Zusammengefasst in vier generellen Schritten im Förderplanungsprozess, umfasst Förderplanung, …
— wichtige Informationen über das Kind und seine Situation in der Schule und zu Hause zu sammeln (Beobachtungen, Gesprächsnotizen, Lernstandserfassungen usw.) und zu dokumentieren.
— diese Daten zu analysieren und zu verstehen, um auf der Grundlage dieser Informationen Ziele zu vereinbaren und Maßnahmen zur Förderung und Unterstützung für die Erreichung dieser Ziele zu planen.
— das Handeln und die Realisation des Geplanten zu dokumentieren: Wie werden diese Maßnahmen umgesetzt?
— zu prüfen und zu evaluieren, was die Maßnahmen bringen, und darüber zu reflektieren, ob die Ziele erreicht wurden.
ABBILDUNG 1: Kreislauf der Förderplanung – ein zielbezogener Prozess (nach Luder, 2011)
Das Verständnis von Förderplanung als zirkulärer, kontinuierlicher Prozess bildet die Grundlage für dieses Studienbuch. → Siehe Beispiel im Beitrag von Brunner. Teilweise wird auch der Begriff «Förderdiagnostik» gebraucht, und in der internationalen Terminologie ist der Begriff individual educational planning (IEP) üblich.
Der zweite Schritt, «Unterricht, Lernangebote und Fördermaßnahmen planen und anpassen», besteht aus zwei Phasen: a) analysieren und verstehen und b) planen und entscheiden (siehe Abbildung 1).
Situationen zu verstehen, ist ein zentrales Element im Förderplanungsprozess
In sogenannten Förderplanungsgesprächen, an denen alle an der Förderung eines Kindes oder Jugendlichen beteiligten Personen Entscheide über die Ziele der Förderung sowie über die dafür einzusetzenden Maßnahmen treffen, lassen sich diese beiden Phasen a) und b) finden. Im Verfahren «Schulische Standortgespräche» (Hollenweger & Lienhard, 2007) wird als zentrales Element genannt, dass ein gemeinsames Verständnis einer Situation erarbeitet wird. Diesem Prozess geht eine Analyse der vorliegenden Informationen voraus. Beide Elemente, Analysieren und Verstehen, bilden die erste Phase a). Beim Verstehen geht es vor allem auch darum, die für eine schwierige Lehr-Lern-Situation mitverantwortlichen Umweltfaktoren mit zu berücksichtigen, Barrieren abzubauen und unterstützende Faktoren für die Förderung zu nutzen. → Siehe auch Beitrag von Hollenweger. In einer zweiten Phase b), Planen und Entscheiden, stehen dann aus diesem gemeinsamen – manchmal in anspruchsvollen Diskussionen errungenen – Verständnis der Situation hergeleitete Förderziele und die wiederum daraus abgeleiteten Maßnahmen zur Umsetzung im Zentrum. Die einzelnen Elemente des Förderplanungsprozesses können so miteinander verbunden und koordiniert werden. Ein wichtiger Kern des vollständigen Förderplanungsprozesses ist eine klare und gemeinsam verantwortete Zielorientierung (siehe Abbildung 1, «gemeinsam Förderziele formulieren»). Dies meint, dass eine individuelle Förderplanung «auf die Zielsetzung der Verminderung oder Überwindung der Lernprobleme des Kindes auszurichten» ist (Luder et al., 2010, S. 203 ff.). Gute Förderziele im Rahmen einer individuellen Förderplanung (Luder et al., 2011, S. 22) …
— sind aufgrund der Situation indiziert;
— erlauben eine Beschreibung des erwünschten Resultats;
— stehen untereinander im Zusammenhang;
— werden in einer sinnvollen Abfolge angestrebt;
— sind in Teilschritte/Feinziele operationalisierbar;
— sind auf die aktuelle Lebenswelt und die Zukunft des Kindes ausgerichtet
— und sind beschränkt auf wenige Förderziele.
Forschungsergebnisse zu Zielformulierungen in Förderplanungen zeigen, dass ein großer Teil der Förderziele in den eher fachlichen Bereichen Mathematik und Sprache formuliert werden, ein kleinerer Teil wird im überfachlichen Bereich festgelegt. Dabei ist die Qualität der Zielformulierungen oft ungenügend (vgl. Luder, Kunz & Felkendorff, 2017; Luder, 2018). Insbesondere die Kriterien der Überprüfbarkeit des erwünschten Resultats sowie der zeitlichen Festlegung des Ziels fehlen häufig (Paccaud & Luder, 2017; Paccaud, 2017). Ausgebildete schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen formulierten qualitativ bessere Lernziele als Lehrpersonen in der Funktion als IF-Lehrperson ohne Ausbildung in schulischer Heilpädagogik (Luder, 2018).
Formulierung guter Förderziele
Bei der Formulierung von Förderzielen spielt der Zeithorizont eine Rolle: Grobziele sind mittelfristig angelegt (vgl. zum Beispiel die Ziele in einem schulischen Standortgespräch (SSG) im Kanton Zürich, Hollenweger & Lienhard, 2007). Feinziele sind daraus abgeleitet und werden von den Fachpersonen anschließend für die Aufgliederung der Grobziele fachspezifisch oder überfachlich formuliert für einen kurzfristigen Zeithorizont.
Für die Formulierung von Grobzielen ist es wichtig, dass mehrere an der Förderung beteiligte Personen dieses Ziel in ihrem je eigenen Zuständigkeitsbereich verfolgen können. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass auf dieses Ziel auch wirklich hingearbeitet wird. Es lässt sich in mehrere operationalisierte Feinziele und in Teilschritte unterteilen.
SMARTE Feinziele
Für die Formulierung von Feinzielen kann die SMART-Formel verwendet werden:
— SPECIFIC: Sind die Ziele auf einen klar definierten Inhalt, eine konkrete Handlung bezogen?
— MEASURABLE: Sind die Ziele messbar, gut einschätzbar?
— AMBITIOUS: Sind die Ziele anspruchsvoll, herausfordernd, und unter welchen Bedingungen gelten die Ziele?
— REALISTIC: Sind die Ziele realistisch, erreichbar?
— TIMED: Sind die Ziele auf einen Zeitraum bezogen?
ICF: Umweltfaktoren
Wichtig für die Umsetzung ist es, die für die Zielerreichung unterstützenden Bedingungen – oder Umweltfaktoren in der Terminologie der ICF – zu analysieren und zu benennen. Ein Beispiel dazu ist Ivan, ein Junge mit Schwierigkeiten, seine Aufmerksamkeit zu fokussieren, sein Handeln zu planen und komplexe Handlungsabläufe durchzuführen. Er wird darin unterstützt, sich einen Handlungsplan zurechtzulegen und die dafür notwendigen Zeiten einzuhalten. Die entsprechenden Grobziele, Feinziele und unterstützenden Bedingungen sind in Tabelle 1 aufgelistet.
Die Umsetzung dieser gemeinsam vereinbarten Grobziele in den dafür festgelegten Gefäßen (Maßnahmen wie z. B. IF oder Unterstützung bei Hausaufgaben durch den Besuch des Hausaufgabentreffs oder eine spezifische Therapie) wird dokumentiert. Dies geschieht im Idealfall zielbezogen und wird auf der Basis der ICF definierten Kategorien zugeordnet, um auf diese Weise eine gute und einheitlich strukturierte Basis für die Bewertung der Auswirkung dieser Fördermaßnahmen zu legen (Lienhard et al., 2015). Dies kann bedeuten, dass periodisch Beobachtungen situativ und phänomenologisch beschrieben (Situationen quasi wie ein Filmscript, ohne Interpretationen, beschreiben) und abgelegt werden. → Siehe auch Beitrag von Hollenweger. Systeme dazu reichen von Paper-Pencil (Lienhard-Tuggener, Joller-Graf & Mettauer Szaday, 2015) bis zu webbasierten Tools (vgl. Kunz, Gschwend & Luder, 2011).
TABELLE 1: Beispiele von gut formulierten Förderzielen (vgl. Luder, 2011)
Interdisziplinär vereinbarte «übergeordnete» Ziele (z. B. im SSG): Grobziele | «Konkret operationalisierte» Ziele aus Förderplänen: Feinziele | Die Zielerreichung unterstützende
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