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Translation: Von der Theorie zur Empirie und zurück
Michele Barricelli
Mit Fug und Recht lässt sich heute sagen, die Geschichtsdidaktik habe eine Periode des relativen Mangels an empirischer Forschung hinter sich gelassen.2 Ertragreiche Projekte gibt es in steigender Zahl, die Fragestellungen sind interdisziplinär anschlussfähig geworden, der Gebrauch von Erhebungs- und Auswertungsmethoden gelingt zunehmend sicher. Die Schweizer Tagungsreihe »geschichtsdidaktik empirisch« der FHNW (mit ihren entweder tiefstapelnden oder verwegenen Minuskeln) hat nicht wenig zu diesem glücklichen Umstand beigetragen. Dafür gebührt den Ideengebern, spiritus rectoribus, Organisatoren, auch den Förderern großer Dank.
Entsprechend der Fortentwicklung von Aufgabenbereichen, methodischen Zugängen und Auskunftsmöglichkeiten gibt es nun bereits eine Vielzahl von Überblicken zum Stand der empirischen Forschung in der Geschichtsdidaktik. Diese sind, ob in Aufsatzform, Sammelbänden oder Monografien, oft eher auf die methodische Seite der Forschung konzentriert wie zuletzt der Band von Holger Thünemann und Meik Zülsdorf-Kersting (2016), dem hier manche beispielhaften Anregungen entnommen werden. Rarer, wiewohl ebenso zu finden sind allgemeine Überlegungen dazu, wie die neu hinzutretende Betonung des empirischen Zugriffs die Denkroutinen und Arbeitsweisen in der Disziplin Geschichtsdidaktik verändert hat. Bei Letzterer herrschen naturgemäß gewisse pragmatische Hinsichten vor, die um Empfehlungen für eine gute, zuverlässige und nützliche Forschung sozusagen im Dienste des Kunden (der Schülerinnen und Schüler, der Lehrkräfte, einer an Geschichte und Erinnerung interessierten Öffentlichkeit, der Bildungspolitik) gruppiert sind.3 Dass sich zugleich der Charakter der Geschichtsdidaktik als Wissenschaft überhaupt wandelt, gerät dagegen noch recht wenig in den Blick. Denn diese ist nun ja nicht mehr länger (oder will oder darf es nicht sein) eine dominant hermeneutisch arbeitende Instanz, deren Ausübende einer scholarship im Sinne etwa eines Hans Ulrich Gumbrecht huldigen, die einst (nur) zu Kontemplation, langer gedanklicher Verweildauer und schier unendlichem Austausch jeweils nur fein modifizierter Argumente im behaglichen Diskurs innerhalb eines geschützten Raumes verpflichtete. Stattdessen orientiert man sich unter der Parole von Messbarkeit an einer Idee der Verwertbarkeit von Ergebnissen und stellt sich zudem in vielen auch nichtakademischen Räumen, zum Beispiel in Beiräten und Fachkommissionen von Museen, Gedenkstiftungen oder Anstalten öffentlicher Erinnerung, drängenden Nachfragen, mahnenden Ansprüchen und ungeduldig vorgebrachten Auskunftsersuchen nach dem Muster »Was kann Bildung zum Abbau von Fundamentalismen und Extremismen beitragen?«, »Wie hilft Geschichte bei der Sicherung des gesellschaftlichen Zusammenhalts?«, »Ist unsere liberale Demokratie zu retten?«. Soll heißen: Statt dass die Geschichtsdidaktik Zeit erhält zu er- und begründen, was »Fundamentalismus« und »Extremismus«, »Gesellschaft«, »Pluralität« und »Demokratie« in ihrer jeweils historischen Dimension