»Also muss ich ein Angebot machen«, halte ich fest und drehe mich zu John um. Mein Magen zieht sich vor Nervosität zusammen. Ich war nie gut darin, Entscheidungen zu treffen, ohne vorher gründlich alle Optionen abzuwägen.
»Wenn du das willst, würde ich dir raten, es eher früh als spät zu tun.« Er nickt und schiebt die Hände in die Taschen seiner Anzughose.
Ein weiteres Mal lasse ich den Innenraum auf mich wirken und mir wird klar, wie sehr ich diese Gegend liebe. John hat recht. Bei dem Preis, der sonst für Objekte in dieser Straße anfällt, wäre mein finanzieller Aufwand deutlich geringer. Selbst wenn man die Renovierung miteinrechnet. Es wäre eine Investition, und eine gute noch dazu. Ich muss mir ein neues Leben aufbauen und dazu gehört, dass ich mir ein Zuhause schaffe.
»Okay«, stimme ich zu, woraufhin John fragend die Brauen hebt. »Ich werde ein Kaufangebot abgeben, aber versprich mir, dass du mich so schnell wie möglich mit deinem Innenarchitekten bekannt machst, falls es angenommen wird.«
Zwar habe ich nichts gegen meine momentane Unterkunft, aber fünftausend Dollar Miete pro Monat finde ich nicht sonderlich prickelnd. Allerdings bietet diese Stadt nur wenige erschwingliche Alternativen, wenn man in einer schönen Gegend wohnen möchte.
»Abgemacht.« Er grinst und zeigt dabei eine Reihe perfekter weißer Zähne. »Na, dann komm, ich lade dich zum Essen ein.« Wir treten nach draußen auf die Veranda, und er schließt die Vordertür hinter uns.
Nach einem Blick auf meine Uhr schüttle ich den Kopf. »Ich kann leider nicht. Ich habe gleich noch einen Termin am anderen Ende der Stadt.«
»Alles klar. Dann bereite ich die Papiere für dein Angebot vor und schicke dir per E-Mail die Dokumente, die du unterzeichnen musst.«
»Klingt gut.« Ich drücke kurz seinen Arm, ehe er ein Taxi herbeiwinkt, das nur eine Sekunde später vor uns zum Stehen kommt. »Meinst du, es würde den Prozess beschleunigen, wenn wir dem Verkäufer sagen, dass ich den Kaufpreis in bar bezahlen werde?«
»Schaden kann es nicht«, meint er schulterzuckend. Offenbar scheint ihn die Vorstellung, dass jemand für eine Immobilie eine Million in bar hinblättert, nicht zu überraschen. Als Makler in einer der teuersten Städte der Welt ist er das vermutlich gewohnt.
»Ich warte dann auf deine E-Mail.« Lächelnd rutsche ich auf die Rückbank des Taxis. Als es losfährt, betrachte ich noch ein letztes Mal das Haus und ein aufgeregtes Flattern geht durch meinen Magen.
2. Kapitel
Nur wir zwei
Lucas
»Daddy, du kannst mich jetzt ins Bett bringen und mir etwas vorlesen«, sagt Madeline. Mein kleines Mädchen steht in ihrem leuchtend pinken Pyjama, dessen Baumwollstoff über und über mit Einhörnern bedruckt ist, in der Tür zu ihrem Zimmer. Ihr Haar ist noch feucht vom Duschen und ein bezauberndes Lächeln erhellt ihr Gesicht.
»Hast du dir die Zähne geputzt?« Ich werfe einen Blick auf die Uhr und sehe, dass es bereits nach acht ist.
»Jap.« Sie grinst, und ich mustere sie aus zusammengekniffenen Augen.
»Hast du all dein Mädchenzeug zurück auf dein Regal in der Dusche gestellt?«
Ihre Augen beginnen zu funkeln und sie kichert. »Ja, Daddy.«
»Gott sei Dank.« Sie hüpft ins Bett, und ich lege mir die Hand auf die Stelle über meinem Herzen. »Noch so einen Glitterunfall wie neulich verkrafte ich nicht.«
Glucksend lässt sie sich in ihre Kissen fallen.
Ihr Lachen ist ansteckend. Im Nachhinein betrachtet, ist das Ganze ziemlich lustig, letzte Woche war das aber völlig anders. Da habe ich versehentlich ihr Duschgel benutzt und das Zeug hinterließ einen Glitterfilm auf meinem Körper, der sich partout nicht abwaschen ließ. Ich sah aus wie dieser verdammte silberne Troll aus Trolls. Zum Glück hatte ich an jenem Tag kein Meeting mit einem Klienten und konnte mich in meinem Büro verschanzen.
»Du bist doof, Daddy.« Grinsend setzt sie sich auf.
»Also, was lesen wir heute?«, frage ich, als sie ihre Nachttischlampe anmacht, und schalte das Oberlicht aus, ehe ich mich auf die Bettkante setze.
»Das hier.« Sie drückt mir ein Buch in die Hand.
Amüsiert betrachte ich das Cover. »Schon wieder?«
»Es ist meine Lieblingsgeschichte.« Sie rutscht ein Stück zur Seite, und ich lege mich neben sie. Dann hebe ich den Arm, damit sie sich an meine Seite kuscheln kann, wie sie es seit ihrer Geburt jeden Abend macht.
»Alles klar.« Ich schlage die erste Seite auf und lese Madeline Die Prinzessin auf der Erbse vor, bis ich ihr leises Schnarchen höre. Als ich erkenne, dass ihre Lider fest geschlossen sind, drücke ich ihr für einen langen Moment einen Kuss auf die Stirn.
Nie hätte ich erwartet, dass es eines Tages nur uns beide geben würde und ich alleinerziehender Vater wäre. Als ich Madelines Mutter kennenlernte, machte ich mir nicht viele Gedanken darüber, welche Art von Frau sie war – ihr Aussehen und der Spaß, den wir miteinander hatten, haben mich geblendet. Zugegeben, ich war ein Arschloch ... Vielleicht ließ ich mich, was sie anging, auch lediglich von meiner Lust leiten. Sie war wunderschön, hatte ein atemberaubendes Lächeln und konnte im richtigen Moment sehr witzig sein. Die Anziehungskraft zwischen uns war unglaublich. Damals reichte mir das. Was sich änderte, als sie mir von ihrer Schwangerschaft erzählte.
Während meiner Kindheit und Jugend waren mir die Liebe meiner Eltern und das, was sie für ihre Ehe taten, stets ein Vorbild gewesen. Ich wollte von jeher eine eigene Familie gründen und nahm an, dass ich das zusammen mit Eva tun könnte. Ich glaubte, ein Erfolg hinge allein davon ab, dass ich mich genug darum bemühte. Als sie im zweiten Monat schwanger war, habe ich ihr einen Antrag gemacht. Keine dreißig Tage später gaben wir uns bei einer kleinen Zeremonie in der Kirche, in die meine Familie geht, das Jawort. Für eine Weile lief es gut. Nicht herausragend, aber es war in Ordnung. Wir entwickelten eine Routine, mit der wir beide zurechtkamen und in der ich ihr jeglichen Spielraum ließ.
Nach Madelines Geburt waren Eva und ich ziemlich beschäftigt – ich mit der Arbeit und sie damit, sich in meiner Abwesenheit um unser Zuhause und unsere Tochter zu kümmern. Mit der Zeit wurden die Dinge schwieriger. Es wurde anstrengender, so zu tun, als sei ich glücklich, und ich begann, ihr aus dem Weg zu gehen. Mir gefiel nicht, wie sie Madeline behandelte. Dass sie sich lieber mit ihren Freundinnen traf, als ihrer Rolle als Mutter nachzukommen. Viel zu lange habe ich diesen Mist mitgemacht. Eine Scheidung stand für mich nicht zur Debatte, denn ich wollte vermeiden, dass mich meine Tochter nur an den Wochenenden oder an von einem Gericht festgelegten Tagen sehen würde. Als Madeline fünf wurde, ließ sich das Unvermeidbare aber nicht länger abwenden. Ich konnte nicht mehr in den Spiegel schauen, ohne mich zu fragen, wer zur Hölle mir daraus entgegenblickte. Mir ging es dreckig, ich wusste nicht mehr ein noch aus und ich lebte eine Lüge mit einer Frau, mit der ich es kaum im selben Raum aushielt.
Als ich beschloss, unsere Ehe zu beenden, erwartete ich insgeheim, dass Eva mit harten Bandagen kämpfen würde; oder versuchen würde, Madeline als Druckmittel gegen mich zu verwenden, um ihren Willen durchzusetzen. Allerdings habe ich schnell herausgefunden, dass sie bereits einen Plan B in der Hinterhand hatte. Sie hatte schon eine Weile eine Affäre mit einem Mann der – zu meinem Glück – nicht das Kind eines anderen großziehen wollte. Eva überließ mir das alleinige Sorgerecht und zog zu ihrem Lover. Vor zwei Jahren verließen Madeline und ich Connecticut und wagten in der Stadt einen Neustart. Seither hat sich Eva kaum blicken lassen.
Meine Tochter ohne Mutter aufwachsen zu sehen, finde ich furchtbar, aber ein Teil von mir ist dankbar dafür. Es handelt sich immerhin um eine Frau, die einen Mann ihrem eigenen Kind vorgezogen hat. Madeline vermisst ihre Mom jedoch – oder zumindest die Vorstellung, die sie von