Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › VI. Aufwendungsersatz
VI. Aufwendungsersatz
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Nach den §§ 437 Nr 3 und 284 kann der Käufer ferner bei Lieferung einer mangelhaften Sache anstelle des Schadensersatzes statt der Leistung (§ 281) und damit unter denselben Voraussetzungen wie dieser (o. Rn 23 ff) Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Vertrauen auf den Erhalt der Leistung des Verkäufers gemacht hat und billigerweise machen durfte, außer wenn der Zweck der Aufwendungen auch ohne die Pflichtverletzung des Verkäufers nicht erreicht worden wäre.[88] Beispiele sind die Kosten des Vertragsabschlusses, Transportkosten, Kosten für die Vorbereitung des Einsatzes der gekauften Sache, etwa in dem Betrieb des Käufers, sowie Aufwendungen auf die gekaufte, später als mangelhaft erwiesene und deshalb nach Rücktritt zurückgegebene Sache. Dem Aufwendungsersatzanspruch des Käufers kommt vor allem dann eigenständige Bedeutung zu, wenn der Käufer wegen des Mangels den Rücktritt von dem Kaufvertrag erklärt (s. § 325).
Teil I Veräußerungsverträge › § 5 Rechte des Käufers › VII. Abweichende Vereinbarungen
1. Überblick
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Die Haftung des Verkäufers für Mängel der Kaufsache nach Maßgabe der §§ 437 ff (o. Rn 1 ff) ist kein zwingendes Recht, sondern kann vertraglich sowohl beschränkt als auch erweitert werden (§ 311 Abs. 1). § 442 fügt hinzu, dass die Rechte eines Käufers wegen eines Mangels außerdem grundsätzlich ausgeschlossen sind, wenn er den Mangel bei Abschluss des Vertrages kannte oder nur infolge grober Fahrlässigkeit verkannte (dazu u. Rn 36 ff). Bei öffentlichen Versteigerungen iS des § 383 Abs. 3 ist zusätzlich die Haftungsbegrenzung des § 445 sowie in der Zwangsversteigerung die des § 806 ZPO zu beachten.
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Vertragliche Haftungsbeschränkungen stellen stets eine erhebliche Gefahr für den Käufer dar, vor allem natürlich, wenn die Kaufsache verborgene Mängel aufweist. Sie sind deshalb grundsätzlich eng auszulegen, so dass z. B. eine so genannte Besichtigungsklausel, nach der die Sache „wie besichtigt“ verkauft ist, nur zum Ausschluss der Haftung des Verkäufers für solche Mängel führt, die für den Käufer ohne weiteres bei einer Besichtigung tatsächlich erkennbar waren, nicht dagegen für verborgene Mängel, die (möglicherweise) ein Fachmann, nicht dagegen Laien zu erkennen vermögen.[89] Außerdem enthält das Gesetz zum Schutze des Käufers gegen übermäßige Haftungsbeschränkungen verschiedene Regelungen, die solchen Bestimmungen unterschiedlich enge Grenzen ziehen. Hervorzuheben ist § 444, nach dem sich der Verkäufer auf eine vertragliche Beschränkung oder einen Ausschluss der Haftung für Mängel nicht berufen kann, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat (dazu u. Rn 32, 39 ff; vgl außerdem §§ 438 Abs. 3 S. 1 und § 445). Auf der anderen Seite können die Parteien die Haftung des Verkäufers für Mängel vertraglich aber auch beliebig über den gesetzlichen Rahmen hinaus erweitern. Wichtigster Fall ist die Übernahme einer Garantie durch den Verkäufer im Sinne des § 443 (dazu u. Rn 39 ff).
2. Arglist des Verkäufers (§ 444)
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Nach § 444 kann sich der Verkäufer auf eine Vereinbarung, durch welche die Rechte des Käufers wegen eines Mangels ausgeschlossen oder beschränkt werden, nicht berufen, soweit er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache im Sinne des § 443 übernommen hat (dazu u. Rn 39 ff). Dasselbe gilt, wenn die Parteien eine Beschaffenheitsvereinbarung im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 getroffen haben, da einer solchen nach Treu und Glauben der Vorrang vor einem gleichzeitig vereinbarten allgemeinen Haftungsausschluss zukommen muss (§ 242), so dass sich dieser in aller Regel allein auf etwaige weitere Mängel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 2 Nr 1 oder 2 und S. 3 erstreckt.[90] Arglist des Verkäufers iS des § 444 ist gleichbedeutend mit Kenntnis des Mangels und Schweigen trotz Bestehens einer Aufklärungspflicht, vorausgesetzt, dass sich der Verkäufer dabei bewusst ist, dass der Käufer bei pflichtgemäßer Offenbarung des Mangels möglicherweise von dem Vertragsabschluss Abstand nähme[91]. Bei einer Mehrzahl von Verkäufern genügt bereits die Arglist eines einzigen der Verkäufer für die Anwendung des § 444 auf das Verhältnis zu allen Verkäufern.[92] Gleich steht der Fall, dass der Verkäufer das Vorhandensein bestimmter Eigenschaften vorspiegelt (§ 242).
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Die entscheidende Frage bei der Anwendung des § 444 ist in aller Regel, ob den Verkäufer eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der nur ihm bekannten und von ihm verschwiegenen Mängel der Kaufsache bei Abschluss des Vertrages traf, so dass sein Schweigen arglistig war – mit der Folge der Anwendung des § 444. Eine Aufklärungspflicht besteht zunächst immer, wenn der Käufer ausdrücklich nach bestimmten Umständen fragt. Auf solche Fragen muss der Verkäufer wahrheitsgemäß antworten oder die Antwort verweigern; tertium non datur (kein Recht zur Lüge im Privatrechtsverkehr)[93]. Der Verkäufer handelt daher schon dann arglistig, wenn er auf Fragen des Käufers „ins Blaue hinein“ beruhigende Erklärungen abgibt, z. B. ohne Anhaltspunkte dafür harmlose Ursachen bestimmter Schäden behauptet[94] oder, wenn er beim Verkauf eines Gebrauchtwagens – ohne sichere Kenntnis – Unfallschäden verneint.[95]
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Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers bei ihm bekannten oder doch vermuteten Mängeln ist ferner anzunehmen, wenn der Käufer besonders schutzbedürftig ist, wie es etwa typischerweise für Hauskäufer zutrifft. Der Verkäufer eines Hauses muss daher den Käufer grundsätzlich über den Befall des Hauses mit dem Hausbockkäfer sowie über das Vorhandensein von Hausschwamm oder Trockenfäule aufklären. Arglist des Verkäufers ist in derartigen Fällen bereits anzunehmen, wenn er ohne sichere Anhaltspunkte behauptet, die genannten Mängel seien endgültig beseitigt.[96] Eine Aufklärungspflicht des Verkäufers besteht weiter bei sonstigen schwerwiegenden verborgenen Mängeln wie etwa der Verwendung gesundheitsgefährdender Baustoffe[97], bei Fehlen der Bauerlaubnis für das Haus oder für einzelne Räume[98], allgemein bei baurechtlichen Hindernissen, die der geplanten Nutzung entgegenstehen,[99] sowie schließlich etwa bei der die Belastung des Grundstücks mit Altlasten.[100]
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Für die Annahme von Arglist des Verkäufers genügt bedingter Vorsatz[101], so dass der Verkäufer bereits arglistig handelt, wenn er einen bestimmten Mangel lediglich für möglich hält und er für diesen Fall eine Täuschung des anderen Teils bewusst in Kauf nimmt[102]. Arglist des Verkäufers ist dagegen zu verneinen, wenn er die Ware, wenn auch irrtümlich,