—große Unsicherheit im Planungsprozess für die Betroffenen (Personal);
—komplexe und schwerfällige Projektorganisation sowie Probleme in der Projektsteuerung (u. a. mangelnde Konsistenz der Umsetzung, Veränderung der Planungsvorgaben im laufenden Prozess; unklarer Status bzw. Veränderung des Einbezugs der Betroffenen [Planungsgremien], Probleme bei Information und Kommunikation; Fehlen von mit klaren Entscheidungskompetenzen versehenen Koordinationsgremien usw.) (vgl. Criblez & Reusser 2001).
Die externe Expertise kam zum Schluss, dass für die neue Lehrerinnen- und Lehrerbildung vor allem die notwendigen Klärungen auf allen Ebenen herbeigeführt werden sollten. Insbesondere schlug sie vor, die nicht geklärten Strukturfragen anzugehen. Mögliche Lösungen sah sie in einer Vollintegration der Lehrerinnen- und Lehrerbildung in die Universität, in der Schaffung einer Pädagogischen Hochschule oder in der Verbesserung des Angliederungsmodells (Criblez & Reusser 2001, S. 65).
Die «Verordnung über die deutschsprachige Lehrerinnen- und Lehrerbildung» trat am 16. August 2001 in Kraft, die Ausbildung in den neuen Studiengängen begann im Oktober 2001. Am dezentralen Standort Langenthal konnte allerdings der Betrieb mangels Anmeldungen nicht aufgenommen werden. 2002 wurden die dezentralen Institute in Langenthal und Biel definitiv geschlossen, 2003 dasjenige in Spiez.
Der Grosse Rat des Kantons Bern überwies nach Kenntnisnahme der externen Expertise und entsprechenden Diskussionen eine Motion der Geschäftsprüfungskommission, die verlangte, die gesetzlichen Grundlagen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung, aber insbesondere ihren institutionellen Status noch einmal zu überprüfen (Tagblatt des Grossen Rates 2001, S. 583–595). Bevor dieser Auftrag aber ernsthaft erledigt wurde, überwies er im Januar 2002 auch eine Motion von Grossrat Peter Santschi, mit der die Regierung beauftragt wurde, eine Pädagogische Hochschule zu planen (Tagblatt des Grossen Rates 2002, S. 92–101). Zwar hatte die Erziehungsdirektion für eine Vollintegration in die Universität plädiert, aber die Angst vor einer «verakademisierten» Lehrerinnen- und Lehrerbildung und die Hoffnung auf eine autonome Hochschule, die den spezifischen Anforderungen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung gerecht wird, ließen das Parlament diesen Entscheid, der in einem gewissen Widerspruch zum vorigen Entscheid stand, fällen. Der Kanton Bern gliederte sich damit in den «Mainstream» der meisten Lehrerbildungsreformprojekte ein. Die Planung der Pädagogischen Hochschule Bern wurde rasch in Angriff genommen und schon 2004 das entsprechende Gesetz verabschiedet. Die Pädagogische Hochschule Bern nahm ihren Betrieb in der weitgehend heute noch existierenden Organisationsform am 1. September 2005 auf.
Die Reform der bernischen Lehrerinnen- und Lehrerbildung hat, geht man vom politischen Auftrag der Motion Rychen 1978 und der Eröffnung der Pädagogischen Hochschule 2005 aus, fast 30 Jahre gedauert. Auch für eine «Jahrhundertreform» ist das sicher eine lange Zeit. Ein Reformprojekt von dieser Komplexität ließ sich allerdings nicht kurzfristig realisieren. Die Gesamtrevision der Bildungsgesetzgebung im Kanton Bern, die Gründung von Fachhochschulen, die Maturitätsreform, der lang anhaltende Spardruck der 1990er-Jahre im Kanton Bern sowie gesamtschweizerische bzw. internationale Entwicklungen in der Diplomanerkennung haben für Verzögerungen und entsprechende Komplexitätssteigerungen gesorgt. Eine Gesamtbeurteilung des Prozesses ist deshalb schwierig, aber sicher ist, dass die Komplexität des Reformprozesses zu Beginn unterschätzt worden war und dass die Lehrerbildungsreformen auch in andern Kantonen und Regionen der Schweiz nicht ohne Schwierigkeiten hatten realisiert werden können (Criblez, Lehmann & Huber 2016/im Druck).
Was lässt sich aus diesem Prozess für die Funktionsweise von Bildungsreformen schließen? Statt einer Zusammenfassung sollen hier vier thesenartige Generalisierungen zum Weiterdenken anregen:
Erstens: Wir sollten uns verabschieden von der Vorstellung, dass kantonale Bildungsreformen selbstbezüglich, autonom und unabhängig von bildungspolitischen Entwicklungen in der Schweiz und in Europa überhaupt möglich sind. Der Bildungsföderalismus ist in einem gewissen Sinne zu einem Ende gekommen, auch wenn er formalrechtlich weiter existiert. Der «Zwang zur freiwilligen Koordination» (Lehmann 2013) ist in der Schweiz eine Notwendigkeit geworden – auch wenn manche dies nicht wahrhaben wollen. Die Lehrerbildungsreform im Kanton Bern zeigt beispielhaft genau dies: Der Kanton Bern passte sich – wenn auch spät – der Logik des Diplomanerkennungsprozesses der EDK an – erst diese Anpassung führte – um noch einmal Emanuel Martig zu bemühen – zu einer «gedeihlichen» Weiterentwicklung der bernischen Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Gerade die Vorstellung des autonomen kantonalen Handelns bis zum Gesetz über die Lehrerinnen- und Lehrerbildung von 1995 hat an verschiedenen Stellen zu Folgeproblemen geführt – und entsprechende Korrekturmaßnahmen notwendig gemacht.
Zweitens liegen unseren Reformvorstellungen – wider besseres, erfahrungsgesättigtes Wissen – eigentlich wenig dynamische Konzepte zugrunde: Eine alte Form der Lehrerinnen- und Lehrerbildung wird in einem zeitlich begrenzten Reformprozess in eine neue Form überführt – klarer Beginn, klares Ende, definierter Zeitraum für die Implementation der Reformen. Alles, was wir inzwischen über Reformprozesse wissen, widerspricht diesen Annahmen: Der politische Auftrag für eine Gesamtkonzeption Lehrerbildung erfolgte im Kanton Bern 1978, kurz nach der Verlängerung der seminaristischen Ausbildung von vier auf fünf Jahre. Die Lehrerinnenseminare des Kantons Zug waren eigentlich schon in den 1970er-Jahren für die Kongregationen finanziell und personell nicht mehr tragbar, da der eigene Nachwuchs fehlte, der Säkularisierungsprozess zeichnete sich also da schon ab. Wann also begannen die Reformen genau? Und wann endeten sie – im Kanton Bern mit der Gründung der Pädagogischen Hochschule Bern im Herbst 2005? Alle Entscheidungsträger wissen, dass dies nicht das Ende der Reform war: Welche Reformen stehen unter den neuen Rahmenbedingungen des Hochschulförderungs- und -koordinationsgesetzes erst noch an? Es gibt keinen eindeutigen Reformstart und kein eindeutiges Ende. Festzustellen sind Reformkaskaden, in denen Reformen neben erwünschten auch unerwartete Folgen zeitigen, die anschließend im Sinne einer Reform der Reform korrigierend bearbeitet werden müssen. Je schneller Reformen aufeinander folgen, desto häufiger werden erfahrungsgemäß Korrekturen notwendig.
Drittens müssen wir uns von der Vorstellung verabschieden, dass Reformen geplant und dann wie geplant implementiert werden. Von Genf über Bern und die Zentralschweiz bis nach St. Gallen und wieder zurück in die Nordwestschweiz haben die Reformprojekte wechselnde Organisationsmodelle und unterschiedliche Phasen durchlaufen (vgl. Criblez, Lehmann & Huber 2016/im Druck). Denn ein Teil des Reformprogramms klärt sich erst im Laufe der Neugestaltung, die Reformen wiederum reagieren auf sich im Reformprozess ändernde Kontextfaktoren und Reformen in andern (Bildungs-)Bereichen16, auf sich ändernde Akteurkonstellationen und auf sich ändernde Steuerungsimpulse – und sie reagieren auf sich selbst, korrigieren sich also selbst. Reformprogramme und Reformrhetorik sind jedoch nicht mit den Reformen gleichzusetzen und vom Reden über Reformen und von den programmatischen Reformschriften kann nicht einfach auf die tatsächlich stattfindenden Reformen geschlossen werden.
Viertens: Die Reformakteure rechnen nicht mit der Widerständigkeit des Feldes und des Personals. Reformen müssen irgendwann in den Köpfen (und wahrscheinlich auch in den Herzen) der Menschen ankommen. Das ist das Reformparadox: Erst wenn Neues zum Bewährten wird, also nicht mehr neu ist, ist die Reform dauerhaft implementiert. Das braucht Zeit, sehr viel Zeit und vor allem: sehr viel mehr Zeit als die Projektverantwortlichen denken. Dass Lehrerinnen und Lehrer an Hochschulen ausgebildet werden, wird deshalb erst in etwa 30 Jahren, wenn die letzten Seminarabsolventinnen und -absolventen pensioniert werden, zur selbstverständlichen «Normalität» werden. Selbstverständlich sind mit solchen Reformprozessen deshalb immer wieder Ermüdungserscheinungen – beim Personal, aber auch bei den Reformakteuren – verbunden.
Reformen funktionieren nicht einfach wie geplant. Sie erreichen nicht alle Ziele, sie erzielen Effekte, die nicht erwartet werden konnten und die nicht intendiert waren. Und die Lehrerbildungsreform im Kanton Bern hat eines deutlich gezeigt hat: Reformen können nicht ohne und nicht gegen die Akteure im Feld durchgeführt werden. Man