2. Rücktritt und Minderung
47
Der Verjährung unterliegen an sich nur Ansprüche (§ 194 Abs. 1), nicht dagegen Gestaltungsrechte. Deshalb bedurfte es für die Gestaltungsrechte Rücktritt und Minderung der besonderen Regelung des § 218 in Verbindung mit § 438 Abs. 4 und 5, die der Sache nach darauf hinausläuft, dass Rücktritt und Minderung hier derselben Verjährungsfrist wie der Nacherfüllungsanspruch unterliegen. Folge der Berufung des Verkäufers auf die „Verjährung“ der genannten Rechte ist freilich die Unwirksamkeit der Ausübung des betreffenden Gestaltungsrechts, insbesondere also des Rücktritts des Käufers (§ 218 Abs. 1 S. 1). Hat der Käufer dagegen rechtzeitig von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch gemacht, so wird der Kaufvertrag in ein Rückgewährschuldverhältnis umgestaltet, dessen Inhalt sich nach den §§ 346 ff richtet (s. o. Rn 17). Die sich daraus ergebenden beiderseitigen Ansprüche unterliegen nicht mehr dem Regime des § 438, sondern verjähren in der Regelverjährungsfrist der §§ 195 und 199[129].
48
Hatte der Käufer bei Ablauf der Verjährungsfrist des § 438 Abs. 1 den Kaufpreis noch nicht bezahlt, so kann er außerdem trotz Verjährung seines Rücktritts- oder Minderungsrechts immer noch die Bezahlung verweigern, soweit er dazu aufgrund des Rücktritts oder der Minderung wegen des Mangels berechtigt gewesen wäre (§ 438 Abs. 4 S. 2 und Abs. 5). Macht der Käufer von diesem Recht Gebrauch, so kann freilich der Verkäufer seinerseits zurücktreten, um nicht im Ergebnis dem Käufer die Sache unentgeltlich überlassen zu müssen (§ 438 Abs. 4 S. 3).
3. Abweichende Vereinbarungen
49
§ 438 ist kein zwingendes Recht. Die Verjährungsfristen können daher vertraglich abgeändert werden (§ 202). Für eine Verkürzung der Verjährungsfristen in Geschäftsbedingungen gilt jedoch die Schranke des § 309 Nrn 7 und 8 lit. b, ff[130]. Beim Verbrauchsgüterkauf ist außerdem § 476 Abs. 2 von 2017 zu beachten, der zum Schutze des Verbrauchers eine Verkürzung der Verjährungsfristen des § 438 nur in wenigen Fällen zulässt (s. u. § 6 Rn 1).
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › IX. Rückgriffsansprüche des Verkäufers
IX. Rückgriffsansprüche des Verkäufers
49a
Seit 2017 enthält das Gesetz in den §§ 445a und 445b sowie ergänzend für den Verbrauchsgüterkauf in § 478 eine Regelung über die Rückgriffsansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten, wenn der Verkäufer bei dem Verkauf neu hergestellter Sachen im Rahmen der Nacherfüllung, insbesondere bei den Einbaufällen, Aufwendungen aufgrund des § 439 Abs. 2 und Abs. 3 sowie des § 475 Abs. 4 und Abs. 6 erbringen musste (s. oben Rn 10 ff). Voraussetzung ist, dass der vom Käufer geltend gemachte Mangel (dessentwegen der Verkäufer zur Nacherfüllung verpflichtet ist) bereits bei dem Übergang der Gefahr von dem Lieferanten auf den Verkäufer vorhanden war (§ 445a Abs. 1). Vorbild der Regelung war § 478 aF, der erstmals, seinerzeit freilich noch unter Beschränkung auf den Verbrauchsgüterkauf iS des § 474, einen Regress in der Lieferkette eröffnet hatte. Der neue § 445a verallgemeinert diese Regelung durch die Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auf alle Kaufverträge, selbst wenn es sich bei dem letzten Kaufvertrag in der Lieferkette um einen Vertrag allein zwischen Unternehmen (B2B) gehandelt hat.[131]
49b
Erste Voraussetzung eines Regresses in der Lieferkette ist, dass es sich um den Verkauf einer neu hergestellten Sache handelt. Ist dies der Fall, so reicht die Lieferkette so weit zurück, wie es jeweils noch um eine Lieferung derselben neuen Sache geht. Nicht erfasst werden dagegen bloße Zulieferer einzelner Teile oder von Rohstoffen. Zweite Voraussetzung ist, dass der Verkäufer wegen Mängeln der Sache einen Nacherfüllungsaufwand hatte, weil er aufgrund des § 439 Abs. 2 und Abs. 3 oder des § 475 Abs. 4 oder Abs. 6 dem Käufer im Rahmen der Nacherfüllung zum Ersatz von Kosten oder Aufwendungen oder zur Leistung eines Vorschusses verpflichtet war. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so kann der Verkäufer bei seinem Lieferanten unter erleichterten Voraussetzungen Regress nehmen. Hierdurch wird erreicht, dass der Nacherfüllungsaufwand letztlich denjenigen Verkäufer und Lieferanten trifft, der durch die Herstellung einer mangelhaften Sache den Aufwand und die Kosten überhaupt erst verursacht hat. Zu beachten ist, dass die §§ 445a und 478 keine eigene Anspruchsgrundlage für Rückgriffsansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten nach seiner Inanspruchnahme durch den Käufer darstellen. Derartige Ansprüche ergeben sich vielmehr allein aus den §§ 437 ff, wobei der Verkäufer freilich nicht auf die von seinem Käufer gewählten Mängelrechte beschränkt ist. Dem Verkäufer wird die Verfolgung seiner eigenen Mängelrechte gegen seinen Lieferanten aus den §§ 437 ff zudem durch den Verzicht auf eine an sich nach den §§ 281 Abs. 1 und 323 Abs. 1 erforderliche Fristsetzung erleichtert, wenn der Verkäufer die Sache infolge ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen musste oder wenn der Käufer den Kaufpreis deshalb gemindert hatte (§ 445a Abs. 2). Dasselbe gilt für den weiteren Regress in der Lieferkette, sofern es sich bei den weiteren Lieferanten um Unternehmer im Sinne des § 14 handelt (§ 445a Abs. 3). Zusätzliche Vergünstigungen bestehen nach § 478, wenn der letzte Vertrag in der Lieferkette ein Verbrauchsgüterkauf ist. In diesem Fall findet auch die Beweislastumkehr des § 477 Anwendung, wobei die Frist von sechs Monaten, binnen derer sich der Mangel gezeigt haben muss, mit dem Übergang der Gefahr auf den Verbraucher beginnt (§ 478 Abs. 1). Außerdem ist die gesetzliche Regelung des Regresses in der Lieferkette (Rn 49a ff) zum Schutze des letzten Verkäufers im Wesentlichen zwingend (§ 478 Abs. 2).
49c
Besonderheiten gelten nach § 445b für die Verjährung, um zu verhindern, dass die Rückgriffsansprüche des Verkäufers bei einer längere Zeit zurückliegenden Lieferung bereits verjährt sind, wenn der Verkäufer vom Verbraucher in Anspruch genommen wird. Die Regelung ist auf weitere Vorlieferanten entsprechend anwendbar (§ 445b Abs. 3). Unberührt bleibt jedoch nach § 445a Abs. 4 die (wichtige) Vorschrift des § 377 HGB, so dass der Verkäufer bei einem Handelskauf alle genannten Rechte wieder einbüßt, wenn er den etwaigen Mangel nicht rechtzeitig gerügt hat.
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › X. Konkurrenzen
a) Anfechtung des Käufers
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Das BGB unterscheidet in den §§ 119 und 123 verschiedene Anfechtungstatbestände, die im Einzelfall mit den §§ 434 ff zusammentreffen können. Keine Probleme bestehen insoweit hinsichtlich des Anfechtungsrechts des Käufers aus den §§ 119 Abs. 1 und 123, die nach allgemeiner Meinung durch die Sonderregelung der §§ 434 ff nicht verdrängt werden. Der Käufer, der vom Verkäufer über die Beschaffenheit der Kaufsache arglistig getäuscht wurde, hat deshalb die Wahl zwischen Ansprüchen aus cic (u. Rn 53) und aus Delikt (u. Rn