Granate oder Granatapfel, was hat der Schwarze in der Hand. Dany Laferriere. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dany Laferriere
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783884236604
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Typ ein, mit ihm ein Glas zu trinken.

      „Soeben habe ich meinen Roman beendet. Der Verleger meint, der wird einschlagen, nur gefällt ihm der Titel noch nicht.“

      „Das ist immer das Problem mit den Verlegern.“

      „Nun, es ist wohl das erste Mal“, sagt er mit einem leisen Lächeln, „dass ein Weißer darüber schreibt, wie sehr er sich zu schwarzen Männern hingezogen fühlt.“

      „Ach ja …“

      „Der Verleger sagt, das gibt einen Skandal … Ich möchte Sie etwas fragen (plötzlich in verändertem Ton). Es ist sehr persönlich … Natürlich können Sie ablehnen. (Herrgott!, denke ich. Ich soll ihm einen blasen, hier, in diesem Pub. Die Engländer sind wirklich schräg.)

      „Leihen Sie mir Ihren Titel?“

      „Was?“

      Ein sehr breites Lächeln.

      „Nicht wahr, das gab es noch nie! Jedenfalls noch nie mit der Zustimmung des Autors. Der Verleger sagt, wenn Sie es erlauben, ist das juristisch abgesichert. Zu meinem Thema passt nur Ihr Titel. Solange ich darüber nachdenke, es kommt nur Ihr Titel in Frage.“

      „Wenn nur er in Frage kommt, wie Sie sagen, nehmen Sie ihn, aber ich warne Sie, er bringt kein Glück! Man wird ihn nicht so einfach los …“

      „Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben ohne zu ermüden, von John Ferguson. Wissen Sie, mein Verleger ist ein enger Freund des Verlegers von Salman Rushdie.“

      6.In Paris (Frankreich) gesteht mir eine junge, etwas flippige Frau bei einem Glas Wein im Café Flore: „Weißt du, ich habe dein Buch nicht zum Lesen gekauft. Es liegt auf meinem Nachttisch, das hält mir die Aufschneider vom Leib.“

      7.Ein junger Weißer aus Chicago fand den Titel beleidigend. Ein junger Schwarzer aus Los Angeles fand den Titel rassistisch. Eine junge Frau aus Montréal fand ihn sexistisch. BANCO! Ich nehme es mit allen auf!

      8.In Toronto (Kanada) las ein junges Mädchen den Roman im Bus, bis sie merkte, wie alle sie neugierig anschauten.

      „Ich hatte nicht daran gedacht, dass sie den Titel auf dem Buch lesen konnten.“

      „Und weiter?“

      „Noch nie im Leben war mir etwas so peinlich.“

      9.In Tokio (Japan) wurde der Titel komplett ausgetauscht. Der Mann vom Vertrieb sagte zur Begründung: „Im Japanischen haben wir diese Wörter nicht.“

      10.In Pretoria (Südafrika) lädt mich eine etwa fünfzigjährige Weiße zu einem Glas ein, in einer Bar in der Nähe der Alliance Française, wo ich gerade einen Vortrag gehalten habe.

      „Sie können sich nicht vorstellen, welchen Effekt Ihr Titel auf mich hat.“

      Schweigen.

      „Mein ganzes Leben hatte ich an diese Möglichkeit gar nicht gedacht. Und plötzlich lese ich im Schaufenster einer Buchhandlung diese schrecklichen Worte.“

      „Welche Worte?“

      „Ihr Titel, Monsieur … Eine Woche lang bin ich jeden Tag zu dem Buchladen gegangen, nur um diesen Titel zu sehen. Und jedes Mal hatte er die gleiche Wirkung auf mich. Es gibt keine Worte, um auszudrücken, was ich dabei empfinde. Wie wenn heißes Blei in meinen Adern fließt. Ich ging nach Hause und musste mich sofort ins Bett legen, so erschöpft war ich. Als hätte ein Güterzug mich überrollt. Worte können schlimmer sein als Taten, wissen Sie.“

      11.In Rom (Italien) flüsterte eine kleine, magere Frau (wirklich nur Haut und Knochen) eines gewissen Alters von der Sorte Baronin Soundso mir direkt ins Ohr:

      „Sie werden nie erraten, wo ich mir Ihren Titel habe hin tätowieren lassen.“

      „Nein.“

      „Das habe ich mir schon gedacht“, ließ sie geheimnisvoll fallen, während sie in der Menge des mondänen Empfangs bei Gräfin Soundso entschwand.

      Wohin hatte sie sich auf diesen spargeldünnen Leib nur diesen langen Titel tätowieren lassen?

      12.In Port-au-Prince (Haiti) raunte mir ein blasierter Freund zu: „An deinem Buch ist nur der Titel interessant.“

      13.In Brüssel (Belgien) brüllte mich ein afrikanischer Schriftsteller an:

      „Merk dir gut, was ich dir jetzt sage, Bruder, in drei Wochen redet keiner mehr von deinem Buch.“

      14.In Antwerpen (Belgien) hat die Übersetzerin den Titel noch verbessert, auf Flämisch heißt er: „Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben ohne schwarz zu werden.“

      15.In den USA haben alle großen Zeitungen den Titel zensiert: die New York Times, die Washington Post, der Miami Herald, die Los Angeles Times, die Chicago Tribune, die Daily News, der Boston Globe, die New York Post, alle.

      Ich wurde gebeten, den Titel zu ändern. Darauf erwiderte ich, Amerika müsse sich ändern.

      16.In San Francisco (Kalifornien) fanden sie den Titel gut, aber San Francisco zählt nicht.

      17.In Sydney (Australien) hat mich eine Frau ziemlich frech aufgefordert, den Beweis meines Titels anzutreten.

      Es gibt auch solche Tage.

      18. In Stockholm (Schweden) hat mir eine blonde junge Frau (was für ein Zufall, Alter!) lachend ihren Schwarzen Freund vorgestellt.

      „Frag mal Seko, wer als erster müde wird.“

      „Bestimmt Seko“, antwortete ich.

      Seko brach in ein schallendes guineisches Lachen aus.

      „Die Kunst, zwei Schwarze zu lieben ohne zu ermüden“, murmelte sie mit Schlafzimmerblick.

      Seko lachte nicht mehr.

      19.In Amsterdam (Niederlande) verlangte eine junge Sekretärin Antwort auf die schwerwiegende Frage:

      „Was ist die Kunst, einen Schwarzen zu lieben ohne zu ermüden?“

      „Man muss es IHM überlassen.“

      20.Überall auf der Welt hat man mir die gleiche Frage gestellt: Warum dieser Titel? Warum nicht! Eines ist sicher: Ich will nichts mehr davon hören! Ich hatte eine Überdosis. Jetzt löst er bei mir Brechreiz aus. Ich verrate Ihnen mal, wie er zustande kam. Bouba hat ihn gefunden. Ich erinnere mich, wir gingen in Montréal die Rue Saint-Denis hinunter. Es regnete. Ein Sommerregen. Da sagte Bouba (wie in einer Traumszene) sehr langsam: „Die Kunst, einen Schwarzen zu lieben, wenn es regnet und man nichts anderes zu tun hat.“ Sein Titel war länger, aber noch witziger.

      Mein erster Roman. Die Götter hätten wenigstens den dritten abwarten können, bevor sie mich straften. Beim ersten Schuss ins Schwarze. Nicht einmal mit dem ersten Roman. Nur mit dem Titel.

      I. TEIL

      WO?

      ICH BIN EIN SCHWARZER SCHRIFTSTELLER

      Eine junge Frau sprach mich mitten im Verkehr auf der Straße an.

      „Sind Sie der Schriftsteller?“

      „Manchmal.“

      „Kann ich Ihnen eine Frage stellen?“

      „Nur zu.“

      „Ist das Ihre Geschichte?“

      „Was meinen Sie?“

      „Ich habe Sie neulich im Fernsehen gesehen und frage mich, ob Sie das wirklich alles erlebt haben.“

      „Teils, teils.“

      Sie schien weder überrascht noch verblüfft zu sein. Sie wollte einfach eine Erklärung.

      „Ist das alles?“

      „Ich weiß nicht, was ich