverfahrens und setzt Pfandreife, also Fälligkeit der gesicherten Forderung resp. der Grundschuld selbst (vorst. Rn. 118) voraus (im Einzelnen nachf. Rn. 452 ff., 469 ff.). Die Beschlagnahme wirkt sich auf den Haftungsverbund aus (nachf. Rn. 139, 146, 147, 150). Bewegliche Sachen, die zum Haftungsverbund des Grundpfandrechts gehören, sind nach Maßgabe von § 865 ZPO der Mobilarzwangsvollstreckung entzogen (nachf. Rn. 467).
2. Das Grundstück und zugeschriebene Grundstücke
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In erster Linie haftet das Grundstück mit seinen wesentlichen Bestandteilen (§ 93 BGB), namentlich Gebäuden (§ 94), in seinem katastermäßigen Zustand (vorst. Rn. 127), den es bei Bestellung des Grundpfandrechts hatte.
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Außerdem erstreckt sich das Grundpfandrecht auf zugeschriebene Grundstücke (§ 1131). Dabei geht es um folgendes: Wird das Grundstück nach Grundpfandbestellung geteilt („abgeschrieben“ i.S.v. § 2 Abs. 3 GBO), werden also aus einem Grundstück mehrere selbstständige Grundstücke gemacht, haften alle diese neuen Grundstücke, das Grundpfandrecht wird zum Gesamtgrundpfandrecht[1] (§ 1132 und nachf. Rn. 422 ff.). Werden mehrere Grundstücke zu einem einheitlichen verbunden, so kann dies auf zwei Wegen geschehen: durch Vereinigung gem. § 890 Abs. 1 oder durch Zuschreibung gem. § 890 Abs. 2. Durch die Vereinigung werden die früher selbstständigen Grundstücke Bestandteile des neuen Grundstücks, durch Zuschreibung wird das zugeschriebene Grundstück zum – nicht wesentlichen – Bestandteil des anderen (§§ 5, 6 GBO)[2]. An sich gilt der Grundsatz, dass Verbindung und Trennung von Bestand und Umfang am Grundstück nichts an der bisherigen Belastung ändern[3]. § 1131 schafft dagegen Ausnahmen für den Fall der Zuschreibung (nicht der Vereinigung): Grundpfandrechte des Hauptgrundstücks erstrecken sich auch auf das zugeschriebene Grundstück. Bestanden aber bereits am zugeschriebenen Grundstück Rechte, so gehen diese den neuen Grundpfandrechten vor (§ 1131 Satz 2).
Anmerkungen
Alltäglich bei der Begründung von Wohnungseigentum, BGH ZIP 1992, 317 zu II. 1.
BGH WM 2014, 796.
BGH NJW 2006, 1000 Rn. 13 ff.; NJW 1978, 320 für Dienstbarkeiten; AnwKomm (NK-)/Zimmer, § 1131 Rn. 1.
3. Einfache, nicht wesentliche Bestandteile
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Bestandteile, die nicht wesentlich sind (§ 93), können zwar Gegenstand eigener Rechte sein, teilen ansonsten aber das Schicksal der Hauptsache und stehen regelmäßig auch im Eigentum des Eigentümers der Hauptsache. Weil das so ist, erstreckt sich die Grundpfandhaftung auch auf sie. Stand der nicht wesentliche Bestandteil aber schon bei Grundpfandbestellung ausnahmsweise im Eigentum eines anderen, erstreckt sich die Grundpfandhaftung darauf nicht, z.B. im Falle eines Eigentumsvorbehalts am Bestandteil (dazu aber nachf. Rn. 138). Wird der nicht wesentliche Bestandteil vom Grundstück getrennt und veräußert, endet die Haftung, wie § 1121 Abs. 1 bestimmt.
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Wird z.B. die Holztäfelung in einem Gebäude[1] abgetragen, vom Grundstück weggeschafft und veräußert, braucht der neue Eigentümer den Zugriff des Grundpfandgläubigers nicht zu fürchten. Bleiben die nicht wesentlichen Bestandteile auf dem Grundstück, besteht die Haftung trotz Veräußerung fort. Gem. § 1122 Abs. 1 kann die Enthaftung aber auch ohne Veräußerung eintreten, wenn die Bestandteile vom Grundstück in den Grenzen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft getrennt wurden. Im Beispiel könnte § 1122 Abs. 1 anwendbar sein, wenn die Holztäfelung zugunsten energiesparender Wärmedämmungen ausgetauscht wird. Solange die Bestandteile noch auf dem Grundstück, also noch nicht entfernt sind, bleibt es bei der Haftung.
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Die Enthaftung tritt weiter dann ein, wenn nach der Trennung nicht derivativer Erwerb eines anderen, sondern originärer gem. §§ 954 bis 957 stattfindet, z.B. aufgrund Nießbrauchs. Gleiches gilt, wenn der getrennte Bestandteil durch Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung (§§ 946 bis 950) zu einer neuen Sache wird. Gem. §§ 949, 950 Abs. 2 erlöschen Rechte Dritter, auch die des Grundpfandgläubigers.
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Nicht unter die Grundpfandhaftung fallen Scheinbestandteile im Sinne von § 95 wie etwa die Garage, die der Pächter für die Dauer der Pachtzeit errichtet hat[2], oder eine Windkraftanlage[3]oder eine Bronzeskulptur[4]. Der Scheinbestandteil kennzeichnet sich durch die willentliche Zweckbestimmung; danach ist es denkbar, dass ein nicht wesentlicher Bestandteil durch Zweckänderung[5] zum Scheinbestandteil wird[6]. Umgekehrt besteht kein allgemeiner Grundsatz dahin, dass ein Grundeigentümer etwa eine Gartenlaube nur zu vorübergehenden Zweck errichten sollte; der Einzelfall