Renko. Jorin Söker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jorin Söker
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783960894674
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Zug und wartete ab, ob ich mich muckste. Ich biss mir stattdessen hart auf die Lippe, um keinen Laut von mir zu geben. »Geht doch.«

      Er ließ zum Glück von mir ab. »Du gehst jetzt zurück. Wenn ich wieder da bin, sind die neu angelegten Akten fertig auf meinem Tisch.«

      Mit den Worten verließ er die Kabine, damit ich sie verlassen konnte, und ging in die angrenzende. Wahrscheinlich musste er sich da einen runterholen, in der Hoffnung, dass ihn keiner unterbrach, da ich die Tür zum Flur aufsperrte.

      Ich dachte nicht mehr an ihn, sondern ging zielstrebig ins Büro und setzte mich an die Akten. Herr Remanns Bitte um ein Gespräch ploppte wieder in meinem Gedächtnis auf, aber ich beschloss, lieber erst die Akten zu erstellen, bevor Olaf einen Grund hatte, mich weiter zu bestrafen.

      Steffen

      »So lange kann er doch nicht auf Toilette sein«, sprach Kai und sah mich über unsere Schreibtische hinweg an.

      »Nein, das stimmt. Vielleicht muss er noch dringend irgendwas fristgemäß fertigstellen, wer weiß«, antwortete ich und zuckte mit den Schultern. Dann warf ich einen Blick rüber zum anderen Büro, in dem Herr Pollack sitzen musste.

      Und tatsächlich. Er saß dort, mit Blickrichtung zu mir und arbeitete scheinbar hochkonzentriert an irgendwelchen Akten. »Sieht wichtig aus, was er macht«, kommentierte ich.

      »Hm?« Kai drehte sich irritiert in seinem Stuhl, um das zu sehen, was ich sah. »Ach so, ja, scheint, als wäre er an Akten dran. Bestimmt der nächste heikle Fall.«

      »Warten wir ab. Ich denke, er wird sich in der Mittagspause blicken lassen.«

      »Also gehen wir nicht drüben beim Italiener essen? Heute ist Dienstag, schon vergessen?«, erinnerte Kai mich an unseren Deal, jeden Dienstag auswärts und nicht in der Kantine essen zu gehen.

      »Nein, wir können trotzdem da essen. Vielleicht kommt er ja mit?«

      »Meinst du wirklich? Ich meine, klar, können wir ihm anbieten, aber was man so von den Kollegen hört, isst er immer für sich allein an seinem Computer.«

      Ich zuckte mit den Schultern. »Warten wir’s ab. Vielleicht mag er das Kantinenessen nicht.«

      Damit wandte ich mich ebenfalls wieder meiner Arbeit zu. Bis zum Mittag dauerte es noch ein paar Stunden.

      Als die Mittagszeit gekommen war und immer mehr Kollegen aus unserem und den benachbarten Büros zur Kantine aufbrachen, warf ich nochmal einen Blick zu Herrn Pollack. Da sein Kollege, Herr Häuser, jetzt auch an seinem Tisch saß, konnte ich ihn nicht komplett sehen. Aber er schien nach wie vor in Arbeit vertieft zu sein.

      Ich wägte ab, ob ich trotzdem zu ihm rübergehen sollte oder ob es schlauer war, zu warten, da er meine Bitte um ein Gespräch bestimmt nicht vergessen hatte.

      Plötzlich stand sein Kollege auf und verließ ebenfalls das Büro. Wahrscheinlich machte der auch Mittagspause.

      Demnach beschloss ich, Herrn Pollack zu stören, da sich sein Teamkollege auch eine Pause gönnte.

      »Ich geh mal rüber und frag ihn, ob er mitkommt«, informierte ich Kai, der kurz seinen Blick vom Bildschirm losriss.

      »Mach das, ich bin in zwei Minuten so weit.«

      Da wir in Großraumbüros arbeiteten, brauchte ich nicht anklopfen. Ich betrat das Büro der Kollegen und Herr Pollack zuckte zusammen, als ich ihn ansprach.

      »Wie wäre es jetzt mit einem kleinen Gespräch? Oder haben Sie noch etwas Wichtiges zu erledigen? Es ist Mittag.«

      Im Gegensatz zu unserer Begegnung am Morgen bei den Toiletten, wirkte er unruhiger. Irgendwie gehetzt. Scheinbar hatte er sehr viel zu tun.

      »Ich … Klar … Ich … Ich habe nicht vergessen, dass Sie mich sprechen wollten. Es gab nur … Also, es gab viel zu tun. Deswegen …«, stotterte er und sah unsicher von seinem Stuhl zu mir auf.

      »Alles gut, kein Drama«, versuchte ich ihn mit einem Lächeln zu beruhigen. »Es ist auch nichts Berufliches, was mein Kollege und ich von Ihnen wollen. Aber vielleicht haben Sie ja Lust, uns zum Mittag zum Italiener gegenüber zu begleiten? Dann würden wir Ihnen sagen, worum es geht.«

      Überrascht sah er mich an. »Italiener?«

      »Ja, mein Teampartner Kai und ich gehen dienstags immer außerhalb essen, nicht in der Kantine. Heute ist der Italiener dran.«

      »Hm. Ich weiß nicht, ich ...«, fing Herr Pollack an. Mit einem erschreckten Gesichtsausdruck sah er an mir vorbei.

      Ein unschönes Kribbeln breitete sich in meinem Nacken aus und kroch über meinen Rücken. Ich drehte mich etwas, um zu sehen, was diese Reaktion bei mir auslöste. Herr Häuser. Wer auch sonst. Scheinbar war er doch nicht in die Kantine gegangen. Ich wandte den Blick wieder zu Herrn Pollack, da er mir noch eine Antwort schuldig war.

      »Nun? Möchten Sie mit? Wenn Ihnen Italienisch nicht passt, gibt es auch einen leckeren Chinesen, nur ein Stück weiter.«

      Seine Augen wanderten von seinem Kollegen wieder zu mir. Irrte ich mich oder war er noch gestresster? Irgendwie tat er mir leid, aber auf der anderen Seite wunderte ich mich auch, wie er es mit dem Verhalten geschafft hatte, Polizist zu werden, da Selbstbewusstsein eine wichtige Voraussetzung für diesen Job war.

      »Ich, ja, ich kann Sie gerne begleiten. Allerdings werde ich nichts essen, wenn es Ihnen nichts ausmacht.«

      »Ach, haben Sie schon gegessen?«, fragte ich deswegen.

      »Ähm … Nein … Ähm … Ich mache eine spezielle Diät. Da darf ich jetzt nicht essen. Ist die falsche Uhrzeit«, stammelte er sich eine Erklärung zurecht, die ich ihm nicht abkaufte.

      Da er dabei immer wieder zu seinem Kollegen schielte, beschloss ich, nicht weiter in dem Thema zu rühren. Ich zuckte mit den Schultern und lächelte ihn an.

      »Das macht nichts, Sie können sich auch nur ein Getränk bestellen, wenn Ihnen das lieber ist. Schnappen Sie sich Ihre Jacke, mein Kollege dürfte jetzt auch soweit sein.« Ich nahm seine Worte als Zustimmung und überrumpelte ihn damit.

      Er stand hektisch auf, hielt ein paar Sekunden inne, als hätte er Schmerzen. Dann besann er sich wohl aber, nahm seine Jacke und trat zu mir. Schließlich drehte er sich nochmal zu seinem Kollegen um. »Ich bin kurz mit den Kollegen was trinken«, informierte er ihn.

      »Mach das. Sei pünktlich wieder hier. Wir haben viel zu tun.«

      Noch bevor Herr Pollack darauf reagierte, sprang ich ein. »Wir beginnen unsere Mittagspause zehn Minuten später, also haben wir auch zehn Minuten länger Zeit, werter Kollege.«

      Mit aufgerissenen Augen sah Herr Pollack mich an, sagte aber keinen Ton. Hatte ich etwas falsch gemacht? Es war doch normal, dass wir die Zeit, die wir später in die Pause gingen, hinten dranhängten.

      »Wenn Sie meinen«, brummelte Häuser und beachtete uns nicht mehr.

      Ich zuckte mit den Schultern und deutete Herrn Pollack, mir zu folgen. Nebenan gabelten wir Kai auf, der fertig war mit seinem Bericht.

      »Hallo Herr Pollack, schön, dass Sie uns begleiten«, begrüßte er ihn und klopfte ihm leicht auf die Schulter. Ich meinte, ein leises Zischen zu hören, aber als ich mich besorgt zu Herrn Pollack umdrehte, zeigte seine Miene keine Regung. Nun, vielleicht hatte ich mich verhört.

      Renko

      Der Italiener war nett und ich war überrascht, wie viele Kollegen hier mittags zum Essen einkehrten. Aber woher hätte ich das auch wissen sollen? Immerhin hielt Olaf mich seit fast einem Jahr dazu an, während der Mittagszeit im Büro zu bleiben. Viel länger war ich auch noch gar nicht in dieser Dienststelle beschäftigt. Daher kannte ich die meisten Kollegen und ihre Angewohnheiten nicht.

      Herr Remanns und sein Kollege hingegen schienen bekannt wie bunte Hunde zu sein. Von vielen Tischen wurde ein Gruß herübergerufen, begleitet von einer winkenden Hand. Sie erwiderten die