„Bei dir“, sagte er lachend, „ist das eher der Zusammenprall der Weißen Frau mit dem Schwarzen Mann.“
„Auch eine Art, sich dem Problem zu nähern …“
„Möglich, aber das gehört in die Freizeit. Wenn nicht von Geld die Rede ist, fühlt sich der Weiße nicht angesprochen.“
„Du meinst, der Reiche.“
„Kein linkes Gewäsch, Alter, hier ist der Reiche weiß.“
„Ich hasse Auftragsarbeit.“
„Du entscheidest … Passt ‚das Parfüm des Monats‘ nicht zu dir? Du fährst auf ihre Kosten ein wenig herum und schreibst deine Eindrücke auf, und die zahlen verdammt gut, Alter … das ist Amerika!“, schloss er mit einem lauten, bitteren Lachen.
„Ach! Haben sie denn vor den Schriftstellern so viel Respekt?“
„Willst du mich auf den Arm nehmen?“
„Nein nein …“
„Ganz einfach“, behauptete er, „sie wollen ihre Sondernummer (die eigentlich vollständig von Ford, Getty, Mallon, Morgan, Rockefeller et cetera gesponsert wird, Alter, lediglich eine Methode, um Steuern zu sparen, aber das nur unter uns). Sie wollen was Großes hinterlassen und sind offenbar bereit, auch den Preis dafür zu zahlen.“
„Was soll ich also machen?“
„Du rufst einfach an und sagst, du bist einverstanden.“
„Klingt nach Callgirl.“
„Es ist das gleiche Prinzip.“
„Hey! Du hast mir noch gar nicht deinen Namen genannt!“
„Kunta!“, sagte er, dann legte er mit einem trockenen und bitteren Lachen auf. Es ist das Lachen eines jungen Schwarzen, der sich am starken Licht Amerikas bereits verbrannt hat.
III
Es passiert nicht alle Tage, dass ein schwarzer Schriftsteller einem anderen schwarzen Schriftsteller einen interessanten Tipp gibt, damit meine ich, der ein bisschen Geld einbringt. Ich rief an. Sie wollten tatsächlich jemanden, mit dem sie einen guten Deal abschließen konnten. Das ist ihre Philosophie auf allen Stufen der Karriereleiter: Der beste Deal heißt, es soll sie möglichst wenig kosten. Es gibt dafür nichts Besseres als einen jungen Schriftsteller, der soeben einen netten kleinen Erfolg geerntet hat. Das Parfüm des Monats. Bist du zu naiv, hast du schon verloren. Betont durchblicken! Betont zynisch sein! Alles diskutieren! Schon gab ich der Redaktionsleitung am Telefon bekannt, dass die Rassenfrage mir nach wie vor viel bedeutet.
„Inwiefern?“, fragte mich der Typ am anderen Ende der Leitung.
„In sexueller Hinsicht!“
Ich kenne keinen Weißen, dem schwarz-weißes Vögeln nicht den Mund wässrig macht, um die Sache höflich auszudrücken. Solange auch nur ein Abnehmer dafür bleibt, habe ich in Amerika zu tun.
„Warum dieses Thema?“
Der Heuchler!
„Erstens, weil mich an Nordamerika nur das interessiert …“
Der Spruch wurde schon zum Mantra.
„Wir arbeiten in ganz Amerika … Mittelamerika, Nord- und Südamerika, auch in der Karibik“, fügte er in diesem honigsüßen Ton hinzu.
„Hören Sie (unterbrach ich ihn scharf), wer Sie auch sein mögen … Wenn ich in Nordamerika leben will, dann weil mir die Mayas und Azteken egal sind. Für mich sind die toten Zivilisationen zu Recht ausgestorben.“
„Da Sie aus der Karibik kommen, dachten wir …“
Immer dieses „Wir“, sobald sie sich ein bisschen bedrängt fühlen!
„Die Karibik! Immer der gleiche Blödsinn! Die Leute sollen über die Ecke schreiben, aus der sie kommen! (Alle herhören: Da bin ich empfindlich.) Ich schreibe über Dinge, die passieren, wo ich lebe … Außerdem ist die Karibik heute in New York und Lateinamerika in Miami.“
„So habe ich das nicht gemeint …“
„Dann sagen Sie mir doch gleich, was ich schreiben soll!“, jetzt kläffte ich richtig.
Ich spürte, wie er am anderen Ende einen Satz zurück machte.
„Das war nur ein Vorschlag.“
„Ich habe mir die Unabhängigkeit in Amerika erkämpft, indem ich acht Stunden am Tag auf einer alten klapprigen Schreibmaschine getippt habe. Die Fabrik war die Alternative. Zuerst war es noch beides. Und ganz allmählich war es nur noch das. Wenn jetzt einer kommt und mir meine Remington 22 nehmen will, schieße ich ihm eine Kugel in den Kopf … Achtung, ich bin ein Spinner und kann zielen.“
Natürlich war das ziemlich übertrieben, aber ich hatte Spaß daran, in den etwas weichen aristokratischen Schädel dieses höflichen jungen Mannes einen Nagel reinzuhauen. Er kommt bestimmt gerade von Harvard oder einer anderen Spitzenuniversität, die junge WASPs so gut darauf vorbereiten, von der Wall Street aus die Dritte Welt verhungern zu lassen. Zum Glück beherrschten sie nicht den Kampf Mann gegen Mann, die bevorzugte Sportart der Hungerleider.
„Einverstanden“, stammelte er endlich.
Dabei hatte ich ihm meine Entscheidung noch gar nicht zu Ende erklärt.
„Was waren die Azteken eigentlich? Hä? Nichts als ein paar stinkreiche Degenerierte, dazu arrogant und pervers, die das Volk arbeiten ließen, damit sie selbst untätig bleiben konnten. Die aztekische Kunst? Geschaffen von mies bezahlten Leuten. Heute sind die Amerikaner an ihre Stelle gerückt und keinen Deut besser. Eines Tages sind die Schwarzen an der Reihe. Die Schwarzen werden die schlimmsten Imperialisten sein, denn sie haben zu viel gelitten. Man sollte das Schicksal des Planeten nicht in die Hände derer legen, die durch die Hölle gegangen sind.“
Kein Laut am anderen Ende. Ich hatte den Feind platt gemacht. Nun blieb mir nichts mehr übrig, als die Festung einzunehmen. Wirklich wahr, in der Neuen Welt herrscht Krieg.
IV
Ich bin also überall in Nordamerika hingefahren. Ich habe gesehen, wie die Schwarzen, die Weißen, die Roten und die Gelben leben. Also eigentlich alle. Und ich fand heraus, Alter, dass wahr ist, was man über Amerika sagt. Amerika schluckt alles. Es ist der weiche Bauch der Welt. Das letzte unschuldige Volk. Dagegen erscheinen die Buschleute wie listige Teufelchen. Sie werden sagen: Was? Er wiederholt das abgehalfterte Klischee des naiven Amerika, Alter, damit ist es doch längst vorbei! Im Gegenteil, Bruder! Es gilt immer noch. Die Mechanik läuft wie neu. Zweihundert Jahre sind im Vergleich zur Menschheitsgeschichte eben nicht mehr als ein Augenzwinkern, so viel wie nichts. Amerika ist wie eines der gut genährten Babys aus der Reklame. Und die Amerikaner leben miteinander, als gäbe es auf dem Kontinent niemanden sonst. Oder auf dem Planeten. An der Tankstelle, wo ich volltanke, meine ich gerade den Ansturm einer Horde eindrucksvoller Barbaren zu erleben. Studenten aus Indianapolis (jeder Staat hat ein eigenes Autokennzeichen) kicken einen Fußball zwischen den Autos und den Tanksäulen hindurch. Sie haben weite T-Shirts mit den Farben ihrer jeweiligen Unis an. Sie sind groß, blond, athletisch. (Trägst du da nicht ein bisschen dick auf? Nein, Bruder, sie sind wirklich so, wie man sie sich vorstellt.) Jede ihrer Bewegungen scheint wie neu, als hätten diese jungen Männer keine Verbindung zur übrigen Menschheit. Sie sind einzigartig. Sie verschlingen tonnenweise Hamburger, trinken Bäche von Coca Cola und verbringen die Hälfte ihres Lebens vor dem Fernseher. Sie beten alle möglichen Götter an und außerdem einen einzigen Gott. Sie töten auf alle erdenklichen Weisen. Sie kennen keine Reue. Die Welt ist ein Kinderspielzeug in ihren Händen. Sie machen es kaputt, reparieren es wieder und werfen es dann weg. Sie wissen nichts von der Vergangenheit und verachten die Zukunft. Sie kennen nur den gegenwärtigen Moment. Sie sind Götter.