Inklusive Pädagogik und Didaktik (E-Book, Neuauflage). Reto Luder. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reto Luder
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783035517071
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(nun verstanden als Lernaufgabe des Förderteams) aussehen könnte (z. B. Thomas, 1998; Sopko, 2003). Ein wichtiger Punkt dabei ist es, die vier generellen Schritte im Prozess der Förderplanung stimmig und sinnvoll miteinander zu verbinden (Suhrweier & Hetzner, 1993; Buholzer, 2006). Es lassen sich allein aus der diagnostischen Erfassung von Lernvoraussetzungen nicht einfach Förderziele oder Maßnahmen direkt ableiten. «Förderziele sind kein Ergebnis von Diagnostik, sondern Resultat einer ‹Abmachung›, in die unter anderem auch Kontextfaktoren, normative Beurteilungen und persönliche Ansichten der beteiligten Personen einfließen» (Kunz et al., 2012, S. 7). → Siehe auch Beitrag von Hollenweger. Sowohl objektive Fakten und verlässliche Informationen als auch subjektive Einschätzungen und gemeinsame «Abmachungen» sind nötig für eine Förderplanungsarbeit. Und erst in der sinnvollen Kombination von beidem entsteht eine Förderplanung, die der Situation gerecht werden kann. Dies ist eine höchst interdisziplinäre Aufgabe und bezieht auch die Eltern mit ein.

      Rollen beteiligter Personen

      Professionelle Lerngemeinschaft

      Die Umsetzung einer individuellen Förderplanung und die Reflexion der Wirkung oder die Evaluation der geplanten Maßnahmen müssen von allen Beteiligten geleistet werden. Eine solche Form der Zusammenarbeit kann als professionelle Lerngemeinschaft (PLG) bezeichnet werden (vgl. z. B. Graham, 2007). In solchen Kooperationsformen begleiten Lehrpersonen zusammen mit schulischen Heilpädagoginnen und Therapeutinnen das Lernverhalten und die Lernfortschritte, setzen die Maßnahmen um und leisten dadurch auch Beiträge zu einer Unterrichtsentwicklung, die wiederum einer ganzen Klasse oder gar der Schule zugutekommen kann. Wenn wir nun eine solch kooperativ umgesetzte interdisziplinäre Förderplanung anstreben, so wird diese unterstützt durch empirische Befunde zur Wirksamkeit von PLG (vgl. Hord, 2004; Hord, 1997, S. 29 f.):

      — durch ein Verständnis der Bedeutsamkeit der eigenen Rolle bei der Unterstützung und Förderung der Schülerinnen und Schüler;

      — durch eine signifikant höhere Kapazität, sich auf die besonderen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler einzustellen und den eigenen Unterricht entsprechend zu adaptieren;

      — durch eine höhere Motivation, um an nachhaltigen und systematischen Veränderungen mitzuwirken und diese als Lehrkraft mitzutragen.

      Für eine Klärung der Aufgaben, Kompetenzen und gegenseitigen Pflichten kann die Ausbildung dieser beiden Berufsgruppen betrachtet werden (→ siehe auch Beitrag von Luder, Kunz und Müller Bösch):

      Lehrperson

      — Die Lehrperson ist kompetent und verantwortlich für die Gestaltung eines differenzierten inklusiven Unterrichts, die curricular orientierte Planung der Lernziele und für ein positives und auf gegenseitiger Hilfe und Rücksichtnahme basierendes Klassenklima, für das Erkennen der Lernvoraussetzungen der Schülerinnen und Schüler ihrer Klasse sowie für die aktive Zusammenarbeit mit Eltern, den schulischen Heilpädagoginnen und -pädagogen sowie weiteren Fachpersonen im Bereich der Individualisierung von Unterrichtsangeboten für Kinder mit besonderen Lernvoraussetzungen.

      Pädagogischtherapeutische Fachperson

      — Die pädagogisch-therapeutische Fachperson (schulische Heilpädagogik, Therapie, …) verfügt über das fachliche sonderpädagogische Wissen in Bezug auf die diagnostische Erfassung von Lern- und Verhaltensvoraussetzungen und die Entwicklung individuell angepasster, pädagogisch-therapeutischer Förderziele und -maßnahmen und Unterrichtsmaterialien. Sie arbeitet aktiv mit den Regelschullehrpersonen zusammen (Kunz et al., 2012).

      Kooperationsplaner – ein Instrument zur Zusammenarbeit zwischen Lehrperson und pädagogisch-therapeutischen Fachpersonen

      Damit stellt sich die Frage nach den Aktivitäten, die relevant sind für die Arbeit in inklusiv ausgerichteten Schulen. Kreis, Kosorok Labhart und Wick (2014) haben als Ergebnis der Studie «KosH – Kooperation im Kontext schulischer Heterogenität» ein Inventar diesbezüglich spezifischer Arbeitsfelder und Aktivitäten erstellt. Dieses Inventar wurde von ihnen anschließend als Werkzeug «Kooperationsplaner» (siehe Tabelle 3) weiterentwickelt. Darin unterscheiden sie drei grundlegende Arbeitsfelder:

      1. Diagnostik und Abklärung: Liegt spezieller Förderbedarf vor? Welcher? Welche diagnostischen Instrumente werden genutzt (standardisiert oder nicht standardisiert)? Wie wird eine passende Förderplanung erstellt, umgesetzt und deren Wirksamkeit überprüft? Wie werden entsprechende Veränderungen überprüft? Wie wird die Förderung dokumentiert?

      2. Gestaltung von Lerngelegenheiten: Festlegung und Umsetzung von Unterrichtsinhalten und -methoden? Auswahl und Beschaffung geeigneter Unterrichts- und Fördermaterialien? Begründung des sozialen Settings: Erfolgt die Fördersequenz innerhalb oder außerhalb des Klassenverbandes?

      3. Kooperation und Beratung (verstanden als Querschnittsfunktion): Kooperationsprozesse mit schulinternen und -externen Akteuren sowie Eltern «hinsichtlich Diagnostik und der daraus gezogenen Konsequenzen für die Gestaltung von Lernumgebungen» (ebd.).

      Der Kooperationsplaner erlaubt einen Einsatz vor und während der gemeinsamen Arbeit im Förderteam, indem auf einfache Weise ein Ist-Soll-Vergleich zwischen den Perspektiven der beteiligten Personen auf die drei Arbeitsfelder und Aktivitäten erstellt und gemeinsam diskutiert werden kann. «Eine Voraussetzung für zielorientiertes und funktionales Handeln ist dabei koordiniertes Handeln. Der Kooperationsplaner unterstützt Teams beim Aushandeln der Zuständigkeiten hinsichtlich verschiedener Felder» (ebd.).

      Aufgabenklärung für interdisziplinäre Förderplanung

      Verteilt man die Aktivitäten und Aufgaben der verschiedenen Berufsgruppen, so ergibt sich entlang des Prozessablaufs einer individuellen Förderplanung (siehe Abbildung 1) folgende nicht immer trennscharfe Aufstellung und Zuordnung zur Orientierung (siehe Tabelle 2).

Relevante Phasen im Prozesskreislauf der FörderplanungSHP/THPKLP und SHP/THPKLP
Prozessschritte: Erfassen, Planen, Umsetzen, ReflektierenAktive Zusammenarbeit mit der KLP und im gesamten SchulteamKooperation mit der SHP/THP und im gesamten Schulteam
Prozessschritte: Erfassen, Planen, Umsetzen, ReflektierenEinbringen von fachlich-sonderpädagogischem Wissen, Beratungsangebote (zu diesem Wissen) für Schulleitung, Lehrpersonen und ElternGemeinsame Unterrichtsreflexion (z. B. Intervision) und Unterrichtsentwicklung (z. B. Beurteilungsformen bei Lernprozessen, inklusive Didaktik)Didaktisch-methodische Berücksichtigung von besonderen pädagogischen Bedürfnissen bei der Unterrichtsgestaltung (Lehr- und Lernformen, Medien und Materialien)
Prozessschritte: Erfassen, Planen, ReflektierenKontakt zu Stellen und Diensten und den Eltern«Case-Management» für Schülerinnen und Schüler mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen (nur SHP)Interdisziplinäre Standortgespräche (z. B. SSG – schulische Standortgespräche)Koordination der Zusammenarbeit mit Eltern, Behörden und weiteren am Erziehungsprozess Beteiligten
Prozessschritte: ErfassenDiagnostische Erfassung von Lern- und Entwicklungs-voraussetzungenDokumentation und Austausch der Informationen, Bestimmung der ZNEErkennen von Lernschwierigkeiten und Entwicklungs-auffälligkeiten
Prozessschritte: Planen, UmsetzenUnterstützung und Förderung insbesondere von Schülerinnen und Schülern mit besonderen pädagogischen BedürfnissenUnterstützung und Förderung aller Schülerinnen und Schüler an der Klasse
Prozessschritte: Planen, UmsetzenFeinzielformulierungen, Entwicklung zielbezogener, angepasster Fördermaßnahmen und UnterrichtsmaterialienGrobzielformulierung für FörderplanungPlanung und Umsetzung adaptiver UnterrichtsangeboteFeinzielformulierungen,

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