Die Blutfinca. Jorge de la Piscina. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Jorge de la Piscina
Издательство: Bookwire
Серия: Marc-Renner-Thriller
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783947805013
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Hand und sagte: „Ich bin Maria.“ Ihre Hand war trocken und warm und während sie mit dem Finger auf seiner Handfläche entlangfuhr, strengte Renner sich an, den Blick auf ihren Finger zu richten. Die Berührung war seltsam intim, irgendetwas zog ihn an dieser Frau an, während sie ihn gleichzeitig massiv irritierte.

      „Normalerweise bezahlen die Besucher hier entweder den Eintritt oder dafür, dass ich ihnen aus der Hand lese.“

      Renner wollte nicht unhöflich sein, aber ein skeptisches Schnauben konnte er sich dann doch nicht verkneifen. Der pensionierte Kriminalbeamte wurde in ihm wach und witterte Humbug. Maria lächelte und Renner ließ sich unfreiwillig von ihrem Lachen gefangen nehmen. So kitschig das auch klingen mochte, aber wenn diese Frau lächelte, wurde ihm warm ums Herz.

      „Sie müssen nicht an das Schicksal glauben, das Schicksal kommt auch ohne Sie zurecht. Und für Sie mache ich heute eine Ausnahme, Sie bekommen mich gratis.“

      Langsam geriet Renner etwas aus der Fassung. Er wusste nicht recht, ob das jetzt eine Anspielung sein sollte. Seine Flirtkünste waren ziemlich eingerostet. Bevor er sich eine witzige Antwort darauf einfallen lassen konnte, stieß Maria einen spitzen Schrei aus. Sie ließ seine Hand blitzartig los und wich zurück.

      „Raus. Weg. Bitte gehen Sie! Sofort!“

      Renner wusste nicht recht, wie er sich verhalten sollte. Die Stimmung war blitzartig umgeschlagen. Er wollte noch etwas sagen, aber Maria kreischte hysterisch: „Hinaus!“, und schlug mehrfach ein Kreuz in der Luft. Verwirrt stolperte er hinaus. Draußen schüttelte er sich kurz und versuchte den Oleanderduft zu vergessen, der noch hartnäckig in seiner Nase feststeckte. Dann zuckte er mit den Achseln. Das Museum würde er wohl besser nur als Kuriosum erwähnen und vor der seltsamen, wenn auch schönen Frau im Inneren höflich warnen.

      Am Strand von Cala Pi

      30. April 2017, vormittags

      Am nächsten Morgen fuhr Renner entgegen seiner Gewohnheiten nicht mit dem Rad, sondern mit dem Auto zur Bucht und parkte den Wagen oberhalb des Strandes. Dann nahm er einen unhandlichen und schweren Karton in die Hand und stieg vorsichtig balancierend die 147 Stufen bis zum Strand hinunter und lief geradewegs auf Frangelicos Strandbar zu. Als er an den Plastikstühlen und Sonnenschirmen vorbeiging und erleichtert den Tresen ansteuerte, rannte er direkt in eine Frau. Beide stürzten auf den Boden, Renner stützte sich gerade noch mit der Hand ab, während die Frau wie in einer Slapstick-Komödie mit einem weithin vernehmbaren „Rumms“ auf dem Hintern landete und einige Milch-Packungen aus dem hohen Karton abbekam. Frangelico kam aus seiner Bude heraus und wollte helfen, aber die Frau, eine großgewachsene Mittvierzigerin mit langen, brünetten Haaren, hatte sich schon wieder aufgerichtet und klopfte sich den Hintern ab. Die Frau sagte lachend: „Als Milchlieferant sind Sie aber nicht sehr gut.“

      „Na, dann bin ich ja froh, dass ich Gastronom bin, nicht Milchlieferant. Ist alles okay bei Ihnen?“

      Die Frau nickte und warf ihm einen amüsierten Blick aus ihren funkelnden, braunen Augen zu. Renners Blick blieb an ihr hängen, fasziniert stellte er fest, dass die braunen Augen mit grünen Farbsprenkeln übersät waren.

      „Ja, aber wenn Sie mich das nächste Mal flachlegen wollen, zahlen Sie mir vorher einen Drink.“ Sie schlug sich entsetzt die Hände vor den Mund. „Oh Gott, habe ich das wirklich gesagt? Ich klinge ja wie eine fürchterliche Aufreißerin.“

      „Wenn Sie sich besser fühlen, könnte ich Ihnen jetzt eine zotige Antwort liefern. Aber Sie müssten mir etwas Zeit zum Nachdenken lassen, das ist nicht gerade mein Spezialgebiet.“

      Die hübsche Brünette lachte und winkte ab. „Es reicht ja, wenn ich aus der Rolle falle.“

      „Renner, Marc Renner. Ich erwähne das sonst nicht, aber um einen Anstrich von Seriosität in diese Unterhaltung zu flechten: Ich bin pensionierter Kriminalbeamter.“

      Renner wurde eine feingliedrige Hand entgegengestreckt, an der ein dezenter, silberner Ring mit einem elegant gefassten, rund geschliffenen Türkis steckte. „Lucy Körner. Und Sie sind schon pensioniert? Wieso denn das?“

      Renner stockte kurz und sagte dann widerstrebend: „Ich wurde bei meinem letzten Einsatz verletzt. Und bin deshalb früher als geplant aus dem aktiven Dienst ausgeschieden.“ Und weil ich die Gewalt und den Tod nicht mehr ertragen habe, dachte er. Aber das war nichts, was man einer zufälligen Strandbekanntschaft gleich auf die Nase band.

      Lucy schien zu spüren, dass Renner sich unbehaglich fühlte, denn sie wechselte schnell wieder das Thema.

      „Also ich mache Urlaub hier. Und Sie betreiben eine Strandbar?“

      Renner lachte, wuchtete die Milch auf den Tresen und zeigte auf den Barkeeper, der mittlerweile auch am Unfallort eingetroffen war und die Milchkartons aufsammelte. „Nein, das ist Frangelicos Bar. Ich bringe ihm nur laktosefreie Milch, damit ich hier meinen Café con Leche oder meinen Eiskaffee trinken kann. Als ich vor Wochen das erste Mal hier war, gab es weder Soja noch laktosefreie Milch. Also habe ich angefangen, selbst welche anzuschleppen. Im Gegenzug berechnet mein Kollege mir den Kaffee nicht.“ Irgendwie war ihm die Frau sympathisch, er wollte sich gerne weiter mit ihr unterhalten. „Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen, um den Schrecken zu überwinden?“ Renner freute sich, als Lucy ohne zu zögern zustimmte und seiner einladenden Geste zu einem nahegelegenen Plastiktisch folgte. Ein verrückter Tag war das. Da begegnete er innerhalb von kürzester Zeit zwei sehr attraktiven Frauen, die eine brüllte ihn an und die andere trank jetzt Kaffee mit ihm.

      „Also, wenn das hier nicht Ihre Bar ist, was machen Sie denn dann?“

      „Ich erfülle mir einen alten Jugendtraum und eröffne ein Restaurant. Außerdem habe ich noch ein paar Fremdenzimmer.“

      „Dann kochen Sie sehr gerne?“

      „Im Prinzip schon, aber ich habe einen einheimischen Koch. Ich werde höchstens mal ein deutsches Gericht zubereiten, für die Touristen.“

      „Was macht dann Ihren Jugendtraum aus, wenn nicht das Kochen?“ Lucy lehnte sich zurück und spielte etwas mit ihrem brünetten Haar. Sie drehte es zu einer Locke auf.

      „Sie sind scharfsinnig“, sagte er leicht fasziniert und stellte innerlich fest, dass sie direkt auf den Kern der Sache zusteuerte. Und stellte sich unwillkürlich die Frage, ob sie wohl verheiratet war. Er wunderte sich über den Gedanken, das war nicht seine Art.

      „Ich mag das Gefühl, ein guter Gastgeber zu sein. Ich liebe den Gedanken, dass ich meinen Gästen eine Auszeit aus dem Alltag ermögliche. So kann ich zumindest einen kleinen Teil dazu beitragen, die Welt wenigstens für ein paar Stunden besser zu machen.“

      Lucy beugte sich etwas vor und berührte seine Hand. „Das scheint Ihnen extrem wichtig zu sein. Die Welt ein wenig besser zu machen?“

      Renner verlor ein wenig die Fassung, es war, als würde sie ihm in die Seele blicken. „Sind Sie alleine hier?“, rutschte es ihm heraus.

      „Na, im Moment sitze ich hier mit Ihnen am Tisch.“ Lucy pustete eine Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte ihn schelmisch an. „Es wartet aber kein eifersüchtiger Ehemann auf mich, wenn Sie das wissen wollten.“

      Renner räusperte sich. „Ich stelle mich nicht besonders geschickt an, oder?“

      „Nein, das machst du nicht, Marc.“

      Hatte Sie ihn gerade geduzt? Ein prüfender Blick in ihre schelmisch lächelnden Augen genügte. Er lachte verlegen und beschloss, sie auch zu duzen. Und stellte fest, dass er seinen Namen gerne öfter aus ihrem Mund hören wollte. Er nahm seinen Mut zusammen und sagte: „Dafür bin ich aber als Fremdenführer recht geschickt.“ Er zog einen zerknitterten Flyer aus der Hosentasche. „Das ist das Infoblatt für meine Gäste, mit den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Region. Wenn du Lust hast, können wir uns einige davon ansehen.“

      Sie schwieg kurz und schaute ihn an. Dann lächelte sie. „Ja, wieso eigentlich nicht.“

      Nach einem langen Nachmittag, der zuerst in die kleine örtliche Kirche Nostra Senyora dels Angels