Tabelle 1: Übersicht Sample
2.2Methode der Codierung und Intercoder-Reliabilität
Die Auswertung erfolgte durch qualitative Inhaltsanalyse (Kuckartz, 2010; Mayring, 2010); sie wurde computergestützt mittels MAXQDA an den transkribierten Interviews durchgeführt. Codiereinheiten sind die Antworten auf Fragen und Impulse des Interviewers, um die Sequenzialität des Interviews zu berücksichtigen und Antworten je als Äußerung zu einem Themenfeld wie z. B. »fachliche Eignung des ›mBook‹ zu erfassen; Mehrfachcodierungen waren möglich. Die große Codiereinheit wurde gewählt, um eine Codeeinschätzung je Fragekomplex z. B. zur Einstellung zu Kompetenzorientierung im Geschichtsunterricht zu erhalten und die Vergleichbarkeit unterschiedlich ausführlicher Antworten durch Anzahl der Codings einer Kategorie zu erhöhen. Die Codes wurden deduktiv aus dem Interviewleitfaden und induktiv aus den Antworten der Lehrkräfte entwickelt. Der Codebaum wurde materialgetrieben aufgebaut, unter Zusammenfassung der Einzelcodes zu Codiereinheiten.
Um die Intercoder-Reliabilität sicherzustellen, wurden der Codebaum und insbesondere die Codebeschreibungen mehrfach optimiert. Als Grundlage für die Optimierung des Codebaums wurden drei Interviews herangezogen. Nach dem optimierten Codeschema wurden drei weitere Interviews (entspricht ca. 14 % von n = 21) von zwei unabhängigen Codern codiert. Für diese Interviews wurde die für komplexe Codings sehr zufriedenstellende Intercoder-Reliabilität nach Krippendorffs Alpha, α = 0.71, erreicht. Danach wurden die übrigen Interviews von einem der Coder codiert.
2.3Beschreibung des Codebaums
Die einzelnen Codes wurden zu den vier Kategorien »Kompetenzorientierung«, »Digitalität«, »Lehrkraft« und »Aussagen zum ›mBook‹« zusammengefasst.
Die Kategorie »Kompetenzorientierung« beinhaltet Codes zu den vier Kompetenzbereichen historischen Denkens nach dem FUER-Modell (historische Sach-, Methoden-, Orientierungs- und Fragekompetenz). Unter »Digitalität« fallen die Codes zu Digitalität im Unterricht und zur Einstellung gegenüber kompetenzorientiertem Unterricht im Allgemeinen. Unter »Digitalität im Unterricht« fallen die Erwähnung technischer Probleme in Bezug auf das »mBook« oder auf die für seine Nutzung notwendige Hardware und WLAN-Struktur (»Technische Probleme«), kritische Äußerungen zum Thema Digitalität (»Kritisch gegenüber Digitalität«), positive Äußerungen zu Multimedialität im Unterricht (»Multimedialität als Gewinn für den Unterricht«) sowie die Erwähnung der Nutzung digitaler Medien zur Entwicklung fachunspezifischer Fähigkeiten, also beispielsweise Üben von Internetrecherchen oder Umgang mit Programmen wie Microsoft Word.
In der Kategorie »Lehrkraft« werden die Berufserfahrung der Lehrkräfte laut ihrer Selbstauskunft und der bevorzugte Unterrichtsstil codiert (»schülerzentriert«, »lehrerzentriert« und »Anzeichen differenzierten Unterrichts«; dieser Code wurde vergeben, wenn die Lehrkraft davon spricht, eine bewusste Individualisierung unter Nutzung der Lehrmaterialien anzustreben, um so auf die Bedürfnisse der einzelnen Schüler in der Klasse einzugehen). Weitere Codes betreffen Aussagen zu den Unterrichtszielen: Hier fallen die Aussagen unter die Codes »Verständnis Digitalzeitalter/Gesellschaftskritik«, wenn die Lehrkraft für das Digitalzeitalter vorbereitete, mündige Schülerinnen und Schüler als Ziel des Unterrichts präsentiert, und »Wissen«, wenn die Lehrkraft Faktenwissen als essenzielles Unterrichtsergebnis betont.
Die Kategorie »Aussagen zum ›mBook‹« umfasst die Rolle des »mBook« für den Unterricht und die digitale oder analoge Nutzung, die Bewertung des vom »mBook« angebotenen Umfangs an Informationen und Materialien sowie die Nutzung der Autoreninterviews, in denen Hintergründe der Anlage des jeweiligen Kapitels erläutert werden. Die herausgehobene Stellung der Autoreninterviews erklärt sich durch die spezielle Konzeption des »mBook«: Die in diesen Videos dargelegte Autorenperspektive zu kennen, vereinfacht es, die einzelnen Kapitel gemäß ihrer Intention zu nutzen. Die Hypothese ist, dass daher Lehrkräfte, die die Autoreninterviews selbst oder sogar mit ihrer Klasse verwenden, eher geneigt sind, dem »mBook« größeren Raum in ihrer Unterrichtsgestaltung zu lassen. Die Nutzung wird durch die Codes »gar nicht«, »zur Unterrichtsvorbereitung durch die Lehrkraft« oder »im Unterricht gemeinsam mit den Schülern« spezifiziert. Der Code »Rolle des ›mBook‹ für den Unterricht« umfasst die allgemeinen Aussagen der Lehrkraft über das »mBook«, die darin enthaltenen Materialien und deren Verwendung für ihren Unterricht. Sie kann dabei z. B. ihre »Eigenständigkeit gegenüber dem ›mBook‹« betonen (also von Nutzungsweisen, die begründet von der durch die Autoren intendierten Nutzung abweichen) oder die Verwendung (nur) zur Unterrichtsvorbereitung erwähnen. Der Code »›mBook‹-Einsatz« erfasst die Nutzung über Tablet oder PC (»digital«, was die Nutzung des ›mBook‹ durch die Schüler impliziert), die Präsentation mittels Beamer oder durch analoge Nutzung kopierter »mBook«-Seiten. Der Kategorie »Aussagen zum ›mBook‹« sind zudem Codes zugeordnet, die Bemerkungen der Lehrkräfte über einen zu »geringen« oder einen »reichhaltigen Umfang« des »mBook« markieren.
2.4Auswertung
Zur Erklärung des »mBook«-Nutzungsverhaltens der Lehrkräfte zielt die Auswertung auf eine Typenbildung. Für analoge Geschichtsschulbücher liegt eine Kategorisierung der Nutzungsintensität und -form von Gautschi (2010, 128) vor; diese bildete den Ausgangspunkt für die Auswertung. Allerdings wurde Gautschis Einteilung modifiziert, um der digitalen Anlage des »mBook« besser gerecht zu werden und die forschungsmethodische Entscheidung zu berücksichtigen, für die Analyse der »mBook«Nutzung Logfile-Daten heranzuziehen. Die Nichtverwendung des »mBook« im Unterricht und eine Verwendung durch die Lehrkräfte zur Unterrichtsvorbereitung hinterlassen beide keine trackbaren Spuren, weshalb Gautschis Typen 4 und 5 (Nutzung durch die Lehrkraft zur Unterrichtsvorbereitung sowie generell keine Nutzung) zusammengefasst wurden. Auch Gautschis Typ 3 (Schulbuchnutzung für Lektüreaufgaben) wurde aufgelöst. Sie kann in Typ 1 wie Typ 2, der Nutzung des Schulbuchs als Leitmedium oder der selektiven Verwendung, vorkommen. Es wurde also angenommen, dass sich folgende drei Nutzertypen unterscheiden lassen:
1.der Vollnutzer, also die das »mBook« als Leitmedium verwendende Lehrkraft, die im Unterricht Aufbau und Struktur des »mBook« folgt und selbiges digital von den Schülerinnen und Schülern bearbeiten lässt;
2.der selektive Nutzer, der das »mBook« als Materialfundus verwendet und Teile im Unterricht bearbeiten lässt beziehungsweise per Beamer präsentiert, jedoch weitestgehend, unabhängig vom »mBook«, seinen eigenen Vorstellungen folgend unterrichtet;
3.der ablehnende Nutzer, der das »mBook« überhaupt nicht oder nur sehr selten verwendet.
Hypothetisch wurde angenommen, dass folgende Aspekte konstitutiv für die Typen sind:
1.Die Art und Weise der »mBook«-Nutzung im Unterricht (also die Nutzung mittels Tablet durch die Schülerinnen und Schüler, die vorwiegende Präsentation des »mBook« durch die Lehrkraft über Beamer oder eine analoge Nutzung mittels ausgedruckter Kopien bestimmter »mBook«-Elemente, schließlich die grundsätzliche Nicht-Nutzung des »mBook«).
2.Die Rolle des »mBook« in der Unterrichtsplanung der Lehrkraft, wobei es als Leitmedium oder zur Vorbereitung eines anderen Ansätzen folgenden Unterrichts genutzt werden kann.
3.Die Rahmenbedingungen: Es wurde angenommen, dass für die Nutzung des »mBook«, das mit Digitalität und Kompetenzorientierung neue Anforderungen an die Lehrkräfte stellt, weitere Faktoren in Betracht gezogen werden müssen, als dies bei Gautschi der Fall ist, der sich auf analoge Schulbücher bezieht. Angenommen wurde die Bedeutung der technischen Ausstattung der Schule und die Zuverlässigkeit ihres Funktionierens sowie die Einstellung der Lehrkräfte zur Kompetenzorientierung und Digitalität im Unterricht. Die These war, dass jüngere Lehrkräfte das »mBook« verstärkt nutzen.
Mithilfe der oben dargestellten materialgetriebenen Codierungen wurde überprüft, inwiefern sich eine Einteilung in die drei von der Kategorisierung Gautschis abgeleiteten Nutzertypen bestätigen lässt