"Hör zu, Sid und Brett waren unsere Freunde!"
"Und jetzt sind sie tot. Wie Crazy Joe..."
"Was?"
"Ist auch nur so ein Gerücht... Aber es würde ins Bild passen."
Ich machte eine etwas zu heftige Bewegung.
Der Professor zog etwas Metallisches aus dem Mantel heraus. Eine einschüssige, selbst zusammengelötete Waffe. Lebensgefährlich auch für den Schützen. "Seid schön vorsichtig", zischte er. "Ich weiß nicht, wer ihr seid, aber das ist mir auch ziemlich gleichgültig. Ich schlage vor, ihr verschwindet jetzt und lasst euch nicht mehr blicken..."
"Professor, wir suchen die Kerle, die Sid und Brett auf dem Gewissen haben", versuchte ich ihn zu überzeugen. "Die hätten uns beinahe auch umgebracht..."
"Geht jetzt!"
"Es waren diese maskierten Killer, die hier unten ihr Unwesen treiben... Ist es dir gleichgültig, wie viele Opfer sie noch fordern?"
"Das Leben hier unten fordert jeden Tag Opfer. Was soll dein Gerede also? Solange ich am Leben bleibe, ist mir alles andere egal..."
Ich deutete auf Milo.
"Crazy Joe wollte meinen Freund hier mit dem Tunnel King zusammenbringen."
"Ach, wirklich?"
Er senkte seine Waffe. Ich nahm das mit Erleichterung zur Kenntnis. Diese selbstgebastelten Dinger konnten sehr leicht von allein losgehen. Und selbst, wenn sich kein Schuss löste, sondern die Waffe explodierte, hätten Milo und ich auf die Distanz noch etwas abbekommen.
"Der Tunnel King weiß, wer hinter diesen Killern steckt", behauptete ich.
"Der Tunnel King weiß alles, was hier unten vor sich geht", erwiderte McDonald. "Und ihr werdet ihn kaum finden." McDonald lachte und setzte dann hinzu: "Er wird euch finden!"
10
In der Ferne tauchten Lichter auf, die immer greller wurden. Ein Zug kam heran. Das Geräusch wurde geradezu ohrenbetäubend. Die Subway raste an uns vorbei.
Dann quietschte es so schrill, dass es einem fast das Trommelfell zerriss.
Einer der Fahrgäste hatte offenbar die Notbremse betätigt.
Die hell erleuchteten Triebwagen kamen endlich zum Stehen.
Eine der Türen ging auf.
Nacheinander stiegen fast ein Dutzend Männer um die zwanzig aus. Sie trugen schwarze Ledermonturen mit der Aufschrift SILVER DRAGONS.
Eine Gang.
In den Gesichtern stand ein gemeines Grinsen. Mir war sofort klar, was sich hier anbahnte. Diese Typen wollten ihren Spaß - und dazu brauchten sie Opfer. Mole People waren ihnen gerade recht. Der Fahrer des Zuges schaute kurz aus dem Fenster, ließ sein Gefährt dann sofort wieder anfahren. Er dachte gar nicht daran, die Gang dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass die STAR DRAGONS für diesen kleinen Zwischenhalt gesorgt hatten. Wenn wir Glück hatten, meldete er den Vorfall an die Polizei. Der Zug verschwand im Tunnel.
Die Ledergekleideten schwangen die Butterfly-Messer und Schlagstöcke in den Händen.
"Hey, wer sagt's denn! Gleich drei! Ich dachte, hier gibt's nur den alten Mann!", greinte einer. Er griff in die Jackentasche und nahm einen Schluck aus dem Flachmann, den er dort verstaut hatte.
Die Kerle näherten sich.
"Hört mal, wir geben euch Drecksäcke eine faire Chance!", rief einer der Männer. "Ihr kriegt fünf Minuten Vorsprung. Schließlich wollen wir auch unsern Spaß haben..."
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo.
Dann raunte ich dem Professor zu: "Benutzen Sie auf keinen Fall ihr selbstgebautes Eisen..."
"Es ist ungeladen", erwiderte er.
"Weshalb?"
"Weil mir mein Pulver nass geworden ist..."
Die STAR DRAGONS bildeten einen Halbkreis. Einige von ihnen ließen die Butterfly-Messer herumwirbeln. Sie kicherten.
Ein großer, leicht übergewichtiger STAR DRAGON hantierte mit einer Stahlschleuder herum. Hier und da blitzten Morgensterne, Schlagringe und Kleinkaliberwaffen auf.
"Hey, wollt ihr euch gar nicht auf die Socken machen?", rief einer und seine Gang-Brüder brüllten vor Lachen.
"Laufen wir um unser Leben", raunte der Professor.
"Kommt nicht in Frage", erwiderte ich. "Dann wären wir geliefert."
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo.
Die Kerle kreisten uns weiter ein.
Die Gangs waren ein großes Problem für die Tunnelmenschen.
Oft genug machten sie sich einfach einen Spaß daraus, die Tunnelmenschen zu jagen oder zu schikanieren. Sie rechneten einfach damit, dass keines der Opfer sich an die Behörden wenden würde. Und leider hatten sie oft genug recht damit.
Gleichzeitig rissen Milo und ich unsere SIGs aus den Taschen. Ein Ruck ging durch die STAR DRAGONS.
"Keine Bewegung!", rief ich. "Wir sind Special Agents des FBI. Lasst eure Waffen fallen und nehmt die Hände hoch. Diesmal seit ihr an die Falschen geraten..."
Sie waren unschlüssig darüber, was sie tun sollten.
Wenn sie alle im selben Moment angriffen, hatten wir keine Chance gegen sie. Ich hoffte, dass die STAR DRAGONS nicht zu der Sorte Gang gehörten, bei denen so etwas als Mutprobe galt.
Ich wirbelte ein Stück herum, feuerte die P226 zweimal ab.
Die Kugeln brannten sich vor die Füße eines der Gang-Mitglieder. Der Mann hatte versucht, seine 22er aus dem breiten Gürtel herauszureißen, den er unter seiner Lederjacke trug. Er stand wie erstarrt da, hob dann langsam die Hand.
Die Waffe blieb stecken.
"Sie haben das Recht zu schweigen", zitierte ich den Spruch, den wir bei Verhaftungen immer aufsagen müssen. "Wenn Sie auf dieses Recht verzichten kann alles, was Sie von nun an sagen, vor Gericht gegen Sie verwendet werden..."
Der Kerl mit der Schleuder trat einen Schritt vor.
Er starrte mich ungläubig an.
"Hey, Bruder, was haben wir denn gemacht? Gibt's 'nen Paragraphen dagegen, sich hier unten aufzuhalten? Dann müsstet ihr den alten Sack da vorne auch festnehmen!"
"Ihr wolltet hier eine Jagd veranstalten..."
"Hey, Mann, das hast du missverstanden!"
"Und dann wäre da noch Gefährdung des Schienenverkehrs. Schließlich habt ihr den Zug ohne Grund gestoppt..."
Langsam wurde den STAR DRAGONS klar, dass sie sich diesmal wirklich verrechnet hatten. Panik zeichnete ihre Gesichter.
Und dann warf einer plötzlich einen eiförmigen Gegenstand in unsere Richtung.
Eine Gasgranate.
Milo warf sich nach links, ich packte den Professor