Die Erwachsenenbildung hat aber auch den Hochschulen etwas zu bieten. Diese Diskussion wurde in der Schweiz bisher nicht geführt. Reflexionen zum Verhältnis zwischen Universitäten und der Erwachsenenbildung in anderen Ländern zeigen, welche Impulse die Erwachsenenbildung den Hochschulen geben kann, wenn beide Akteure zu einem Dialog über das Verhältnis von Wissenschaft und Praxis bereit sind (vgl. Egger 2016). Wie Egger festhält, haben sich die Hochschulen bisher noch gar nicht mit der Frage befasst, inwiefern wissenschaftliche Weiterbildung spezifische, die hochschuldidaktische Qualifikation ergänzende Kompetenzen erfordert, um erwachsenengerechte und lebensbegleitende Weiterbildung anzubieten. Wie der Autor weiter anmerkt, gehen Hochschullehrerinnen und -lehrer in der Regel davon aus, dass sie die spezifischen Kompetenzen für die Erwachsenenbildung bereits besitzen, obwohl ihnen oft weiterbildungsrelevante Kompetenzen fehlen. Egger nennt hier insbesondere die »weiterbildungsaktiven Momente, die oft jenseits von Standardsituationen liegen, wie Wissen an lebens- und berufsspezifische Kontexte anschlussfähig gemacht wird, welche Widersprüchlichkeiten biografisch bedeutsames Lernen durchziehen oder welch große Rolle die Lernatmosphäre spielt – alles Elemente, die in der Erwachsenenbildung wesentlich sind« (Egger 2016, S. 05-4).
Aufgrund dieser Reflexion zieht Egger den Schluss, dass die Organisation berufsbegleitender Studiengänge an Hochschulen eine »prinzipiell andere methodische Planung und ein teilnehmerInnenorientiertes Lernverständnis [erfordert], das der grundständigen Lehre auch nicht abträglich wäre, in der Weiterbildung aber unbedingt gefordert ist. Eine schlichte Ausdehnung universitärer ›Beschulung‹ ohne eine gleichzeitige Veränderung der Rahmenbedingungen und der Qualität der Lehr- und Lernprozesse kann den Prinzipien lebensbegleitender Weiterbildungsprozesse nicht entsprechen« (Egger 2016).
Die Hochschulen könnten bei ihren Weiterbildungsangeboten (aber auch im grundständigen Studium, vgl. das Interview mit Arnold und Hanft in diesem Band sowie Zimmermann & Zellweger 2012) also durchaus von methodisch-didaktischen Ansätzen und Erfahrungen der Erwachsenenbildung profitieren, insbesondere von der im Weiterbildungsbereich wichtigen Teilnehmerorientierung.
Ein weiterer Ansatz für die stärkere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und nicht-universitärem Weiterbildungsbereich wären Verbundprojekte. Mit gemeinsamen Programmen für unterschiedliche Zielgruppen könnte das lebensbegleitende Lernen dynamischer und erwachsenengerechter gestaltet werden, zum Beispiel auf Gebieten wie der Klimaforschung.
Der Nutzen einer verstärkten Zusammenarbeit ist selbstverständlich gegenseitig. Aufseiten der Weiterbildungsanbieter mangelt es oft an theoretischen Bezügen und an spezifischem Wissen, das mit bestehenden teilnehmerorientierten Programmen verbunden werden könnte. In Zürich findet dies beispielsweise durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Universität und Volkshochschule statt. Diese Form der Kooperation ist im Weiterbildungsbereich jedoch selten.
Zusammenarbeit und Transparenz
Die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Trägern der Weiterbildung sollte verbessert werden, damit diese ihre gemeinsamen Interessen gegenüber den übrigen Bildungsbereichen und staatlichen Organen besser vertreten können. Entsprechend wäre es von Vorteil, wenn Vertreterinnen und Vertreter aller Hochschultypen (Universitäten, eidg. Technische Hochschulen, Fachhochschulen, Pädagogische Hochschulen) ihre Anliegen koordinieren und gegenüber den Organen des HFKG gemeinsam auftreten könnten. Der SVEB strebt seinerseits eine bessere Vernetzung der gesamten Weiterbildung in Form einer Weiterbildungskonferenz an, die den Dialog zwischen den Weiterbildungsakteuren (Fachverbände, Netzwerke) und den Sozialpartnern sowie Bund und Kantonen intensiviert. Weiterbildungsforschung und -entwicklung müssten im Rahmen der Ressortforschung des Bundes gefördert werden. Die neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen – HFKG und WeBiG – bieten Bund und Kantonen sowie privaten Akteuren die Möglichkeit, Schwächen im System zu erkennen und neue Entwicklungen einzuleiten. Das setzt allerdings voraus, dass der Bund die unterschiedlichen Akteure einberuft und einen gemeinsamen Dialog initiiert.
Nötig ist vor allem eine sachliche Auseinandersetzung mit Fragen, die alle Akteure betreffen. Beobachtet man die bisherige Entwicklung, so stellt man fest, dass die verschiedenen Akteure der Weiterbildung sich oft gegenseitig kritisieren und Wettbewerbsverzerrungen vermuten, ohne darüber informiert zu sein, was effektiv zu welchen Bedingungen auf dem Weiterbildungsmarkt angeboten wird. Eine erhöhte Transparenz und eine bessere Datenlage könnten zu einer sachlicheren Diskussion führen. Das käme nicht nur dem Weiterbildungsmarkt im Sinne einer besseren Abstimmung der Akteure zugute, sondern auch den Teilnehmenden, für die es ebenfalls schwierig ist, sich im Angebot zu orientieren.
Hilfreich wäre außerdem ein Vergleich von verschiedenen Niveaus in der Weiterbildung. So existiert beispielsweise eine Fülle an Führungsseminaren und Lehrgängen, die für Arbeitgeber kaum einzuschätzen sind. Aus diesem Angebot eine für die eigenen Mitarbeitenden passende Weiterbildung zu wählen, ist ein schwieriges Unterfangen. Die Effizienz des Weiterbildungssystems könnte wesentlich gesteigert werden, wenn es gelänge, die Transparenz bezüglich der Anforderungen, Ziele und Programme zu erhöhen, den modularen Aufbau der Angebote zu fördern (was auch die Validierung von Kompetenzen erleichtern würde, siehe Kraus & Schmid in diesem Band) und ein Beratungssystem (vgl. Schlüter & Schilling in diesem Band) aufzubauen.
Absprachen zwischen den verschiedenen Trägern und Ämtern sind nur bedingt möglich. Entscheidend sind letztlich die Bedürfnisse der Teilnehmenden. Sie stehen beispielsweise vor folgenden Fragen: Wie viel von ihrem persönlichen Budget können und wollen sie investieren? Werden sie vom Arbeitgeber/von der Arbeitgeberin unterstützt? Wie sollen sie aus dem unübersichtlichen, vielfältigen Angebot das für sie Passende auswählen? Wie können sie sicher sein, dass die gewählte Weiterbildung auf dem Arbeitsmarkt anerkannt ist?
Forschungsbedarf
Der Mangel an Lehrstühlen für Weiterbildung bringt es mit sich, dass in der Schweiz wenig forschungsbasiertes Wissen für diesen Bereich, auch bezüglich Hochschulweiterbildung, zur Verfügung steht. Ungelöst ist auch trotz WeBiG das Problem der ungenügenden statistischen Datenlage zur Weiterbildung. Mit Ausnahme des Mikrozensus Aus- und Weiterbildung (BFS 2016) und der Betriebsbefragung (BFS 2011) führt der Bund keine systematischen Erhebungen zur Weiterbildung durch. So fehlen auch repräsentative Daten zu den Strukturen und Weiterbildungsanbietern.
Der Bedarf an Weiterbildungsforschung wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Der Bund sollte für eine bessere Datenbasis sorgen. Priorität wird das Steuerungswissen haben, das zur Entwicklung des Weiterbildungsbereichs benötigt wird, darunter eine repräsentative Anbieterstatistik für den gesamten non-formalen Bereich inklusive Hochschulweiterbildung, die nachfrageorientierte Finanzierung, die Entwicklung bei den Abschlüssen inklusive CAS/DAS/MAS sowie die Einordnung von Weiterbildungsabschlüssen in ein Niveausystem. Erschwerend ist hier, dass die Hochschulen bisher nicht bereit waren, sich mit ihren Weiterbildungsangeboten im non-formalen Bereich zu verorten. So wollen sie ihre non-formalen Abschlüsse beispielsweise in den für formale Abschlüsse konzipierten Qualifikationsrahmen der Hochschulen und nicht in den NQR einordnen. Zukünftig braucht es Überlegungen zur Frage, wie das in der Schweiz entwickelte und im Ausland kaum bekannte System von CAS/DAS/MAS international positioniert werden kann. Ähnliche Fragen stellen sich bezüglich der Einordnung von Branchen- und Verbandszertifikaten in den NQR.
Als kleines Land ist die Schweiz auf internationale Kooperationen angewiesen. Bisher mangelt es bei den Schweizer Hochschulen an Forschungsressourcen in diesem Bereich. Umso erfreulicher ist es, dass die Pädagogische Hochschule der Fachhochschule Nordwestschweiz (PH FHNW) und die Pädagogische Hochschule Zürich (PH Zürich) je eine Professur eingerichtet haben, um die wissenschaftliche Reflexion zur Weiterbildung in der Schweiz voranzutreiben.
Bundesamt für Statistik (BFS) (2011). Berufliche Weiterbildung in Unternehmen